Studienbibliographie zur neueren
skandinavistischen und fennistischen Literaturwissenschaft

3.2.1 Frauen- und genderorientierte Literaturgeschichten

Die feministische (und in jüngerer Zeit die Gender-)Perspektive haben dank ihrer Kanonerweiterung und ihrer Hinterfragung von bestehenden Normen eine Fülle von Studien hervorgebracht, die die Literaturgeschichte erweitern, modifizieren oder neu bewerten. Es sind Frauenliteraturgeschichten der Nationalliteraturen Dänemarks, Schwedens und Norwegens entstanden, die sich als Alternative zur herkömmlichen Literaturgeschichtsschreibung verstehen. Als Beispiele für eine Vielzahl von Monographien über einzelne Autorinnen, Epochen, Motive oder Gattungen werden zwei Titel genannt (Pil Dahlerup und Birgitta Holm), die schon Klassikerstatus besitzen.

Für Einführungen in die feministische Literaturwissenschaft bzw. die Gender Studies siehe Abschnitt 2.2.4 und die Datenbank Kvinnsam, die sich speziell der schwedischen, aber auch ausländischen Genderforschung seit 1970 widmet; Autorenlexika auch speziell zu weiblichen Autoren finden sich im Abschnitt 4.2. Einige jüngere Literaturgeschichten haben außerdem eigene Kapitel zur Frauenliteratur (so z.B. die entsprechenden Abschnitte in der History of Scandinavian Literatures: für Dänemark (S. 588–608), für Norwegen (S. 349–371), für Schweden (S. 472–494)).


Møller Jensen, Elisabeth (Hg.): Nordisk Kvindelitteraturhistorie

Bd. 1: Aurelius, Eva Hættner, u. Anne Mai (Hg.): I Guds Navn. 1000–1800; Bd. 2: Vetlesen, Inger Lise Hjort, u.a. (Hg.): Faderhuset. 1800–1900; Bd. 3: Fahlgren, Margaretha, u.a. (Hg.): Vide Verden. 1900–1960; Bd. 4: Langås, Unni, u.a. (Hg.): På jorden. 1960–1990; Bd. 5: Liv og værk. Kbh: Rosinante, 1993–1998.

Die ersten vier Bände des insgesamt fünfbändigen Werkes umfassen die gesamtnordische Frauenliteraturgeschichte ab dem Jahr 1000 bis in die 1990er Jahre. Der fünfte Band »Liv og værk« ist ein Verfasserlexikon der behandelten Autorinnen. Die nordische Frauenliteraturgeschichte ist ein groß angelegtes, von über 40 Mitarbeiterinnen aus fünf Ländern verfasstes Werk, aufwendig ausgestattet und reich bebildert, das in einer schwedischen und einer dänischen Version vorliegt. Es hat viele (zum Teil polemische, zum Teil differenzierte und berechtigte) Kritik an diesem Werk gegeben, so dass die Rezeption an sich ein Buch füllen könnte. Durch den Essaycharakter bedingt haben wir es hier mit Beiträgen von unterschiedlicher Qualität zu tun, auch gibt es nicht einen, stringent verfolgten Ansatz, noch wird ein bestimmter Begriff von Weiblichkeit zugrunde gelegt, sondern eine Vielfalt von Perspektiven. Es steht aber fest, dass wir es mit einem Standardwerk mit zum Teil hervorragenden Beiträgen (hervorzuheben sind die Beiträge von Marianne Alenius, Irene Iversen und Torill Steinfeld) zu tun haben. [AHe]

Aufsatz mit Übersicht zur Rezeption in: TFL 1998:3-4. S. 139-151.

Wurde nach Überarbeitung digitalisiert und auf dänisch, schwedisch und englisch im Netz veröffentlicht. Weitere Infos unter: http://nordicwomensliterature.net


Dalager, Stig, u. Annemarie Mai: Danske kvindelige forfattere

Bd. 1: Fra Sophie Brahe til Mathilde Fibiger; Bd. 2: Fra Adda Ravnkilde til Kirsten Thorup. Kbh: Gyldendal, 1982.

Die dänische Pionierarbeit zur Frauenliteraturgeschichte arbeitet mit dem Öffentlichkeitsbegriff von Habermas und mit dem von Elaine Showalter übernommenen Modell der Phasen »feminine, feminist, female«, das allerdings historisch wenig präzise angewandt wird. Auch die literarische Wertung ist diskutabel, da sie eigene ästhetische Kriterien vermissen lässt und stark inhaltszentriert argumentiert. Zweifelsfreies Verdienst ist jedoch der gelungene Überblick und die engagierte Präsentation, die durch viele Zitate untermauert wird. Trotz der aus heutiger Perspektive notwendigen Kritik ein sehr nützliches Werk. [AHe]


Larsen, Jytte (Hg.): Dansk kvindebiografisk leksikon

Bd. 1: Abel Catrine — Lise Hannestad. (2000); Bd. 2: Karen Hannover — Ann-Sofi Norin. (2001); Bd. 3: Charlotte Norri — Christina Åstrand. (2001); Bd. 4: Alle tider danske kvinder. (2000). Kbh: Rosinante, 2000-2001.

[Homepage s.u.:] »I tre alfabetisk ordnede tekstbind beskrives navngivende kvinders liv, med fødsels- og evt. dødsdato, erhverv, familiemæssig tilknytning og virkeområde. Det fjerde bind dokumenterer tematisk på kryds og tværs i tekst, billede og oversigter det samme stof og trækker hovedlinjer og detaljer frem i det store Danmarksbillede.« Auch im Internet recherchierbar unter: http://www.kvinfo.dk/side/170/
[ChB]


Dahlerup, Pil: Det moderne gennembruds kvinder

Kbh: Gyldendal, 1983.

Einhundert Jahre nach Georg Brandes »Det moderne Gennembruds Mænd« legt Pil Dahlerup mit ihrer ›disputats‹ eine Modifizierung seiner Epochendefinition vor, indem sie seinen Blick als geschlechtsspezifisch männlich entlarvt und nicht weniger als 70 zum Teil völlig vergessene weibliche Debuts in der Zeit zwischen 1870 und 1890 nachweisen kann. Die positivistische Leistung des Buches führt (implizit) zu einer Infragestellung des gängigen Modernitätsbegriffs, legt jedoch keine Alternative vor. Obwohl man das Buch methodologisch kritisieren kann, ist es ein absolutes ›Muss‹ für alle Skandinavistik-Studierenden, die sich mit Frauenforschung oder dem modernen Durchbruch beschäftigen. [AHe]


Engelstad, Irene, u.a.: Norsk Kvinnelitteraturhistorie

Bd. 1: 1600–1900; Bd. 2: 1900–1940; Bd. 3: 1940–1985. Oslo: Pax, 1988-90.

Norsk Kvinnelitteraturhistorie ist den anderen Pionierwerken in methodischer Hinsicht überlegen. Die Entscheidung zugunsten bestimmter Strategien lässt zwei Schwerpunkte der Darstellung hervortreten: einen gattungsgeschichtlichen und einen sozialhistorischen. In thematisch bestimmten Essays treten sowohl Autorinnenporträts wie Gattungsperspektiven hervor, die immer darauf abzielen, das Spannungsfeld zwischen »kunstnerens kjønn« und »den litterære institusjonen« (Forord) herauszuarbeiten. In seiner Gesamtanlage ein solide konzipierter und innovativer Beitrag zum Thema, allerdings erreichen nicht alle Beiträge dasselbe Niveau. [AHe]


Garton, Janet: Norwegian Women’s Writing 1850–1990

London: Athlone, 1993.

Als erster Band in der Serie ›Women in Context‹ (vgl. Forsås-Scott) gibt Gartons Buch auch Studierenden, die die skandinavischen Sprachen noch nicht fließend lesen, die Gelegenheit, sich über von Frauen verfasste Literatur zu informieren, die in den gängigen Übersichtswerken zu kurz kommt. Die Autorin berücksichtigt bei ihrer Schwerpunktsetzung auch die Situation der nicht-norwegischen Lesenden: sie gibt Hintergrundinformationen und berücksichtigt das Vorhandensein von (englischen) Übersetzungen bei ihrer Textauswahl. [AHe]


Forsås-Scott, Helena: Swedish Women’s Writing 1850–1995

London: Athlone, 1997.

Als zweiter Band in der Serie ›Women in Context‹ (vgl. Garton) gibt Forsås-Scotts Buch auch Studierenden, die die skandinavischen Sprachen noch nicht fließend lesen, die Gelegenheit, sich über von Frauen verfasste Literatur zu informieren, die in den gängigen Übersichtswerken zu kurz kommt. [AHe]


Ramnefalk, Marie Louise, u. Anna Westberg (Hg. Bd. 1); Holmquist, Ingrid, u. Ebba Witt-Brattström (Hg. Bd. 2): Kvinnornas Litteratur Historia

2 Bde. Lund: Författerförlaget, 1981–83.

Wie in den anderen Literaturgeschichten des Författerförlag werden in diesem Projekt weniger wissenschaftliche Ziele verfolgt als vielmehr eine engagierte und durchaus von der jeweiligen Artikelverfasserin subjektiv geprägte Präsentation. Schreibmotivation ist ein »behov av anmödrar« (Förord), ein Bedürfnis nach weiblichen Traditionen. In Essayform werden Autorinnen von der Hl. Brigitta bis Åse Nelvin vorgestellt, zu den Verfasserinnen gehören Kerstin Ekman, Märta Tikkanen und Kristina Lugn. [AHe]


Holm, Birgitta: Fredrika Bremer och den borgerlige romanens födelse

Sthlm: Norstedts, 1981 (= Romanens mödrar; 1).

— — —: Selma Lagerlöf och ursprungets roman

Sthlm: Norstedts, 1984 (= Romanens mödrar; 2).

Ausgehend von einem Konzept der Alterität des weiblichen Schreibens, das auf einer differenzierten methodischen Grundlage beruht (Kristeva u.a.), entwirft Holm in ihren beiden Studien über »romanens mödrar« eine grundsätzlich neue und stimulierende Lesart der beiden Klassikerinnen der schwedischen Literaturgeschichte. Man kann nicht nur Bremer oder Lagerlöf heute nicht mehr lesen, ohne Holms Thesen zu berücksichtigen, man kann auch über den Beitrag von Frauen zur Literaturgeschichte ohne ihre provokanten Denkansätze nicht diskutieren. [AHe]


Williams, Anna: Stjärnor utan stjärnbilder. Kvinnor och kanon i litteraturhistoriska översiktsverk under 1900-talet.

Sthlm: Gidlund, 1997 (= Skrifter utgivna av Avdelingen för litteratursociologi vid Litteraturvetenskapliga institutionen i Uppsala 35).

[Abstract, S. 4:] »The study deals with Swedish literary historiography from a gender perspective. The treatment of women writers of the 1880s, the 1930s, and the period 1965-1985 is analyzed, in literary handbooks from 1916 to 1996. The methodological approach is quantitative as well as qualitative. In order to illustrate the process of canon formation, the number of writers presented is examined, as well as the space given the women writers compared to that of the men. The texts of the handbooks are scrutinized, to discern points of view, mechanisms of segregation, and the establishing of norms and standards. The discussion on the positions given to female writers takes its point of departure in gender theory and theories on literary field and symbolic capital. It is obvious that the gendered, segregating norms which marginalize women predominate and are being maintained throughout the century, despite the increased space sometimes allotted to women writers.«


Mazzarella, Merete: Från Fredrika Runeberg till Märta Tikkanen. Frihet och beroende i finlandssvensk kvinnolitteratur

Helsinki: Söderströms, 1985.

Anhand von ausgewählten Romanen verfolgt Mazzarella die Dichotomie von Abhängigkeit und Freiheits- bzw. Identitätsstreben im Werk finnlandschwedischer Autorinnen. Die acht Kapitel ergeben gleichzeitig eine kurze Geschichte der finnlandschwedischen Frauenliteratur. [AHe]


Paqvalén, Rita, u. Tiia Strandén (Hg): Men det var hennes kläder. Nedslag i den samtida svenskspråkiga kvinnolitteraturen

Helsingfors: Söderströms, 2002.

Kleine Essaysammlung mit Beiträgen zur finnlandschwedischen und schwedischen Frauenliteratur. [Vorwort:] »Vad skriver kvinnor på svenska idag? [...] Vad är skuggeism? Är det personliga det enda som återstår av sjuttiotalets slogan ›det personliga är politisk‹? Finns det en litteratur bortom det mediasexiga samt vem blir synlig, vem osynlig inom den finalndsvenska kvinnolitteraturen?« Enthält Literaturverzeichnis der Primärliteratur. [ChB]


Grönstrand, Heidi: Naiskirjailija, romaani ja kirjallisuuden merkitys 1840-luvulla

Helsinki: SKS, 2005 (Suomalaisen Kirjallisuuden Seuran toimituksia; 1019).

Das Buch fokussiert auf die ersten in Finnland erschienenen Romane und stellt die Rolle der Frauen für die Entwicklung der literarischen Gattungen in den Mittelpunkt. Vor allem der Einfluss der Autorinnen Fredrika Wilhelmina Carstens, Charlotta Falkman, Maria Kraftman, Wendla Randelin und Fredrika Runeberg sowie ihrer Werke wird genauer behandelt. [HNi]


Lappalainen, Päivi, Heidi Grönstrand, u. Kati Launis: Lähikuvassa nainen. Näköaloja 1800-luvun kirjalliseen kulttuuriin

Helsinki: SKS, 2001.

Diese Aufsatzsammlung richtet ihr Hauptaugenmerk auf die Autorinnen sowie auf die Schreibbedingungen, literarische Gattungen, Thematik und Rezeption des 19. Jahrhunderts in Finnland. Behandelt werden neben Minna Canth und L. Onerva auch weniger bekannte Schriftstellerinnen wie Marie Linder und Hanna Ongelin. [HNi]


Tapola, Päivi: Äitini puutarhassa. Polkuja naiskirjallisuuteen

Stuttgart/Weimar: Metzler, 2006.

Diese Aufsatzsammlung stellt das Werk von 60 Autorinnen seit dem 10. Jahrhundert bis heute vor. Neben Autorinnen wie u. a. George Sand, Virginia Woolf, Selma Lagerlöf, Doris Lessing, Agatha Christie, Sylvia Plath, Emily Dickinson oder Karen Blixen werden Anja Snellman, Märta Tikkanen, Merete Mazzarella, Eeva Kilpi und Anita Konkka von den finnischen Autorinnen behandelt. Die Sammlung thematisiert die Frauenliteratur aus der Perspektive eines Lesers (bzw. einer Leserin). [HNi]


Niemi, Irmeli (Hg.): Pöydänkulma ja maailma. Naiskirjallisuus tutkimuskohteena. Teoriaa, käytäntöä, lähteitä

Turku: Turun yliopiston julkaisuja, 1988 (= sarja; 69).

Beiträge zur Theorie, Praxis und Quellen der Frauenliteratur als Forschungsobjekt. Berücksichtigt auch die nicht-kanonisierte Frauenliteratur. [EBu]


Nevala, Maria-Liisa (Hg.): »Sain roolin johon en mahdu«. Suomalaisen naiskirjallisuuden linjoja

Keuruu: Otava, 1989.

Eine Aufsatzsammlung, die die Entwicklungslinien der finnischen Frauenliteratur von der Volksdichtung bis zur Gegenwart thematisiert. Teilweise subjektive Schwerpunktsetzungen, sehr vielseitig und ausführlich. [EBu]


Guðrún P. Helgadóttir: Skáldkonur fyrri alda

2., unveränd. Aufl. (in einem Bd.) Akranes: Hörpuútgáfan, 1995 [1. Aufl. in zwei Bänden 1961–1963].

Die Bände gehen zurück auf eine Reihe von Rundfunkessays und Vorträgen. Der erste Teil widmet sich dichtenden Frauen (bzw. ihrer sozio-literarischen Rolle) in der mittelalterlichen Literatur; der zweite porträtiert sechs Autorinnen der Neuzeit bis ins 19. Jh. [AVo]


Kress, Helga: »Kvennarannsóknir í bókmenntum«

In: Skírnir 151 (1977), S. 18–56.

— — —: »Bókmenntir og kvenfrelsi. Um kvenlýsingar í fjórum skáldsögum kvennaárs«

In: Skírnir 150 (1976), S. 173–212.

Eine (damals) exemplarische Untersuchung des Frauenbildes in vier Romanen – ›Trivial-‹ und ›Hochliteratur‹ – von zwei Autorinnen und zwei Autoren des Jahres 1975. [AVo]



Nach oben