Studienbibliographie zur neueren
skandinavistischen und fennistischen Literaturwissenschaft

2.2.3 Beispielhafte Applikationen


Bogdal, Klaus-Michael (Hg.): Neue Literaturtheorien in der Praxis. Textanalysen von Kafkas »Vor dem Gesetz«

2. Aufl. Opladen: Westdeutscher, 2005 (= WV studium; 169). [1993]

Seinem einführenden Sammelband zu den neuen Literaturtheorien ließ Bogdal einen Fortsetzungsband folgen, um »die ›praktische Seite‹ der neuen Literaturtheorien zu demonstrieren«. Am Beispiel von Franz Kafkas Erzählung »Vor dem Gesetz« versuchen sich neun Autoren in verschiedenen Lektüren: Recht, Macht und Begehren stehen im Mittelpunkt einer Lacanschen Analyse, unter dem Stichwort ›Interdiskurs‹ wird die Erzeugung einer symbolischen Ordnung untersucht. Andere ›Suchbegriffe‹ lauten historische Diskursanalyse, Konstruktivismus, Hermeneutik (und ihre Grenzen) oder Dekonstruktion. Was der Band darüber hinaus zeigt: dass die Anwendung von Literaturtheorie nur mit einem gewissen ›Spielraum‹ funktioniert. Er schließt mit einer Untersuchung zu Literaturtheorie und Unterrichtspraxis. [TFS]


Wellbery, David (Hg.): Positionen der Literaturwissenschaft. Acht Modellanalysen am Beispiel von Kleists »Das Erdbeben in Chili«

5. Aufl. München: C.H. Beck, 2007. [1. Aufl. 1985, 2. überarb. Aufl. 1987]

Es kam dem Herausgeber Wellbery darauf an, dass jeder Beiträger »1.) den Gegenstand und das Ziel explizit machen, 2.) die wichtigsten Voraussetzungen der von ihm vertretenen Methode nennen und 3.) die in der Untersuchung verwendeten Grundbegriffe definieren« würde. Das gelang zwar nur zum Teil, dennoch empfiehlt sich die Lektüre des Bandes, dessen Inhaltsverzeichnis folgende ›Anwendungen‹ auflistet: Diskursanalyse, Hermeneutik, Kommunikationstheorie, Semiotik, Soziologie, sozialgeschichtliche Werkinterpretation, Mythologie/Anthropologie. Kleists Novelle findet sich vorweg abgedruckt. [TFS]


Jahraus, Oliver, u. Stefan Neuhaus (Hg.): Kafkas »Urteil« und die Literaturtheorie. Zehn Modellanalysen

Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2002 (= RUB; 9677).

Auch in diesem Band wird zunächst ein kurzer Beispieltext (hier: »Das Urteil« von Kafka) abgedruckt, gefolgt von zehn Beispielanalysen, die stärker als die Beiträge in Wellberys Band einführenden Charakter haben. Da fünfzehn Jahre seit Wellberys letzter inhaltlicher Überarbeitung vergangen waren, werden in diesem Band naturgemäß auch jene Theorien einbezogen, die sich seit Ende der 1980er Jahre in der Literaturwissenschaft etabliert haben. Die Theorien, deren Leistungsfähigkeit in bezug auf Kafkas Text demonstriert wird, sind: Hermeneutik, Strukturalismus, Rezeptionsästhetik, Sozialgeschichte, Psychoanalyse, Gender Studies, Diskursanalyse, Systemtheorie, Intertextualität und Dekonstruktion. [SMS]


Fibiger, Johannes, Gerd Lütken, u. Niels Mølgaard (Hg.): Litteraturens tilgange - metodiske angrebsvinkler

2. Ausg. 1. Aufl. Kbh: Gad, 2008.

In Einzelaufsätzen werden wichtige Methoden (bei denen es sich eher um Theorien handelt) kurz und gutverständlich präsentiert, dann auf einen Text exemplarisch appliziert, und schließlich wird jeweils die Frage nach dem spezifischen Leistungsvermögen der Methode gestellt. Bei den solchermaßen präsentierten Methoden handelt es sich um die Hermeneutik, die biographische Methode, den New Criticism, den Strukturalismus, die Ideologiekritik, die Psychoanalyse, die Semiotik, die Dekonstruktion, die feministische Literaturkritik und Gendertheorie, die Rezeptionsästhetik, den New Historicism und den Postkolonialismus. Zum Abschluss diskutiert Rasmus Blok unter der Überschrift »Fortælling og litteratur i en digital æra« die Herausforderungen und neuen Möglichkeiten von Literatur in Zeiten des Hypertextes und der Digitalisierung. Die in den Kapiteln als Beispiele herangezogenen Primärtexte von Kafka, Grundtvig, Sophus Claussen, Brorson, Jan Sonnergaard, Blixen, Bang und Pontoppidan sind sämtlich am Ende des Buches abgedruckt. Neben einem Sach- und Personenregister enthält dieser empfehlenswerte Band auch noch ein knapp fünfzigseitiges Lexikon mit Einträgen zu wichtigen Theoretikern und literaturwissenschaftlichen Fachbegriffen sowie eine Bibliographie zu den einzelnen Theorien, die vor allem wegen der Hinweise auf die Rezeption in Dänemark interessant ist. [SMS]


Engberg, Charlotte, u.a.: Skud – tekstanalysen i dag

5. Aufl., Kbh: Amanda, 1999.

Am Beispiel von J.P. Jacobsens »Et Skud i Taagen« werden verschiedene Theoriemodelle in ihren Konsequenzen für die literaturwissenschaftliche Praxis erprobt. Die fünf Anwendungsversuche zielen je auf eine hermeneutische (Erik A. Nielsen), sozialhistorische (Søren Schou), psycho-semiotische (Christian Grambye/Harly Sonne), post-feministische (Charlotte Engberg) und dekonstruktive Lektüre. Eine Diskussion der Beiträger dokumentiert darüber hinaus Probleme und diskutiert weitere mögliche Ansätze. Die Einführung berücksichtigt insbesondere den dänischen Kontext und die Forschung zu Jacobsens Novelle. [TFS]


Dahlerup, Pil (Hg.): »Splash! Six Views of the Little Mermaid«

In: Scandinavian Studies 63 (1991), S. 141–163.

Sechs Annäherungen an Andersens berühmtes Märchen, zum Teil äußerst knapp, in einigen Fällen überholt (strukturalistischer und psychoanalytischer Ansatz), in anderen durchaus interessant (folkloristischer Ansatz: im Grunde intermedial, vergleicht das Märchen mit der Disneyschen Trickfilm-Umsetzung; die ›synoptische‹ Lektüre: liest mit Lacan einen Subtext über Unsterblichkeit und Spiritualität). Insgesamt mehr ein Ausgangspunkt für eine tiefschürfende Analyse und ein Beispiel dafür, wie Theorie recht mechanistisch, aber ebensogut kreativ angewandt werden kann. Der Text ist auch als PDF-Dokument im Internet erhältlich: http://scandinavian.wisc.edu/schmidt/danish/hca/pdf_files/articles.pdf [TFS]


Werner, Otmar (Hg.): Arbeiten zur Skandinavistik. 8. Arbeitstagung der Skandinavisten des deutschen Sprachgebiets 27.9.–3.10. 1987 in Freiburg i.Br.

Ffm u.a.: Peter Lang, 1989 (= Texte und Untersuchungen zur Germanistik und Skandinavistik; 22).

Für verschiedene methodologische Interpretationen (positivistisch, biographisch-thematisch, semiotisch, strukturalistisch, wirkungsästhetisch) von H.C. Andersens »Skyggen« siehe die Beiträge des Arbeitskreises ›Literarische Interpretation‹, S. 491–547. [TFS]


Berseth Nilsen, Kaj, u.a.: Veier til teksten. Litteraturteori og analysepraksis

4. Aufl. Oslo: LNU/Cappelen, 2005 (= LNUs skriftserie; 81).

Am Beispiel von Cora Sandels Erzählung »Barnet som elsket veier« werden nach einer guten Einführung in die Entwicklung der Literaturtheorie vier literaturtheoretische Ansätze jeweils kurz theoretisch vorgestellt und durch Interpretationen exemplifiziert: der historisch-biographische, der strukturalistische, der dekonstruktivistische Ansatz sowie eine Archetypen-Analyse. Die Auswahl dieser vier Ansätze erscheint jedoch etwas unglücklich (die historisch-biographische Methode ist definitiv überholt) bzw. willkürlich (wichtige Ansätze wie Feminismus/Gender studies, Diskursanalyse, Marxismus usw. fehlen). Mit Glossar und Index. [TFS]




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