Stratigraphie und Baugeschichte des Reitia-Heiligtums (Sonja Ickler)
Seit April 2007 erfolgt – mit finanzieller Unterstützung der DFG – die Gesamtbearbeitung der Befunde des Reitia-Heiligtumes.
Im Rahmen dieser Untersuchung sollen die Gesamtstratigraphie und die Baugeschichte des Reitia-Heiligtums aufgearbeitet werden.
In die Arbeit einbezogen werden die Untersuchungsergebnisse zu den bereits publizierten Aschenaltären (Riemer 2005) und den verschiedenen Fundgattungen (vgl. Bearbeitung der Funde).
Die Nutzung des untersuchten Areals setzt in der späten Bronze- bis frühen Eisenzeit ein. Aus dieser Phase liegen keine eindeutigen Hinweise auf kultische Handlungen vor. Anhand des Keramikspektrums ist vielmehr zu vermuten, dass es sich bei den Funden um verschwemmte Siedlungsreste handelt.
Erst in den darauf folgenden Zeitabschnitten (ab Stufe Este II–III) wird die Fläche als Kultplatz genutzt. Die Aktivitäten äußern sich zunächst in Keramikniederlegungen, die als Reste von Opfermählern interpretiert werden können. Zahlreiche intentionell zerschlagene Schalen auf hohem Fuß, Bronzebleche und andere Funde wurden in mit Holzkohlen durchsetzten, leicht verschwemmten Schichten in den Flächen M18 bis O18 aufgefunden.
In der Stufe Este IV werden im nördlichen Bereich des Reitia-Heiligtums die oben schon beschriebenen Aschenaltäre angelegt. In frührömischer Zeit wird an der Stelle, an der sich vorher die Aschenaltäre befanden, ein Langbau errichtet. Er zeichnet sich durch zehn nebeneinander liegende, fast gleich große Räume aus, die sich zum Mittelpunkt des Heiligtums hin öffnen (Abb. 6).
Im Süden wird das Reitia-Heiligtum durch zwei in römischer Zeit verfüllte Gräben und eine dazwischen liegende Mauer – die bei den Altgrabungen beobachtet wurde – begrenzt. Ebenfalls aus den Altgrabungen ist bekannt, dass im Osten des Heiligtums ein Brunnen sowie zahlreiche kleine Altarsteine und eine Säulenbasis freigelegt wurden.
Bei den Ausgrabungen 1987–1991 wurde im Westen des Heiligtums in einem Suchschnitt eine Rollierung aus Kalksteinen dokumentiert, in der sich zwei parallel verlaufende Rillen mit einem Abstand von ca. 1,4 m abzeichneten. Bei ihnen handelt es sich vermutlich um Wagenspuren. Die Kalksteinrollierung zieht sich – anhand von Magnetikanomalien nachgewiesen – in einem Bogen bis an die Nordseite des erwähnten Langbaus, wo sie in den Flächen L16 und L17 wieder grabungstechnisch erfasst wurde. Auch in diesem Bereich lassen sich Wagenspuren an der Oberfläche der Rollierung erkennen.
Das Reitia-Heiligtum ist in paläovenetischer Zeit eines von 5 Heiligtümern im Umkreis von Este (Abb. 7), die in den letzten Jahren ebenfalls untersucht wurden (Ruta Serafini 2002). Viele der Fundgattungen, die aus dem Reitia-Heiligtum bekannt sind, sind auch von diesen Kultplätzen bekannt, jedoch erscheinen sie dort in bedeutend geringerer Anzahl. In den noch laufenden Untersuchungen wird zu zeigen sein, inwiefern sich das Reitia-Heiligtum in Funktion und Bedeutung von den benachbarten sowie den zahlreichen anderen oberitalischen Heiligtümern, zu denen z. B. San Pietro Montagnon, Vicenza und Altinum zählen, unterscheidet und wo Gemeinsamkeiten liegen.
Literatur:
- Bianchin Citton, E. (2002): Le origini di Este: la comunita' di villaggio a centro veneto. In: Ruta Serafini 2002, 89-104.
- Chieco Bianchi, A. M. (2002): Il Museo Nazionale Atestino: dalla nascita al 1985. In: A. M. Chieco Bianchi, A. Ruta Serafini (Hrsg.), 1902-2002 Il museo di Este: passato e futuro. Catalogo della mostra Este (Treviso 2002) 15-89.
- Riemer, H. (2005): Die Aschenaltäre aus dem Reitia-Heiligtum von Este im mitteleuropäischen und mediterranen Vergleich. Gli altari di ceneri del Santuario di Reitia a Este nel contesto centro-europeo e mediterraneo. Il Santuario di Reitia a Este 3. Studien zu vor- und frühgeschichtlichen Heiligtümern 4 (Mainz 2005).
- Ruta Serafini, A. (2002): (Hrsg.), Este preromana: una città ed i suoi santuari. Catalogo della mostra Este (Treviso 2002).
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