Studienbibliographie zur Altnordistik


2.2 Literaturtheorien und -methoden

Was die Anwendung literaturtheoretischer Methoden angeht, gehört die Altnordistik eher zu den Rezipienten als zu den Vorreitern der Theoriebildung. Für eine allgemeine bzw. auf die neuere skandinavische Literatur bezogene Bibliographie verweisen wir daher auf das entsprechende Kapitel der Studienbibliographie zur neueren skandinavistischen Literaturwissenschaft. Immerhin widmen sich mehrere Sammelbände den verschiedenen Interpretationszugängen zur altnordischen Literatur. Viele Theorien allerdings, so der derzeitige Eindruck, sind in der Altnordistik nicht oder noch nicht angekommen und angewandt worden. Nachfolgend finden sich einige weinige Beispiele für Anwendungen verschiedener Theorien auf altnordische Texte, die einen Eindruck vom vorhanden, aber noch wenig genutzten Potential literaturwissenschaftlicher Theorien in der Applikation auf altnrodische Texte vermitteln mögen.


Aalto, Sirpa : Categorizing Otherness in Heimskringla

In: McKinnell, John (Hgg.) et al. : The fantastic in old Norse/Icelandic literature. Sagas and the British Isles. Preprint papers of the Thirteenth International Saga Conference, Durham and York, 6th - 12th August, 2006, S. 81-98

ISBN: 978-0-9553335-0-7


Kiening, Christian : Anthropologische Zugänge zur mittelalterlichen Literatur. Konzepte, Ansätze, Perspektiven

In: Schiewer, Hans-Jochen (Hrsg.): Forschungsberichte zur germanistischen Mediävistik. Bern (u.a.): Lang, 1997-, S. 11-129 (= Jahrbuch für internationale Germanistik, Reihe C, Forschungsberichte zur internationalen Germanistik; 5)


Bandlien, Bjørn : Man or monster? Negotiations of masculinity in old Norse society

Oslo: Univ. of Oslo, Fac. of Humanities, 2005 (= Acta humaniora; 236, Unipubavhandlinger)


Jochens, Jenny : Old Norse images of women

Philadelphia, PA: Univ. of Pennsylvania Press, 1996

ISBN: 0-8122-3358-1

Die Untersuchung bezieht sich vor allem auf die Darstellung von Frauenfiguren in der altnordischen Literatur. Sie ist in göttliche und menschliche Frauenfiguren unterteilt, welche wiederum in Unterkategorien unterteilt sind (beispielsweise Göttinnen, Kriegerinnen, Seherinnen, Frauen, die die Männer zum Streit anstacheln, ...). Durch diese Einteilung wird sehr gut deutlich, welche Rollen die Frauen in der altnordischen Gesellschaft einnahmen – zumindest nach dem, was wir durch die Literatur wissen. [SN]


Sørensen, Preben Meulengracht : The unmanly man. Concepts of sexual defamation in early Northern society

Odense: Odense Univ. Press., 1983 (= The Viking collection: Studies in Northern Civilization; 1)

ISBN: 87-7492-436-2

Die Untersuchung befasst sich mit den isländischen sogenannten níð-Versen, welche gerne einem Kontrahenten zur sexuellen Erniedrigung an den Kopf geworfen wurden. Untersucht werden u.a. der rechtliche Bereich, die Wirkung der Erniedrigung, die Möglichkeit der Friedensschließung sowie die genauere Bedeutung der Verse auf persönlicher und gesellschaftlicher Ebene. Bei der Analyse werden exemplarische Beispiele aus einigen Sagas herangezogen, die jedoch nicht den Anspruch erheben, ein Gesamtbild für die Isländersagas dazustellen. [SN]


Kiening, Christian : Medialität in mediävistischer Perspektive

In: Poetica. Zeitschrift für Sprach- und Literaturwissenschaft 39 (2007), S. 285-352.


Kiening, Christian : Zwischen Körper und Schrift. Texte vor dem Zeitalter der Literatur

Frankfurt am Main: Fischer, 2003

ISBN: 3-596-15951-2

Befasst sich mit verschiedenen theoretischen Ansätzen für die Analyse mittelalterlicher Texte, wobei es sich hierbei vor allem um germanistische Texte handelt. Daher für die Altnordistik nur analog anwendbar. Für Anfänger wenig geeignet, da einiges an Vorwissen vorausgesetzt wird und es trotz des umfangreichen Vorwortes keine Einleitung gibt, die den noch unerfahrenen Leser „an die Hand nimmt“. [SN]


Vésteinn Ólason : Dialogues with the Viking Age. Narration and representation in the Sagas of the Icelanders

Reykjavík: Mál og menning, 1998

ISBN: 9979-3-1650-0

Ausgehend von der Sichtweise, dass die Isländersagas Dialoge zwischen Autor und Publikum sowie zwischen dem heutigen Leser und dem Mittelalter/der Wikingerzeit sind, wird in diesem Werk das gesamte Genre im Hinblick auf verschiedene Aspekte betrachtet. Die Hauptkategorien der Untersuchung sind Erzählungsweisen und –strukturen, die Welt der Sagas sowie die Sagas in der Welt (literaturgeschichtlich betrachtet). Dabei werden Besipiele aus einzelnen Sagas des Genres herangezogen und es entsteht ein gutes Gesamtbild. Auch wenn Vorkenntnisse nicht zwingend nötig sind, ist es doch hilfreich, zumindest ein paar der untersuchten Sagas bereits gelesen zu haben. [SN]


Glauser, Jürg : Narratologie und Sagaliteratur. Stand und Perspektiven der Forschung

In: Zernack, Julia, et al. (Hgg.): Auf-Brüche. Uppbrotten och uppbrytningar i skandinavisk metoddiskussion. Leverkusen: Literaturverlag Norden Reinhardt, 1989, S. 181-234 (= Artes et litteræ septentrionales; 4, Norrøna Sonderband 2)

ISBN: 3-927153-20-6

Befasst sich mit der strukturalistischen Erzähltheorie und überträgt diese nach einer kurzen Einleitung unter Berücksichtigung anderer strukturalistischer Sagauntersuchungen auf die altnordische Literatur. Glauser erklärt, warum dieser eigentlich veraltete Ansatz noch immer hilfreich für Altnordisten ist und demonstriert dies an konkreten Beispielen. [SN]


Würth, Stefanie : New Historicism und altnordische Literaturwissenschaft

In: Glauser, Jürg, und Heitmann, Annegret (Hgg.): Verhandlungen mit dem New Historicism. Das Text-Kontext-Problem in der Literaturwissenschaft. Würzburg: Königshausen & Neumann, 1999, S. 193-208

ISBN: 3-8260-1436-7



Sørensen, Preben Meulengracht : Fortælling og ære. Studier i islændingesagaerne

Århus: Aarhus Universitetsforlag, 1993

ISBN: 87-7288-110-0

In dieser Arbeit werden die Erzählform der Isländersagas, aber auch die kulturellen Hintergründe für ihre Entstehung analysiert. Preben Meulengracht Sørensen bringt das Genre mit anderen Gattungen des 13./14. Jhds. in Verbindung und bezieht diese immer wieder in die Analyse mit ein. Es wird untersucht wie Ehre (als wichtiger Bestandteil des Wertesystems in den Isländersagas) mit Hilfe der verschiedenen Erzählformen ausgedrückt wird. Ebenfalls mit einbezogen sind theoretische und methodologische Überlegungen zu den Sagas. [SN]


Byock, Jesse L. : Feud in the Icelandic Saga

Berkeley, London: University of California Press, 1982

ISBN: 0-520-04564-5

Untersucht die Darstellung der Fehde und Blutrache in den Isländersagas, ausgehend von der Beobachtung, dass es in jeder Saga die Elemente Konflikt, Verhandlung und (kurzfristige oder längerfristige) Lösung gibt, zu denen weitere Elemente hinzutreten können. Dies macht Byock an Beispielen aus verschiedenen Sagas fest. Schließlich überträgt er die durch die Sagaanalyse gewonnenen Erkenntnisse auf die isländische mittelalterliche Gesellschaft. [SN]


Andersson, Theodore Murdock : The Icelandic family saga. An analytic reading

Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Pr., 1967 (= Harvard studies in comparative literature; 28)

ISBN: 978-0674441002

Besteht aus einem vorangestellten theoretischen Teil und einer Analyse verschiedener Sagas, die auf den Theorieteil zurückgreift. Untersucht werden Aspekte auf der strukturellen und der rhetorischen Ebene und schließlich werden heroische Elemente ausfindig gemacht. Die kurzen Einzelanalysen sind sehr strukturell gehalten. Zwar sind einige der Methoden sicherlich schon veraltet, dennoch gibt Andersson hier eine Möglichkeit, die Sagas einmal anders zu lesen/zu deuten. Für Studenten dürfte es hilfreich sein, dass die Theorie anhand von Beispielsagas in die Praxis umgesetzt und somit leichter verständlich gemacht wurde. [SN]


Glauser, Jürg : Textüberlieferung und Textbegriff im spätmittelalterlichen Norden: Das Beispiel der Riddarasögur

In: Arkiv för Nordisk Filologi 113 (1998), S. 7-27

ISSN: 0066-7668

Setzt sich mit dem Forschungsstand und der Forschungstradition auseinander. [SN]


Kasten, Ingrid (Hgg.) et al. : Trends in Medieval Philology

Berlin; New York: De Gruyter, 2003-

ISSN: 1612-443X

Diese Reihe ist zwar germanistisch ausgerichtet, sodass sich viele Beiträge speziell auf Werke des deutschen Mittelalters beziehen. Doch beinhaltet sie auch  hilfreiche Beiträge zu allgemeineren Themen und Theorien, die auf die skandinavische Literatur anwendbar sind. [SN]


Kramarz-Bein, Susanne (Hrsg.) : Neue Ansätze in der Mittelalterphilologie. Akten der Skandinavistischen Arbeitstagung in Münster vom 24. bis 26. Oktober 2002

Frankfurt am Main: Lang, 2005 (= Texte und Untersuchungen zur Germanistik und Skandinavistik; 55)

ISBN: 3-631-52367-X

Enthält Beiträge zu kulturwissenschaftlichen Zugängen, Edda, Sagas sowie Skaldik. [SN]


Sørensen, Preben Meulengracht : Some Methodological Considerations in Connection with the Study of the Sagas

In: Gísli Pálsson (Hrsg.): From sagas to society. Comparative approaches to early Iceland. Enfield Lock: Hisarlik Press, 1992, S. 27-41

ISBN: 1-87431-202-8

In diesem Aufsatz werden verschiedene methodologische Ansätze von Forschern vorgestellt, die sich in der Vergangenheit (seit Beginn des 20. Jhds.) oder Gegenwart mit den Sagas befasst haben. Gut geeignet, um einen ersten Eindruck von den verschiedenen Richtungen zu erlangen, auch wenn nur die wichtigsten genannt werden. Um auch aktuellere Ansätze kennenzulernen, sollte man jedoch zusätzlich auf aktuellere Werke zugreifen. [SN]




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