(c) 99 Fachschaft
Judaistik
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Willkommen bei der Fachschaft Judaistik
"Muzis" Klagelieder - Notstandsverwaltung
in der Münchener Judaistik
Von Marcus Pyka
Es geht mit noch weniger! So eingeschränkt die Möglichkeiten am Kölner Martin Buber-Institut für Judaistik gelegentlich scheinen mögen,
für ein Fach dieser Größenordnung sind die Mittel am Rhein noch immer beachtlich. Dies wird durch einen Blick auf die Situation
andernorts bestätigt, wobei München als Standort für Judaistik zweifellos ein besonders trauriger Fall ist. Dort nämlich wird
unser Fach lediglich an einem einzelnen Lehrstuhl betrieben, der dem Institut für Semitistik zugeordnet ist.
Die Bibliothek dieses Lehrstuhles ist einfach nur beklagenswert zu nennen; wenn nicht in der Nachbarschaft die vorzüglich
ausgestattete Bayerische Staatsbibliothek läge, wäre es wohl kaum möglich, an der Isar eine fundierte Hausarbeit oder ähnliches zu
schreiben. Wie schwierig sich die Lage dementsprechend für einen ordentlichen Lehrbetrieb gestaltet, verdeutlicht der Umstand, daß
Prof. Dr. Dr. Hans-Georg von Mutius, ein Schüler Johann Maiers und heute der Lehrstuhlinhaber in der bayerischen Hauptstadt,
interessierteren Studenten und vor allem jedem Hauptfächler einen Studienortswechsel nahelegt. Ungeachtet dessen muß man von Mutius
jedoch zugute halten, daß er sich bemüht, einen akzeptablen Studienbetrieb ohne allzu starke thematische Verfestigung
aufrechtzuerhalten. Denn auch wenn der Responsenfachmann gleichsam als Alleinunterhalter für sämtliche Veranstaltungen des Faches
zuständig ist (lediglich die Hebraicumskurse finden bei den Theologen statt), so hat lediglich eines der beiden angebotenen (Pflicht-)Proseminare
die Halacha zum Thema, das zweite widmet sich stets der Haggada. Des weiteren wird zur Zeit ein Fortsetzungskurs Palästinensisch-Jüdisch-Aramäisch
angeboten, der sich mit den wichtigsten Targumîm beschäftigt.
Die Studentenzahlen sind selbst für judaistische Verhältnisse klein. So gab es etwa im vergangenen Sommersemester mangels Bedarf
nicht einmal ein Hauptseminar. Und die stattdessen angebotene Übung zur mittelalterlichen jüdischen Theologie war in ihrer Anlage
sicher nicht ideal: reine Textlektüre, dabei kaum weiterführende Vermittlung von Hintergrund, Umfeld und Einordnung des Gelesenen.
Freilich erfuhr man manches im Zuge der ausführlichen Besprechung der einzelnen Verse, zumal "Muzi" sich viel Zeit für das
philologische Detail und alternative Übersetzungsmöglichkeiten nahm. Anregend und erfrischend war auch seine große Bereitschaft zur
kontroversen Diskussion, weshalb die Sitzungen wohl für alle (drei!) Beteiligten gewinnreich waren, gleichgültig ob man sich mit dem
Šema' Jisra'el oder aškenazischen Selichot beschäftigte.
Auf längere Sicht jedoch können Zustände wie in München sicherlich nicht befriedigen. Zwar läßt die in diesem Semester begonnene
Arbeit eines Studienganges Religionswissenschaft sowie die in Angriff genommene Umstrukturierung der kulturwissenschaftlichen
Institute an der Isar ein wenig Hoffnung aufkommen - der Lehrstuhl soll mit der Orientalistik zu einem Institut für
Nahostwissenschaften zusammengeschlossen werden; doch erscheint es zweifelhaft, ob in diesem Zusammenhang auch die Judaistik an sich
ausgebaut werden kann, allen Klagegesängen von Mutius' zum Trotz.
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