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"Muzis" Klagelieder - Notstandsverwaltung
in der Münchener Judaistik

Von Marcus Pyka


Es geht mit noch weniger! So eingeschränkt die Möglichkeiten am Kölner Martin Buber-Institut für Judaistik gelegentlich scheinen mögen, für ein Fach dieser Größenordnung sind die Mittel am Rhein noch immer beachtlich. Dies wird durch einen Blick auf die Situation andernorts bestätigt, wobei München als Standort für Judaistik zweifellos ein besonders trauriger Fall ist. Dort nämlich wird unser Fach lediglich an einem einzelnen Lehrstuhl betrieben, der dem Institut für Semitistik zugeordnet ist.
  
Die Bibliothek dieses Lehrstuhles ist einfach nur beklagenswert zu nennen; wenn nicht in der Nachbarschaft die vorzüglich ausgestattete Bayerische Staatsbibliothek läge, wäre es wohl kaum möglich, an der Isar eine fundierte Hausarbeit oder ähnliches zu schreiben. Wie schwierig sich die Lage dementsprechend für einen ordentlichen Lehrbetrieb gestaltet, verdeutlicht der Umstand, daß Prof. Dr. Dr. Hans-Georg von Mutius, ein Schüler Johann Maiers und heute der Lehrstuhlinhaber in der bayerischen Hauptstadt, interessierteren Studenten und vor allem jedem Hauptfächler einen Studienortswechsel nahelegt. Ungeachtet dessen muß man von Mutius jedoch zugute halten, daß er sich bemüht, einen akzeptablen Studienbetrieb ohne allzu starke thematische Verfestigung aufrechtzuerhalten. Denn auch wenn der Responsenfachmann gleichsam als Alleinunterhalter für sämtliche Veranstaltungen des Faches zuständig ist (lediglich die Hebraicumskurse finden bei den Theologen statt), so hat lediglich eines der beiden angebotenen (Pflicht-)Proseminare die Halacha zum Thema, das zweite widmet sich stets der Haggada. Des weiteren wird zur Zeit ein Fortsetzungskurs Palästinensisch-Jüdisch-Aramäisch angeboten, der sich mit den wichtigsten Targumîm beschäftigt.
   
Die Studentenzahlen sind selbst für judaistische Verhältnisse klein. So gab es etwa im vergangenen Sommersemester mangels Bedarf nicht einmal ein Hauptseminar. Und die stattdessen angebotene Übung zur mittelalterlichen jüdischen Theologie war in ihrer Anlage sicher nicht ideal: reine Textlektüre, dabei kaum weiterführende Vermittlung von Hintergrund, Umfeld und Einordnung des Gelesenen. Freilich erfuhr man manches im Zuge der ausführlichen Besprechung der einzelnen Verse, zumal "Muzi" sich viel Zeit für das philologische Detail und alternative Übersetzungsmöglichkeiten nahm. Anregend und erfrischend war auch seine große Bereitschaft zur kontroversen Diskussion, weshalb die Sitzungen wohl für alle (drei!) Beteiligten gewinnreich waren, gleichgültig ob man sich mit dem Šema' Jisra'el oder aškenazischen Selichot beschäftigte.
   
Auf längere Sicht jedoch können Zustände wie in München sicherlich nicht befriedigen. Zwar läßt die in diesem Semester begonnene Arbeit eines Studienganges Religionswissenschaft sowie die in Angriff genommene Umstrukturierung der kulturwissenschaftlichen Institute an der Isar ein wenig Hoffnung aufkommen - der Lehrstuhl soll mit der Orientalistik zu einem Institut für Nahostwissenschaften zusammengeschlossen werden; doch erscheint es zweifelhaft, ob in diesem Zusammenhang auch die Judaistik an sich ausgebaut werden kann, allen Klagegesängen von Mutius' zum Trotz.