Die Erde besteht in ihrem Inneren aus verschiedenen Schichten, die sich in ihrer chemischen Zusammensetzung und Dichte unterscheiden. Wissenschaftler der Universität zu Köln und der University of Chicago haben Röntgenexperimente und ab initio Computer-Simulationen durchgeführt und in einer ersten Pilotuntersuchung Indizien dafür erhalten, dass sich die atomare Struktur der Silikat-Schmelzen im unteren Erdmantel durch den dort wirkenden hohen Druck komplexer verändert als bei den kristallinen Silikaten, die sich im gesamten Erdmantel befinden.
Dies hat einen Einfluss darauf, wie sich die Elemente während der Erdentstehung verteilt haben und damit auch auf die dem Menschen an der Erdoberfläche zur Verfügung stehenden Rohstoffe.
Die Ergebnisse ihrer Studie wurden kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ veröffentlicht.
Im Inneren der Erde wirken sehr große Drücke, die dazu führen, dass sich chemische Elemente im tiefen Erdinneren anders verhalten als an der Erdoberfläche. „Wir haben die Druck- und Temperaturbedingungen, die in der tiefen Erde herrschen, im Labor simuliert, indem wir Silikat-Glas (SiO2 Glas) einem sehr hohen Druck ausgesetzt haben. Dabei gehen wir in unserer Studie davon aus, dass sich die atomare Struktur von Silikat-Glas bei sehr hohen Drücken ähnlich verhält wie die Struktur der Silikat-Schmelzen im Erdmantel“, erklärt Dr. Clemens Prescher. Der untere Erdmantel reicht bis in eine Tiefe von 2.900 Kilometern, wobei der Druck dort 135 Gigapascal beträgt. Dies ist ein enormer Druck, welcher dem 1,72 millionenfachen des Atmosphärendrucks entspricht, oder ungefähr so als würde man den Eiffelturm auf seine eigene Fingerspitze stellen. Die Forscher haben bei ihren experimentellen Messungen mittels Röntgenbeugung die Veränderungen in der atomaren Struktur von Silikat-Glas bis zu einem Druck von 172 Gigapascal beobachtet.
Bei Silikaten ist unter dem auf der Erdoberfläche wirkenden Druck jeweils ein Silizium-Atom mit vier Sauerstoffatomen verbunden. Die Messungen zeigen, dass die Anzahl der das Silizium-Atom umgebenden Sauerstoffatome, die sogenannte Koordinationszahl, mit dem Druck relativ schnell auf sechs ansteigt. Insoweit bestätigen die Messungen den bisherigen Stand der Forschung.
Die Experimente mit den Silikat-Gläsern zeigen aber darüber hinaus ein neues, unerwartetes Ergebnis: Eine weitere Erhöhung des Drucks führt dazu, dass die Anzahl der das Silizium umgebenden Sauerstoffatome ab einem Druck von 50 Gigapascal sogar größer als sechs wird. „Entgegen der Annahme, dass das Silizium in Silikat-Gläsern und Schmelzen maximal von sechs Sauerstoffatomen unter den Bedingungen des unteren Erdmantels umgeben ist, wissen wir jetzt, dass die Anzahl der umgebenden Sauerstoffatome mit dem Druck größer als sechs wird und somit die Silizium-Sauerstoff-Koordination in den Silikat-Schmelzen höher ist als die von kristallinen Silikaten“, sagt Prescher.
Die Erhöhung der Anzahl der das Silizium umgebenden Sauerstoffatome hat zwar keinen direkten Effekt auf die Struktur des Erdmantels. Aber bei unterschiedlichen Koordinationszahlen von Schmelze und kristallinen Materialien kommt es zum einen zu einer Änderung der Affinität von Eisen oder anderen Elementen hin zu entweder der Schmelze oder des Festkörpers. Zum anderen könnte dies dazu führen, dass die Dichte der Schmelze höher ist als erwartet, wenn von gleichen strukturellen Baueinheiten ausgegangen würde. Die Kombination dieser beiden Effekte hat einen Einfluss auf das Dichte-Verhältnis von Schmelze und Festkörper bei den Bedingungen des Erdmantels.
Bei der Entstehung der Erde hat sich dies wahrscheinlich dergestalt ausgewirkt, dass beim Abkühlen des komplett geschmolzenen Erdballs in der frühen Erde die Schmelzen in großer Tiefe dichter waren (strukturell und durch Anreicherung von Eisen) als das des sich kristallisierenden Festkörpers. „Dies würde dazu führen, dass die Schmelzen nach unten sinken und die Kristalle nach oben schwimmen, welches eine signifikante Separation des chemischen Reservoirs der Erde bedeuten würde. Dies hätte somit auch Einfluss auf das dem Menschen verfügbare Rohstoffreservoir an der Erdoberfläche. Unsere Arbeit liefert erste experimentelle Daten um den strukturellen Unterschied zwischen Schmelzen und kristallinen Materialien bei Druck- und Temperaturbedingungen des unteren Erdmantels besser zu verstehen“, so Prescher.
Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Clemens Prescher
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m.martinverw.uni-koeln.de
Publikation:
Prescher, C., Prakapenka, V.B., Stefanski, J., Jahn, S., Skinner, L.B., Wang, Y., 2017. Beyond sixfold coordinated Si in SiO2 glass at ultrahigh pressures. Proc. Natl. Acad. Sci. 114 (38), 10041–10046. (http://www.pnas.org/content/114/38/10041)