Forschende haben herausgefunden, dass Jäger und Sammler vor 8.500 Jahren, also rund tausend Jahre vor der Ankunft der ersten Bauern, mindestens 100 Kilometer offene Gewässer überquerten, um die Mittelmeerinsel Malta zu erreichen. In der neuen Studie belegen die Wissenschaftler*innen die älteste echte Langstreckenseefahrt im Mittelmeerraum vor der Erfindung von Booten mit Segeln. Dies ist eine erstaunliche Leistung für Jäger und Sammler, die wahrscheinlich einfache Einbäume benutzten – Boote, die aus einem einzelnen Stamm gefertigt werden. Bisher herrschte die Annahme vor, dass der Mensch vor dem Beginn der Landwirtschaft und dem damit einhergehenden technologischen Wandel nicht in der Lage war, diese abgelegenen Inseln und ähnliche abgeschiedene Gebiete zu erreichen oder zu bewohnen. Die Ergebnisse sind im Fachjournal Nature unter dem Titel „Hunter-gatherer sea voyages extended to remotest Mediterranean islands“ erschienen.
In der Höhle von Latnija in der nördlichen Mellieha-Region Maltas fanden die Forscher*innen die Spuren von Jäger*innen und Sammler*innen in Form von Steinwerkzeugen, Feuerstellen und gekochten Speiseresten, darunter Rotwild, von dem man lange glaubte, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits ausgestorben war. Darüber hinaus entdeckte das Team eindeutige Beweise, dass damals Meerestiere gegessen wurden. „Wir fanden Überreste von Robben, verschiedenen Fischen und Tausende von essbaren Meeresschnecken, Krabben und Seeigeln, die zweifellos alle gekocht wurden“, so Dr. James Blinkhorn von der Universität Liverpool und dem Max-Planck-Institut für Geoanthropologie (MPI-GEA)in Jena, einer der Autoren der Studie. Die Funde belegen die Anwesenheit der Jäger und Sammler weit vor den ersten Bauern.
„Unter Berücksichtigung der Strömungen auf der Meeresoberfläche und der vorherrschenden Winde sowie der Verwendung von Landmarken, Sternen und anderen Orientierungshilfen ist eine Überfahrt von etwa 100 km bei einer Geschwindigkeit von etwa 4 km pro Stunde wahrscheinlich“, erklärt Professor Dr. Nicholas Vella von der Universität Malta, der an der Studie mitgewirkt hat. „Selbst am längsten Tag des Jahres hätten diese Seeleute mehrere Stunden Dunkelheit auf dem offenen Meer verbracht."
Die Studie wurden von einem wissenschaftlichen Konsortium unter der Leitung von Professorin Dr. Eleanor Scerri vom MPI-GEA und der Universität von Malta durchgeführt. „Angesichts der anspruchsvollen Überfahrt und einer wohl sehr niedrigen Bevölkerungsdichte, auch auf dem umliegenden Festland, stellt sich die Frage, was die Menschen zu diesen langen Seereisen bewegte“ sagt Professor Dr. Andreas Maier vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.
Diese Entdeckungen werfen neue Fragen über das Aussterben endemischer Tiere auf Malta und anderen kleinen und abgelegenen Mittelmeerinseln sowie nach möglichen Verbindungen entfernter mesolithischer Gemeinschaften auf.
„Die Ergebnisse fügen der maltesischen Vorgeschichte tausend Jahre hinzu und zwingen zu einer Neubewertung der Seefahrerfähigkeiten der letzten europäischen Jäger und Sammler sowie ihrer Verbindungen untereinander und den Auswirkungen auf das Ökosystem“, so Professorin Scerri.
Die Forschung wurde von der maltesischen Behörde für das kulturelle Erbe unterstützt und vom Europäischen Forschungsrat und dem Research Excellence Award der Universität Malta finanziert.
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Zur Publikation:
https://www.nature.com/articles/s41586-025-08780-y