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Gesellschaftlicher Wandel für Nomaden problematischer als Klimawandel

Studie zu den Auswirkungen auf die Viehhaltung in Trockengebieten

Der gesellschaftliche Wandel könnte die Weideflächen in Trockengebieten weltweit stärker beeinflussen als der Klimawandel. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen der Universität Köln und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), die dazu ökologische und gesellschaftliche Einflussfaktoren im Computermodell simuliert haben. Bis zu einem gewissen Grad könnten die Auswirkungen des Klimawandels durch eine erhöhte Mobilität der Viehherden ausgeglichen werden, schreiben die Wissenschaftlerinnen im Fachblatt „Global Environmental Change". Der Bedarf nach höheren Einkommen und weniger verfügbares Weideland machten es jedoch den Nomaden zunehmend schwerer, ihre Herden umzutreiben und damit ihre Existenz zu sichern.

Die Trockengebiete der Erde machen etwa 40 Prozent der Landoberfläche weltweit aus. Viehhaltung ist dort die wichtigste Einnahmequelle, von der  über eine Milliarde Menschen leben. Da die Niederschläge in diesen Regionen gering sind und unregelmäßig auftreten, haben viele Nomadenvölker ihre Lebensweise daran angepasst und ziehen mit ihren Herden dorthin, wo die Vegetation gerade die beste Nahrung für das Vieh bietet. Dadurch schonen sie gleichzeitig einen Teil des Weidelandes, das sich so regenerieren kann - eine positive „Nebenwirkung" der Mobilität.

Veränderte Klimabedingungen wie stärkere Schwankungen im Niederschlag könnten dieses empfindliche System stören. So wird beispielsweise für verschiedene Regionen im Nordwesten Afrikas mit einem Rückgang der Niederschläge von 10 bis 20 Prozent gerechnet. Die Studie hatte deshalb das Ziel, jene Grenzen des Klimawandels aufzuzeigen, bis zu denen die Existenzgrundlagen für Haushalte mit Viehhaltung langfristig erhalten werden können, und hat dabei auch gesellschaftliche Veränderungen mit einbezogen. Dazu kombinierten die Wissenschaftlerinnen eine Risikobewertung mit einem ökologisch-ökonomischen Modell.

Bei der Auswertung zeigte sich, dass stärkere zeitliche Schwankungen bei den Niederschlägen die Viehhaltung weniger beeinträchtigen als ein Rückgang der durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge. Sozio-ökonomische Veränderungen wie ein erhöhter Bedarf an Einkommen
verschoben die Toleranzgrenzen für Niederschlagsschwankungen nach oben. „Bis zu einem gewissen Grad ermöglicht die Mobilität den Nomaden, ihre Weidewirtschaft auch in weniger produktiven Systemen aufrechtzuerhalten und so negative Effekte des Klimawandels auszugleichen", berichtet Dr. Romina Martin vom UFZ, die jetzt am Stockholm Resilience Centre forscht. Mit dem gestiegenen Bedarf an Einkommen und dem gesunkenem Zugang zu  Weideland wird es jedoch zunehmend schwerer, diese Mobilität aufrechtzuerhalten.

„Unsere Ergebnisse unterstreichen, dass mit der Weidewirtschaft von umherziehenden Nomaden sensible Ökosysteme nachhaltig genutzt werden können und dass die Ökosysteme unter dieser Nutzungsweise flexibel genug sind, sich an veränderte Niederschläge und damit an den Klimawandel anzupassen", betont Dr. Anja Linstädter von der Universität Köln. „Wir sollten daher das Nomadentum nicht einfach als überholte Tradition abtun", ergänzt Dr. Birgit Müller vom UFZ. In vielen trockenen Regionen könne dies die einzige langfristig nachhaltige Nutzung sein - im Gegensatz zu intensiver Landwirtschaft, die dort zwar höhere Erträge ermöglicht, aber dafür Boden und Wasserressourcen so sehr übernutzt, dass schon nach kurzer Zeit keine Landwirtschaft mehr möglich ist. Aus Sicht der Autorinnen wirft dies auch ein Schlaglicht auf die Debatte um aus westlicher Sicht scheinbar ungenutzte Flächen in vielen Regionen Afrikas. In Wirklichkeit stellen sie als kommunales Weideland eine wichtige Lebensgrundlage für die lokale Bevölkerung dar.


Publikation:

Martin, R., Müller, B., Linstädter, A., Frank, K. (2014): How much climate
change can pastoral livelihoods tolerate? Modelling rangeland use and evaluating risk. Global Environmental Change 24, 183-192.

Internet:

http://dx.doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2013.09.009


Ansprechpartnerin Universität zu Köln:

Dr. Anja Linstädter
Telefon: 0221 470 7905
http://www.botanik.uni-koeln.de/ag_linstaedter.html