zum Inhalt springen

Blutsauger unter der Lupe

Forscher entschlüsseln das Genom der Bettwanze 

Seit über 3000 Jahren ist die Bettwanze (Cimex lectularius) ein bekannter Parasit des Menschen. Nach einem starken Rückgang der Befallsdichten Mitte des letzten Jahrhunderts verzeichnet man seit etwa 20 Jahren weltweit eine dramatische Zunahme in menschlichen Behausungen (z.B. um 4500% in Australien). Handels- und Reiseverkehr sind die Ursachen, genauso wie eine bis zu 10.000fach höhere Resistenz mancher Wanzenpopulationen gegen handelsübliche Insektizide. 

Einer internationalen Gruppe von Biologen unter Beteiligung des Instituts für Zoologie der Universität zu Köln ist es nun gelungen, das Genom der Bettwanze zu entschlüsseln. Die Forscher fanden interessante genetische Spezialisierungen der Wanzen, welche die Resistenz gegen Insektizide, die Nahrungsaufnahme und die Fortpflanzung betreffen. Auch in den Abschnitten des Genoms, die Rezeptoren für Geruchs- und Geschmacksstoffe kodieren, fanden die Forscher Interessantes: Während eine hochleistungsfähige Sensorik das Auffinden des „Blutspenders“ im Dunkeln ermöglicht, sind viele weit verbreitete Rezeptortypen aus dem Genom verschwunden; Bettwanzen können z. B. keinen Zucker mehr schmecken. 

Für die Genom-Sequenzierung wurde ein gegen Insektizide empfindlicher Stamm (ursprünglicher Zustand) genommen. Die für die wachsende Zahl insektizid-resistenter Stämme verantwortlichen Gene wurden durch Vergleich der Genomdaten mit Transkriptomen insektizid-resistenter Stämme ermittelt.  

Hierbei scheint nicht nur eine veränderte Enzymausstattung die Insektizide unschädlich zu machen; offensichtlich wird auch die Kutikula, die äußere Hülle der Tiere, zunehmend weniger durchlässig für die ausgebrachten Gifte.

Cimex lectularius war ursprünglich ein Fledermausparasit. Da Fledermäuse oft ihre Schlafquartiere in Höhlen nehmen, fand der Übersprung auf den Menschen möglicherweise erst vor einigen tausend Jahren dort statt. Die heutigen Bettwanzen bilden immer noch eine Art, egal ob sie Menschen oder Fledermäuse befallen. Allerdings konnten die Forscher feststellen, dass eine genetische Differenzierung innerhalb der Art begonnen hat, die auch im Genom sichtbar ist. „Die Differenzierung der Bettwanzen, die sich auf Menschen spezialisieren liegt auch im Bereich der Chemosensorik“, erklärt Professor Dr. Reinhard Predel vom Institut für Zoologie. „Sie können den Menschen inzwischen vermutlich besser riechen als ihre an Fledermäusen parasitierenden Artgenossen.“

Anders als bei Flöhen oder Mücken sind Bettwanzen über alle ihre Entwicklungsstadien obligate Blutsauger, was hohe Anforderungen an Verdauung, Exkretion und generell Ernährungsphysiologie stellt. Hierbei wurden allerdings wenig spezifische Anpassungen im Genom gefunden. „Wir vermuten, dass besondere Fähigkeiten wie die hormonelle Regulation des Wasserhaushalts nach einer Blutmahlzeit durch veränderte Genexpression weit verbreiteter Hormone und Rezeptoren erzielt werden“, so Predel.

Schließlich kamen die Forscher auch der genetischen Ausrüstung der Wanzen auf die Spur, die es den Weibchen der Art erlaubt, die traumatische Insemination unbeschadet zu überstehen. Bei Cimex durchstößt das Männchen mit dem Penis direkt die Körperwand des Weibchens. Die dadurch bedingte Verletzungs- und Infektionsgefahr wird durch Einbau hochelastischer Proteine, sogenannter Resiline, in die Körperwand verringert. Im Genom fanden die Forscher eine starke Erhöhung der Anzahl entsprechenden Resilin-Gene und auch Anpassungen des Immunsystems.

Kontakt:

Professor Dr. Reinhard Predel
Tel.: Phone: 0221 470 5817
E-Mail:  reinhard.predelSpamProtectionuni-koeln.de