Nach einem verbreiteten Verständnis ist das große Auschwitzverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main (1963 bis 1965) der Leuchtturm inmitten einer ansonsten weitgehend untätigen Justizlandschaft. Der Direktor des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Universität zu Köln, Professor Dr. Cornelius Nestler, der sich sowohl als Nebenklägervertreter als auch wissenschaftlich seit Jahren mit der Verfolgung von NS-Verbrechen durch die deutsche Justiz befasst, wird in einem Vortrag eine neue, differenziertere Sichtweise vorstellen. Danach war das Frankfurter Auschwitzverfahren zwar ein großer politischer Erfolg; in juristischer Hinsicht hatte es aber katastrophale Wirkungen, die bis auf den heutigen Tag spürbar sind. Daran schloss sich ein halbes Jahrhundert mit einer bislang nur bruchstückhaft bekannten systematischen Einstellungspraxis der Frankfurter Staatsanwaltschaft an, deren Begründungen zum Teil schlicht erschreckend sind.
Erst in den letzten Jahren hat sich diese Verweigerungshaltung aufzulösen begonnen - wenn eine nicht zögerliche Staatsanwaltschaft auf ein williges Gericht trifft. Das im Sommer abgeschlossene Verfahren am Landgericht Lüneburg hat diese Chance genutzt. Aber gerade die Frankfurter Staatsanwaltschaft folgt immer noch der alten „Atomisierung“, der der ehemalige Staatsanwalt, Fritz Bauer, entgegengewirkt hat und maßgeblich dazu beigetragen hat, die Täter des Massenmordes zu verfolgen.
Wo:
Hörsaal C im Hörsaalgebäude der Universität
Albertus Magnus Platz,
50923 Köln
Wann:
Montag, 2. November 2015
19.00 Uhr
Kontakt:
Professor Dr. Cornelius Nestler
Tel.: +49 (0)221 470-3160
E-Mail: c.nestleruni-koeln.de