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Forschung in Schwerelosigkeit – Matthias Maurer testet Beton auf der Internationalen Raumstation ISS

Ergebnisse aus Experimenten im Weltall können wichtige Erkenntnisse dazu liefern, wie zukünftig optimierte Mischverhältnisse für Beton entwickelt und Ressourcen gespart werden können

Der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer hat Anfang Februar 2022 auf der Internationalen Raumstation ISS erforscht, wie sich frisch gegossener Beton in der Schwerelosigkeit verhält und wie dies zum Umweltschutz beitragen kann. Das Experiment „MASON / Concrete Hardening“ ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der Universität zu Köln und der Universität Duisburg-Essen.

Der weltweite CO2-Ausstoß beträgt rund 38 Gigatonnen (38.000.000.000 t). Davon entstehen allein drei Gigatonnen bei der Herstellung von Zement. Zement wiederum ist der wesentliche Bestandteil von Beton, dem derzeit wichtigsten Baumaterial. Gelingt es, die Verwendung von Beton durch moderne Verfahren zu optimieren, leistet dies einen Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz.

"Das Material Beton ist der Menschheit seit tausenden Jahren bekannt und hält doch immer noch Rätsel für uns bereit. Einen Teil dieser Fragen wollen wir mit Matthias Maurer auf der ISS klären“, sagt Prof. Matthias Sperl vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum.

Warum wird Beton auf der ISS erforscht?
Beton ist kein Werkstoff, den man mit der Raumfahrt in Verbindung bringt. Doch eröffnet die Raumfahrt an Bord der ISS durch die dauerhafte Schwerelosigkeit Einblicke in das Verhalten von Materialien, die in irdischen Laboren nur sehr begrenzt möglich sind.

Für die Festigkeit von Beton ist neben dem Mischverhältnis und Verstärkungen (Armierung) das Aushärten des Materials entscheidend. Der Prozess des Aushärtens entscheidet über die Anordnung der Bestandteile im Inneren des Betons sowie über die Verteilung von eingeschlossenen Luftblasen.
Die Aushärtung wird auf der Erde stark von der Gravitation beeinflusst. Für die Materialforschung ist es daher von großem Interesse zu untersuchen, wie sich diese Mischung aus versintertem Kalk und Ton plus Sand und Wasser ohne diesen Einfluss verhält. „Bei den Computertomografie-Aufnahmen sieht man etwa auf den ersten Blick, dass sich die Proben von der Erde von denen der ISS durch die andere Verteilung der Luftblasen und Poren unterscheiden“, so Dr. Karsten Tell vom Institut für Theoretische Physik der Universität zu Köln. Durch die neuen Erkenntnisse lassen sich chemische und physikalische Prozesse besser verstehen. Sie können für optimierte Mischverhältnisse verwendet werden, die schließlich wertvolle Ressourcen einsparen.

Der Erstarrungs- und Trocknungsprozess des Betons kann Wochen und Monate dauern. Aus diesem Grund ist die Forschung auf der Internationalen Raumstation so wichtig, denn nur hier herrschen dauerhaft die gleichen Bedingungen von Null Gravitation (G).

Die bei den Experimenten von Matthias Maurer gewonnenen Daten liefern auch die Basis und Referenzwerte für weitere Untersuchungen in irdischen Laboren. Hier wird für kürzere Zeit eine künstliche Schwerelosigkeit in sogenannten „Klinostaten“ erzeugt.

„Wenn es uns gelingt, die Schwerelosigkeit zu simulieren, könnte zukünftig zusätzlich eine Vielzahl von Versuchen schneller, einfacher und kostengünstiger durchgeführt werden“, erklärt Prof. Martina Schnellenbach-Held vom Institut für Massivbau (IfM) der Universität Duisburg Essen. Sie und ihr Team haben das Experiment möglich gemacht: Mit der Entwicklung eines speziellen Betonmischers, der die strengen Sicherheitsvorkehrungen für die ISS erfüllt. Dieser ist gerade einmal so groß wie eine Hand – der Beton wird manuell gemischt.

Wie baut man auf Mond und Mars?
„MASON“ (Materialforschung in Schwerelosigkeit an Beton) hat trotz der irdischen Anwendungen eine kosmische Komponente. Wenn die Menschheit ihre Pläne zum Aufbau einer permanenten Präsenz auf dem Mond oder dem Mars realisiert, müssen die Stationen aus solidem Material gebaut sein. Dies dient in erster Linie dem Schutz vor Kleinstmeteoriten und der kosmischen Strahlung.
Die für Bauprojekte auf der Erde angewandten Formeln zur Berechnung der Statik von Gebäuden gehen immer von der Erdanziehungskraft von 1 G aus. Auf dem Mond ist die Gravitation allerdings um ein Sechstel geringer und es ist nicht gesichert, dass eine simple Umrechnung zu einem stabilen Bauwerk führen würde. Daher sind die im Rahmen von „MASON“ gewonnen Daten im wahrsten Wortsinn ein wichtiger Baustein.
Auf Mond und Mars stehen wesentliche Bestandteile von Beton nicht zur Verfügung, daher untersucht Astronaut Maurer auch Proben, die aus künstlich hergestelltem Mondstaub bestehen.

Beteiligungen
Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR fördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die wissenschaftliche Arbeit an der Universität zu Köln und der Universität Duisburg Essen.

 

Inhaltlicher Kontakt:
Dr. Karsten Tell
Institut für Theoretische Physik
Universität zu Köln
+49 220 3601 1006
karsten.tellSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Jan Voelkel
+49 221 470 2356
j.voelkelSpamProtectionverw.uni-koeln.de

Weitere Informationen / Videolink:
https://youtu.be/J2kL--y6ftk