Nach der Bearbeitung der Aufgaben am Computer stellt das System für die Lehrkräfte einen digitalen Bericht zusammen, in dem die Aufgabenbearbeitungen und die daraus ermittelten mathematischen Basiskompetenzen sowie die Förderung und deren Erfolg aller einzelnen Schüler*innen übersichtlich und detailliert dargestellt sind. Dieser Bericht ist für die Lehrkräfte eine wichtige Hilfe und zugleich eine Entlastung, da sie keine Berichte manuell erstellen müssen.
»In einem einzigen System die Blickbewegungen mittels Webcam zu verfolgen, aus den Blickmustern mithilfe von KI Vorgehensweisen zu erkennen, individuelle Förderung anzubieten und zudem noch Förderberichte für Lehrkräfte automatisiert zu erstellen, ist völlig neu«, sagt Schindler. »Ein solches digitales System für die Förderung mathematischer Basiskompetenzen gab es bisher weltweit noch nicht.«
Ein Ziel im Projekt war es, eine möglichst kostengünstige Lösung für die Schulen zu finden, was durch die Verwendung einer handelsüblichen Webcam möglich wurde. Das Eyetracking mittels einer kleinen Webcam wird in KI-ALF durch die Verwendung von Künstlicher Intelligenz realisiert. Hier lag für Achim Lilienthal, der als Kooperationspartner sein Knowhow in das Projekt einbrachte, eine besondere Herausforderung: »Es gibt Eyetracker, die sehr genau arbeiten, dabei aber viele Tausend Euro kosten. Webcams erreichen diese Genauigkeit nicht«, erläutert der Robotik-Spezialist aus München. »Um die höhere Abweichung der Webcams auszugleichen, justieren wir das Eyetracking automatisch nach.« Dafür nutzen die Forschenden die Künstliche Intelligenz, die dafür sorgt, dass das System lernt, mit der Ungenauigkeit umzugehen.
Ein Drittel hat Förderbedarf
Die KI interpretiert zudem die aufgezeichneten Blickbewegungen bei der Aufgabenbearbeitung. »Je nach Aufgabe ergeben sich bestimmte Blickmuster, die digital gespeichert werden. Die Künstliche Intelligenz klassifiziert diese Muster«, sagt Lilienthal. Für das aktuelle System haben die Entwickler*innen die Software bereits mit hunderten von Eyetracking- Daten gefüttert, die sie im Einsatz der Software gewonnen haben.
An der Gesamtschule Wulfen hatte ein standardisierter Mathematikleistungstest bei 180 Schüler*innen zu Beginn der Klasse 5 ergeben, dass etwa ein Drittel von ihnen ›Rechenschwierigkeiten‹ hat. »Wir freuen uns, dass wir mithilfe des KI-basierten Lernsystems jetzt deutlich mehr Kinder als vorher in ihren mathematischen Basiskompetenzen fördern können«, sagt Schulleiter Hermann Twittenhoff. »Dadurch können wir mehr Lernenden bei der Verbesserung der Mathematikleistungen helfen, als wir es mangels Lehrkräften bisher konnten.«
Während das KI-ALF System bereits an der Gesamtschule Wulfen im Einsatz ist, wird das Forschungsteam weiter daran arbeiten. »Wir haben nun ein System, das im Einsatz in der Schulpraxis funktioniert und selbstständig von Lehrkräften bedient werden kann. Nun möchten wir es weiterentwickeln. Dabei gehen technische und inhaltliche Entwicklungen Hand in Hand«, so Schindler. »Die immer neuen Möglichkeiten von KI und technischen Aspekten ermöglichen es beispielsweise, das System noch genauer und stabiler zu machen – was für einen großflächigen Einsatz von KI-ALF von großem Vorteil ist«, ergänzt Lilienthal.