Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

5. Beispiele

Zu frontalen Unterrichtsphasen gibt es sehr viele Beispiele. Hier sollen nur einige exemplarische Überlegungen mehr oder minder zufällig aus dem Datenbestand des Internets herausgegriffen werden.

  1. Wir beginnen mit der für die konstruktivistische Didaktik wichtigen lerntheoretischen Eingrenzung der frontalen Methode. Sie sollte immer von einer Problemsituation ausgehen
  2. Dann stellen wir die Frage, wie wir überhaupt wissen, dass wir etwas wissen. Hier mögen wir Anregungen dafür finden, warum es lohnt, sich mit Pragmatismus und Konstruktivismus zu beschäftigen, wenn man – ganz gleich in welchen Fächern – seine Darbietung/Präsentation in der frontalen Phase auf ein Problem hin zuspitzen will).
  3. Schließlich zeigen wir einige Beispiele aus Gudjons Modell eines „integrativen Frontal­unterrichts“ und geben abschließend eine kritische Einschätzung dieses Ansatzes.

 

5.1 Problematische Situationen als Ausgangspunkt

Zum lerntheoretischen Konzept vgl. Deweys fünf Stufen des Lernens.

http://www.nald.ca/fulltext/George/Rest/rest.pdf
George Demetrion gibt hier ein Beispiel dafür, wie er den Begriff Restaurant unterrichtete. Zugleich führt er dabei in John Deweys Ausgangspunkt der problematischen Situation ein. Das Beispiel zeigt, dass auch sehr einfach erscheinende Inhalte bereits problematische Situationen evozieren können. Es ist das Geschick der Lehrkraft, dieses mit den Lernern gemeinsam herauszufinden, auch wenn dies in einer frontalen Phase geschieht.

http://www.mwsc.edu/masterplan/documents/Fieldlecture.nov16.pdf
Richard W. Field führt uns etwas tiefer in Deweys Untersuchungsmethode (inquiry) ein. Hier wird der Kontext deutlich, in dem eine lerntheoretische Stufung gerade der frontalen Einstiegsphase notwendig ist.

http://aped.snu.ac.kr/prof/aper/aper%20data/3-1/02-2.pdf
Veronica E. Ramirez fragt, wie man das „richtige Problem“ finden kann. Dies ist eine unendliche Dauerfrage an alle Lehrenden und ihr Beispiel mag exemplarisch für viele andere stehen.

Unsere eigenen Seiten im Netz zu Konstruktivismus und Pragmatismus weisen viele Texte und Beispiele dafür aus, inwieweit gerade in diesen Ansätzen Probleme immer wieder Ausgangspunkte für Lösungen sind. Dies ist eine Haltung. Es ist eine forschende Einstellung und diese kann nicht bloß als eine Methode oder Technik erlernt werden. Deshalb halten wir eine umfassende Beschäftigung mit solchen oder auch anderen Theorien als Hintergrund für den Lehrberuf für wesentlich.

 

5.2 Das Problem finden und formulieren

Fachwissenschaften treiben uns dahin, Probleme als gelöst aufzufassen. In der konstruk­tivistischen Didaktik sehen wir jedoch, dass die didaktische Aufgabe hin zu einer Simulation der Wissenschaften drängt. Als Lehrende müssen wir lernen, unsere Fragen völlig anders und neu zu stellen. Wir denken aus Fachwissenschaften heraus, aber wir müssen auch aus den Erziehungswissenschaften, aus der Kultur heraus und dabei teilweise gegen die Fachwissenschaften denken. Wir können nicht gleich in der ersten Präsentation schon alle Antworten geben, sondern stellen Informationen dar, die auf ein Problem hinführen. Aber wissen wir um Probleme? Haben wir schon wenigstens einige Probleme für uns heraus­gefunden? Dies ist eine Kunst, die wir im traditionellen Frontalunterricht leider oft zu wenig vermittelt bekommen haben. Nur wenige Lehrende waren dazu in der Lage – und diese sind uns zwar in guter Erinnerung geblieben, aber ihre Darstellungskunst haben sie uns nicht einfach vererben können. Dies wundert nicht, denn hinter solcher Kunst steckt immer eine tiefer gehende Bildung. Sie haben es verstanden, sich in einfachen Worten auszudrücken und die vermeintlich einfachen Fragen zu stellen, die schwierige Probleme beinhalten. Je mehr wir uns in die Dinge vertiefen, desto mehr wissen wir vielleicht, wie eine solche Kunst gelingen kann.

http://www.cooperativeindividualism.org/harwood_knowledge.html
So fragt uns Edward Harwood: How do you know that you know anything? Sowohl seine Art der Darstellung als auch seine Problemstellung mag uns anregen, wie sich Problemstellungen entwickeln lassen.

http://www1.pabw.at/static/files/eu-projekte/bridgesmat/ReflectiveThinking.pdf
Renate Seebauer zeigt in einer kurzen Gedankenskizze, dass wir immer reflektierendes Denken benötigen, um Probleme zu finden und zu stellen. Ihr Artikel mag uns anregen zu erkennen, dass Problemstellungen immer auf weitere Kontexte unsere Denkens verweisen.

Diese möglichen Kontexte können wir hier mit bloß ausgewählten Beispielen weder hinreichend benennen noch systematisch darstellen. Sie sollten aus einem argumentativen Kontext selbst heraus erwachsen, wie ihn die konstruktivistische Didaktik z.B. vor dem Hintergrund der sehr komplexen Theorien des Pragmatismus und Konstruktivismus zu entwickeln versucht.

 

5.3 Integrativer Frontalunterricht in Beispielen

Sehr viel enger als in der pragmatistisch und konstruktivistisch orientierten Didaktik versucht Gudjons das Problem anzugehen. Um hiervon einen Eindruck zu geben, sollen einige seiner Beispiele (alle aus Gudjons siehe Quellen) exemplarisch dargestellt werden.


Kooperative Unterrichtsplanung

Die kooperative Planung umfasst vier Schritte. Dies könnte dann so aussehen:
1.Schritt: Die Schüler und Schülerinnen assoziieren alles, was sie an Vorwissen und Interessen am Thema haben. Man kann auch noch einen Schritt weiter zurückgehen und die Lernenden anregen, überhaupt erst einmal Vorschläge für ein gemeinsames Thema zu machen. Die unterschiedlichen Ideen und Vorschläge können z.B. auf größeren Karteikarten mit einem Stichwort gut lesbar notiert und zunächst ungeordnet auf einer Pinnwand (oder mit Klebestreifen an die Tafel) für alle sichtbar festgemacht werden.
2. Schritt: Anschließend werden die Karteikarten zu Clustern, d.h. zu zusammengehörigen Themenaspekten, geordnet. Das kann die Lehrkraft tun, aber wenn die Klasse die Technik gut beherrscht, können auch Schüler und Schülerinnen dies machen. Nicht unmittelbar verwertbare Ideen werden gesondert angepinnt. Sie fallen entweder weg oder werden später in Themengruppen einbezogen. Sinn des Vorgehens ist es, thematisch tragfähige Schwerpunkte zu bilden, die im Frontalunterricht weiter bearbeitet werden oder zu denen sich dann im nächsten Schritt Gruppen von Lernenden bilden können. Innerhalb dieses Schrittes sind auch andere Techniken möglich, etwa gemeinsam eine Mind-Map im Sinne einer thematischen Landkarte anzufertigen.
3. Schritt: Weitere Arbeit im Klassenplenum oder als Gruppenarbeit.
4.Schritt: Die vorgestellten Arbeitspläne werden diskutiert, auf Überschneidungen hin abge­klopft und schließlich auf Wandzeitungen endgültig formuliert, die während der gesamten Unterrichtsphase im Klassenraum aufgehängt werden.
Fazit: Zusammengefasst lässt sich formulieren, dass eine frontalunterrichtliche Planungs­phase sinnvoll und notwendig ist, um die schülerselbstständigen Unterrichtselemente sorgfältig durch ein Vorgespräch vorzubereiten, in dem die wesentlichen Anforderungen, methodischen Schritte, der Zeitplan, die Arbeitsprodukte, die Leistungsnachweise und Bewertungskriterien, aber auch die Fachbezüge und Lernziele geklärt werden.


Erzählung

Der Lehrer erzählt von einer Gebirgsregion, in der es vor vielen Jahren Hirsche in großer Anzahl gab. Außerdem fanden sich in den Bergen Wölfe, die immer wieder Tiere aus den Herden der Bewohner rissen. Eines Tages beschlossen die Einwohner deshalb, die Wölfe auszurotten. Wie erstaunt waren sie aber, als sie feststellten, dass auch die Anzahl der Hirsche beträchtlich abnahm. Wie konnte das geschehen, wo doch der Wolf der ein natürlicher Feind des Hirsches ist? Am Anfang steht hier nicht die abstrakte Frage nach dem Gleichgewicht in der Natur, sondern eine konkrete, rätselhafte Geschichte. Die Lernenden werden motiviert, nach einer Lösung des Problems zu suchen.


Strukturelles Lernen

Beim Thema „Wald“ müssen verschiedene Aspekte wie Pflanzen, Boden, Wasser, Verdunstung, Speicherung, chemische Prozesse wie Kohlendioxid- Sauerstoff- Kreislauf usw. aufeinander bezogen werden, damit in den Schülerköpfen die Vorstellung eines Systems entsteht, eines Systems vielfältiger und wechselseitiger Abhängigkeit, eines Öko-Systems. Es genügt also nicht eine „Häppchen-Didaktik“ von Einzelwissen über den Wald, das isoliert abgefragt werden kann, sondern wir wollen erreichen, dass die Schüler und Schülerinnen den Wald als ökologisches system verstehen! Aebli hat dies „strukturelles Lernen“ genannt. Dabei muss der Lehrer durch Lenkung des Unterrichtsverlaufes sicherstellen, dass Schüler und Schülerinnen diese Zusammenhänge entdecken können, z.B. durch Impulse oder Fragen: „Was wäre, wenn zu viele Bäume absterben oder abgeholzt werden….?“, „ Stellt euch vor, der Regen bliebe aus……“, „Was passiert, wenn wir uns zu viele Grünpflanzen ins Schlafzimmer stellen?“ usw.
Fazit: Insgesamt wird deutlich, dass das gemeinsame Erarbeiten von Unterrichtsthemen eine unverzichtbare didaktische Funktion des Frontalunterricht ist, die nicht gegen selbstständige Lernmethoden der Schüler ausgespielt werden kann. Es ist nämlich die Frage, ob solche komplexen Prozesse der Vernetzung und der Wissenskonstruktion allein in arbeitsteiliger Gruppenarbeit, Freiarbeit oder in Projekten erreicht werden können. Zumindest bedarf es in Anschluss an solche Unterrichtsformen der systematischen Einordnung und Verknüpfung des erarbeiteten Wissens durch den vom Lehrer gelenkten Unterricht mit der gesamten Klasse.

Das hier vorgestellte Konzept des integrierten Frontalunterricht setzt bereits hohe Ansprüche an die Lehrkraft. Es hat auch viele Teilelemente aus anderen Methoden aufgenommen. Ein gut strukturierter, interessanter, motivierender und informierender Frontalunterricht benötigt deshalb auch für Gudjons erweiterte Kompetenzen. Die heutige deutsche Lehrerbildung an den Universitäten scheint auch bereits gegenüber diesem Modell wohl nur unzureichend in der Lage, den zukünftigen Lehrern/Lehrerinnen diese Kompetenzen hinreichend zu ver­mitteln, weil sie zu sehr fachwissenschaftlich und zu wenig pädagogisch und didaktisch ausbildet. Wenn in Finnland 4/5 der Lehrerbildung eine pädagogische und sonderpädagogische Grundlagenausbildung für alle LehrerInnen in Theorie und Praxis um­fasst, dagegen nur 1/5 die Fächer, dann ist dieses Verhältnis in Deutschland genau umgekehrt. Wer nun erwarten würde, dass die vermeintlich besseren Fachleute auch den besseren Unterricht machen, der sieht sich durch die internationalen Schulleistungstests eines Besseren belehrt, da die Finnen als derzeitige Pisa-Sieger offensichtlich mit ihrem System mehr Erfolg haben.

Wenn wir schon Frontalunterricht praktizieren, dann muss sich die Lehrkraft, damit dies nicht in eine Situation führt, die wir heute zum größten Teil in den Schulen als didaktische Mangelsituation beklagen, sich ständig kritisch mit den Resultaten des Unterrichts auseinander setzen. Denn es gilt, sich immer wieder kritisch selbst zu fragen, ob die Methode sinnvoll angewandt wird, was man eigentlich für Lernziele damit verfolgt und ob das, was man vermitteln möchte, auch wirklich ankommt. Diese Überlegungen können allein, in der Klasse oder mit Kollegen geführt werden, aber sie müssen auch nach Gudjons vollzogen werden, damit Unterricht mit der Methode des integrierten Frontal­unterrichts gelingen kann. Eine der wichtigsten Kompetenzen scheint hier die Organisation und Strukturierung der Unterrichtssequenz zu sein und die konsequente Lenkung der Klasse entlang dieser verschiedenen Methoden zum gewünschten Unterrichtsziel. Dies erfordert von der Lehr­person Durchsetzungsvermögen, soziale Kompetenz und die Fähigkeit, Grenzen setzen zu können und einen Rahmen zu geben. Wie eng die Grenzsetzung oder wie straff die Lenkung des Unterrichts ist, soll von der Alters- und Sozialstruktur der Klasse abhängen.

Diese Vorraussetzungen weisen daraufhin, dass es zu Gestaltung eines dynamischen und erfolgreichen integrierten Frontalunterrichts gut ausgebildeter Lehrkräfte bedarf, was bereits eine Reform der Lehrerbildung voraussetzt. Die damit eingeschlagene Richtung unterstützt auch die konstruktivistische Didaktik. Aber sie geht in ihrem Anliegen deutlich über Gudjons Vorstellungen hinaus. In seinem Konzept steht der Frontalunterricht immer noch im Mittel­punkt. Der Frontalunterricht stellt in seinem Konzept die zentrale Methode da, die durch interaktive Methoden ergänzt wird. Die konstruktivistische Didaktik aber betont die inter­aktiven Methoden, die durch frontale Phasen ergänzt werden. So gelingt es der konstruk­tivistischen Didaktik, die Methoden für den Unterricht deutlich lernerorientierter zu denken. Sie verfolgt in ihrem Anliegen ein ganz anderes, neues Bild von dem, wie Schule heute arbeiten muss. In Gudjons Konzept hat dieses radikale Umdenken nicht stattgefunden, sondern er versucht immer noch den Frontalunterricht als vorherrschende Methode zu legitimieren. Die Gefahr, die darin besteht, ist, dass sich leicht nach einiger Zeit – trotz der auflockernden Maßnahmen – wieder das alte Bild, so wie heute größtenteils Unterricht betrieben wird, bestätigt, nämlich ein letztlich überwiegender lehrerzentrierter Unterricht, der sich daran beruhigt, dass er eigentlich auch offen für Lernerfragen scheint.

Für eine grundsätzliche Umgestaltung des Schulalltags ist es wichtig, den Unterricht von der Aktivität der Lerner aus zu denken und sie als Konstrukteure ihrer eigenen Lernprozesse und Lernwege anzuerkennen. Dieses Umdenken leistet Gudjons in unseren Augen leider nicht.