Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

4. Darstellung der Methode

>> 4.1 Vorbemerkung
>> 4.2 Definition
>> 4.3 Pädagogische Ziele
>> 4.3.1 Vorbemerkung
>> 4.3.2 Pädagogische Hauptziele bei PBL
>> 4.4 Problem
>> 4.4.1 Vorbemerkung
>> 4.4.2 Aufgaben-Typ
>> 4.4.3 Problemsetting
>> 4.4.4 Problem-Konstruktion
>> 4.5 Rollenverständnis
>> 4.5.1 Vorbemerkung
>> 4.5.2 Rolle des Lernenden
>> 4.5.3 Rolle des Lernbegleiters
>> 4.6 Lernablauf
>> 4.7 Beurteilungskultur
>> 4.8 Curriculum

4.1 Vorbemerkung

Das Problem-Based Learning (PBL) ermöglicht ausgesprochen vielfältige Gestaltungen in der Anwendung. Der Anspruch von PBL liegt in der sinnvollen Anpassung an die jeweiligen Lern-Umstände, die immer wieder Veränderungen unterworfen sind. “Problem-Based Learning is not static.” ( Boud & Feletti 1997, S. 17) In dieser expliziten Flexibilität liegt seine Stärke. Die darin verborgene Herausforderung zeigt sich in der Schwierigkeit, PBL präzise darzustellen. Barrows (1986, 1996, 2000) hat die unklare Begrifflichkeit erkannt und immer wieder versucht, das variantenreiche Konzept zu definieren.
“In spite of many variations of PBL that have evolved during its dissemination as a new method in medical education, a core model or basic definition with which others can be compared is needed. The original method developed at McMaster works well as this model.” ( Barrows 1996, S. 5)
In diesem Sinne soll eine Darstellung das Problem-Based Learning (PBL) primär in Anlehnung an das „McMaster Modell“ vorgestellt werden.

 

4.2 Definition

Spezifische Charakteristika definieren PBL am besten ( Barrows 1996):

  • Lernen ist lernerzentriert [Learning is student-centered].
  • Lernen geschieht in kleinen Lerngruppen [Learning occurs in small student groups].
  • Lehrer sind Ermöglicher oder Lernbegleiter [Teachers are facilitators or guides].
  • Probleme bilden den Organisationsmittelpunkt und den Anreiz für das Lernen [Problems form the organizing focus and stimulus for learning].
  • Probleme sind das Mittel für die Entwicklung von Problemlösefähigkeiten [Problems are a vehicle for the development of problem-solving skills].
  • Neue Information wird durch das selbstgesteuerte Lernen akquiriert [New information is acquired through self-directed learning].

 

4.3 Pädagogische Ziele

Problemorientierte Curricula sind auf die Entwicklung der Problemlösefähigkeit ausgerichtet. Die Lernziele sind dementsprechend als Fähigkeiten bzw. Kompetenzen zu formulieren, nicht in Form von einfachen Wissensinhalten. Bei PBL-Curricula werden die maßgeblichen Kompetenzen auch Schlüsselqualifikationen (Key Skills) genannt. Typisch ist hier der Erwerb der nachfolgend dargestellten Key Skills:

 

Key Skills (nach Weber 2004)

zur Sach-Kompetenz:
Die Sach-Kompetenz (im Sinne des erforderlichen Erarbeitens von Sachwissen) ergibt sich beim problemorientierten Unterricht aus dem jeweiligen Kontext. Beim problemorientierten Vorgehen stellt sich die Frage nach Defiziten im fachlichen Hintergrund und den Lösungswegen. Der fachsystematische Überblick liegt z. B. in Handbüchern vor. Detailfragen sind über Inhalts­verzeichnis oder Register der Handbücher abrufbar, bei digitalisierten Medien (Datenbanken) durch das Abprüfen von Stichworten. Passende Nachschlagemöglichkeiten (beispielsweise als analoge und digitale Schulbibliothek ergänzt durch Internet-Zugang) müssen im Hinblick auf den Lernerfolg für die Schüler verfügbar sein. Die Sach-Kompetenz ist hier ohne die Methoden bzw. Medien-Kompetenz nicht denkbar.

zur Methoden- bzw. Medien-Kompetenz:
Bei der Suche nach Lösungswegen erhält der Umgang mit notwendigen Medien, neben der Akquise von Informationen über Experten, einen sehr hohen Stellenwert. Die Lernenden sollen befähigt sein, sich aus der Literatur und den Datenbanken hilfreiche Informationen zu beschaffen, um selbständig einen geeigneten Weg zur Lösung zu finden. Außerdem wird in der Regel bei der Ergebnis-Präsentation sowohl auf den Inhalt als auch auf die Methodik Wert gelegt. Der konstruktivistische Ansatz fordert die Methoden- und Medien-Kompetenz aus­drücklich.

zur Sozial-Kompetenz:
Lernen ist immer ein individueller Prozess, wobei soziale Kontexte stimulierend wirken. Außerdem fördert kooperatives Lernen die Lern- und Praxisgemeinschaft (Sozial-Kompetenz): Die soziale Lernumgebung gewinnt beim problemorientierten Zugang zu Lerninhalten an Bedeutung und entspricht in besonderer Weise dem interaktionistisch konstruktivistischen Ansatz nach Reich.

zur Personal-Kompetenz:
Gemeint ist hier die Kompetenz zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Der problem­orientierte Zugang bietet die Möglichkeit einer hohen Aktivität der Lernenden. In Verbindung mit dem kooperativen Lernen wird damit eine Weite für die Entwicklung der sogenannten Personal-Kompetenz eröffnet.

zur Problemlöse-Kompetenz:
Bei der Problemlöse-Kompetenz geht es nicht primär um die Anhäufung von Wissen und das Einüben von Prozeduren, sondern um eine kreative Auseinandersetzung mit der Sache. Die Lernenden haben hier einen großen Spielraum für eigene Vermutungen, Widerlegungen, Modifikationen und Begründungen. Die Problemlöse-Kompetenz bezieht den Perspektiven­wechsel der Lernenden beim Lernereignis als Beobachter, aktiver Teilnehmer und Akteur mit ein (vgl. dazu Reichs konstruktivistische Didaktik, Kapitel 5). Hier steht die Konstruktion von Unterrichtsinhalten im Vordergrund, die sich aus einer Kombination von Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz ergibt. Auf diese Weise entdecken und entwickeln die Lernenden notwendige Fähigkeiten und können praxisrelevantes Wissen leicht auf konkrete Situationen transferieren.

zur Handlungs-Kompetenz:
Die Handlungs-Kompetenz resultiert aus der Problemlöse-Kompetenz. Ausgehend von dem oben genannten Grundprinzip, den charakteristischen Merkmalen und Zielen, zeigen wir weiter unten das konstruktivistische Rollenverständnis bei PBL.

Aufbauend auf den Key Skills werden i n den unterschiedlichen Kontexten wie Kindergarten, Grundschule oder Berufsschule andere Fähigkeiten (Skills) und damit auch andere Lernziele benötigt. Nach den Untersuchungen an der McMaster Universität ( Barrows 1986, 1996, 2000) lassen sich für PBL nachfolgend aufgeführte pädagogische Hauptziele ableiten:

Pädagogische Hauptziele (nach Barrows 1986, 1996, 2000):

  • Erwerb einer Grundlage von zusammenhängendem Wissen zum Problem, also einer strukturierten Wissensgrundlage rund um die Leitwörter [Cues], die das Problem beinhaltet.
  • Entwicklung eines Problemlöseprozesses am praxisrelevanten konkreten Beispiel, also Entwicklung eines effektiven und effizienten Problemlöseprozesses (Reasoning).
  • Entwicklung effektiver Fähigkeiten zum selbstgesteuerten Lernen; Entwicklung von Teamfähigkeit.
  • Steigerung der Lernmotivation.

In diesen vier Hauptzielen sind wichtige Aspekte mit eingeschlossen: Beispielsweise impliziert der Erwerb einer soliden Wissensgrundlage die Fähigkeit zur gezielten Akquise von Informationen, wobei der Umgang mit Medien hierfür eine Voraussetzung ist. Um Wissen und Fertigkeiten adäquat in die Praxis zu transferieren, werden kreative Denkstrukturen gefördert. Die Entwicklung einer differenzierten fachlichen und personellen Kritikfähigkeit legen das Fundament zur Optimierung des Problemlösens und zum selbstgesteuerten Lernen. Zur Entfaltung der Teamfähigkeit gehört die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten und der Zusammenarbeit ebenso wie ein selbstverständlicher Einsatz der Reflexion (Metakognition) zum Lernvorgang aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Der menschliche Umgang in einer multikulturellen Gesellschaft fordert unter anderem die Auseinandersetzung und Wertschätzung ethischer Perspektiven in Diversität. Alle Ziele beinhalten eine entsprechende Methoden­kompetenz, die den gesamten Prozess unterstützt.

4.4 Problem

4.4.1 Vorbemerkung

Der Begriff „Problem“ ist im Zusammenhang mit PBL relativ zu sehen; es ist hier eher das Problematische einer Situation oder einer Fragestellung gemeint. Als problematisch gilt eine Situation dann, wenn sie vielschichtig zu betrachten ist; viele Komponenten dieser Situation sind miteinander verwoben und stehen untereinander in Beziehung (nach Boud & Feletti 1997, S. 39).
Die Situationen werden als „ill-structured“ oder komplex bezeichnet. Sie sind durch eine nicht eindeutig vorhersagbare Auflösung charakterisiert. Viele Lösungsansätze sind möglich und richtig. In der Regel können sich die Lösungen bei PBL immer wieder durch neue Aspekte verändern und haben somit ein offenes Ende. Diese Offenheit sollte während der Planung von Problemaufgaben berücksichtigt werden. Je offener eine Aufgabe ist, desto schwieriger kann sie für Ungeübte (sowohl Lernbegleiter als auch Lernende) sein, die eindeutig vorhersehbare Lösungsprozesse und Ergebnisse gewohnt sind. Grundsätzlich werden authentische Probleme, also konkrete Situationen der „real world“ übernommen oder konstruiert. In der Konstruktion des Problems liegt die größte Herausforderung einer PBL-Einheit. Das Problem trägt sowohl den Impuls als auch die Entwicklung der gewünschten Fähigkeiten in sich. Die Konstruktion orientiert sich daher an den Lernenden und soll sie in ansprechender Weise adäquat herausfordern.


4.4.2 Aufgaben-Typ

Bei PBL bieten sich für verschiedene Anwendungsbereiche Aufgaben mit unterschiedlichen Funktionen an. Van Meer (1994), Moust et al. (1999) und Weber (2004) unterscheiden fünf Aufgabentypen:

  • Problemaufgabe (Suchen nach Erklärungen für Phänomene)
  • Studienaufgabe (Erwerb von Grundlagenwissen)
  • Diskussionsaufgabe (Förderung des kritischen Urteilsvermögens)
  • Strategieaufgabe (Regelgeleitetes und reflexives Vorgehen)
  • Anwendungsaufgabe (Anwendung von erworbenen (Er-)Kenntnissen; Transfer)

zu Problemaufgabe
Die Problemaufgabe ist die klassische PBL-Aufgabe. Sie fördert über das Auflösen von komplexen Situationen das Verständnis von Phänomenen.

zu Studienaufgabe
Die Studienaufgabe gibt genau an, was gelernt werden soll, wo sich die nötigen Medien befinden und worauf man achten muss. Das individuelle Arbeiten soll dem Erwerb von Kenntnissen dienen. Diese Aufgaben eignen sich als Vorbereitung zu Problemaufgaben, die konkreten Lernstoff voraussetzen. Hilfreich ist der im Schaubild vorgestellte Ablauf:

Ablauf einer Studienaufgabe (nach Moust, Bouhuijs & Schmidt 1999, S. 38):

  • Lesen Sie die Aufgabe und überlegen Sie, was verlangt wird.
  • Einigen Sie sich darüber, wie in der nächsten Sitzung berichtet werden soll (beispiels­weise Problem-Darstellungen vergleichen, Unklarheiten im Text besprechen).
  • Bearbeiten Sie die Aufgabe im Selbststudium.
  • Referieren Sie über Ihre Ergebnisse in der Unterrichtsgruppe.

zu Anwendungsaufgabe
Diese Aufgabe dient dem Transfer von Erkenntnissen und Verständnis. Sie bietet sich daher nach einer Studienaufgabe an. In der Regel wird sie individuell zu Hause erarbeitet und anschließend kurz in der Gruppe besprochen.

zu Strategieaufgabe
Hier liegt der Schwerpunkt auf dem beruflichen Handeln. Neben der Analyse, Synthese, Evaluation, Reflexion, Anwendung und dem Transfer sind Einstellungen gefragt, die effektiv eingesetzt und kritisch hinterfragt werden sollen.
zu Diskussionsaufgabe
Bei der Diskussionsaufgabe geht es um das kritische Reflexionsvermögen. Hier sollen Einstellungen und Haltungen gebildet und geäußert werden. Um ausufernde Diskussionen zu vermeiden, sollten die sechs Schritte der folgenden Übersicht beachtet werden:

Sechs Schritte zur Bearbeitung einer Diskussionsaufgabe (nach Moust, Bouhuijs & Schmidt 1999, S. 34):

  • Klären Sie unklare Begriffe
  • Definieren Sie das Problem
  • Sammeln Sie Meinungen und Standpunkte
  • Ordnen Sie die Meinungen
  • Stellen Sie die wichtigsten Punkte heraus
  • Formulieren Sie Schlussfolgerungen (vielleicht auch Lernziele)


4.4.3 Problemsetting

Typischerweise wird bei PBL einer Lerngruppe ein exemplarisches, praxisnah konstruiertes Fallbeispiel als „Paper Case“ (schriftliches Fallbeispiel) präsentiert, dessen Auswahl von der Zielsetzung und den Vorkenntnissen der Lernenden abhängt. Die multiperspektivischen Beispiele sollen die Fähigkeiten des Problemlösens komplexer Situationen schulen.
Eine klassische Problemeinheit wird als „Problem-Based Learning Module“ (PBLM) bezeichnet. Für jedes PBLM wird ein PBLM „Reader“ (Text) und ein PBLM „User Guide“ (Gebrauchsanweisung für das PBL Modul) benötigt. Der Reader präsentiert der Gruppe das Fallbeispiel. Es beinhaltet das Problem und ggf. zentrale Fragestellungen. Teilweise ergänzen Bilder oder Filme die Problem-Situation.
Konkrete Situationen wie ein Besuch im Zoo oder im Museum eignen sich sehr gut für PBL. Auch ungeplante Ereignisse, beispielsweise ein Streit auf dem Schulhof, können mit dem PBL-Konzept aufgelöst werden.

 4.4.4 Problemkonstruktion

Parameter für die Problemkonstruktion
Die adäquate Konstruktion von geeigneten Problemen steht aufgrund der besonderen Herausforderung im Zentrum der Planung von PBL. Zur Vorbereitung der Problemkonstruktion sind dabei voneinander unabhängige Parameter zu beachten ( Weber 2004, S. 90):
  • Ausbildungsziel, zentrale Fragestellung
  • Kompetenzbereich (Personal-, Sozial-, Fach-, Methoden-Kompetenz)
  • Aufgabentypus
  • Lernzieltypus und Taxonomie
  • Wissenskategorien
  • Vorwissen
  • Kognitiver Konflikt
  • „Challenge“ (Herausforderung), Schwierigkeitsgrad
  • Aufmerksamkeit, Bedeutsamkeit
  • Erfahrungen, Emotionen
  • Selbständigkeit, Motivation
  • „Deep understanding“
  • Transfer, Kontext
  • Domänenwissen, Interdisziplinarität
  • Exemplarischer Sachverhalt
  • Titel, Schlüsselwörter [Cues], Sprache

Taxonomien
Für die Erstellung von Problemen könnte z.B. teilweise auch noch eine früher übliche, aber nicht mechanisch zu verwendende, Taxonomie der Lernebenen, wie sie im folgenden Schaubild dargestellt ist, hilfreich sein:

Taxonomie der Lernebenen (nach Schmidt 2000/2001):

Kognitive Dimension
(vgl. Bloom u.a. 1972)

Affektive Dimension
(vgl. Krathwohl u.a. 1972)
Psychomotorische Dimension
( Dave, vgl. Meyer 1974)

1. Kenntnisse
1.1 von konkreten Einzelheiten: Begriffe, Einzelfakten
1.2 von Wegen und Mitteln für den Umgang mit konkreten Einzelheiten: Übereinkünfte, Trends und Abfolgen; Klassifikationen und Kategorien; Kriterien, Methodologie
1.3 der Universalien und Abstraktionen eines Gebiets: Prinzipien, Generalisationen; Theorien, Strukturen

2. Verständnis
2.1 Übertragung
2.2 Extrapolation

3. Anwendung 

4. Analyse von
4.1 Elementen;
4.2 Beziehungen;
4.3 Organisationsprinzipien  

5. Synthese
5.1 Schaffen einer einheitlichen Kommunikation;
5.2 Entwerfen eines Plans oder Programms für eine Reihe von Operationen;
5.3 Ableitung einer Reihe abstrakter Beziehungen  

6. Beurteilung (Evaluation)
6.1 nach innerer Klarheit;
6.2 nach äußeren Kriterien

1. Aufmerksam werden, Beachten
1.1 Bewußtsein davon
1.2 Bereitwilligkeit dazu
1.3 ausgewiesene Aufmerksamkeit 

2. Reagieren
2.1 Einwilligung ins Reagieren;
2.2 Bereitwilligkeit zum R.
2.3 Befriedigung beim R.  

3. Werten
3.1 Akzeptieren eines Wertes
3.2 Bevorzugen eines Wertes
3.3 Verpflichtung dem Wert gegenüber

4. Organisation
4.1 Begreifen eines Wertes
4.2 Organisation eines Wertsystems  

5. Charakterisierung durch einen Wert oder eine Wertstruktur
5.1 Allgemeine Einstellung
5.2 Charakterisierung
Crittin (2004):

6. Durch Werte bestimmtes Handel
 

1. Imitation
1.1 Imitationsimpulse
1.2 beobachtbare Wiederholung

2. Manipulation
2.1 Befolgen einer Anweisung
2.2 Selektion
2.3 Festigung eines Handlungsablaufes

3. Präzision
3.1 Reproduzieren
3.2 Steuerung  

4. Handlungsgliederung
4.1 Sequenz
4.2 Harmonie  

5. Naturalisierung
5.1 Automatisierung
5.2 Interiorisierung  

Das Problem solcher Taxonomien ist allerdings in der Vergangenheit immer wieder der stereotype und wenig konstruktive Umgang gewesen. Die einzelnen Aspekte geben Hinweise auf Zielebenen, aber sie können nie starr und frei vom Kontext eingesetzt werden. Deshalb erscheint vielen konstruktivistischen Didaktikern die konkrete Zielbezeichnung durch Kompetenz-beschreibungen auch als sinnvoller.
Die affektive Dimension muss in diesen Taxonomien auch die sozialen Aspekte umfassen. Für die affektive Dimension ist hier die von CRITTIN (2004) vorgeschlagene 6. Stufe „Durch Werte bestimmtes Handeln“ aufgenommen worden. Bei PBL erlangt die soziale wie auch die metakognitive Dimension einen beachtlichen Stellenwert. Sie sollten grundsätzlich in ähnlicher Art wie die kognitive, affektive und psychomotorische Dimension eingeteilt werden, damit die Lernzielformulierung dem PBL-Konzept gerecht werden kann. Alle Lernziel-Dimensionen werden für die Konstruktion getrennt voneinander berücksichtigt. Beispielsweise nehmen im mathematischen oder sportlichen Bereich die kognitive und die psychomotorische Dimension einen unterschiedlichen Stellenwert ein.

Wissenskategorien
Hilfreich zur Konstruktion von Fallbeispielen ist die Einteilung von Wissen in Kategorien (in Anlehnung an WEBER 2004, S. 82):

  1. Deklarives Wissen: beantwortet die Frage nach dem „was“ (Know-what)
  2. Prozessuales Wissen: beantwortet die Frage nach dem „wie“ (Know-how)
  3. Konditionales Wissen: beantwortet die Frage nach dem „warum“ (Know-why)
  4. Reflexives Wissen: beantwortet die Frage nach dem „wieso“ (Know-why)

Kontrolle einer geeigneten Problemkonstruktion
Für die Kontrolle bei der Entwicklung eines Problems hat DELISLE eine Checkliste für Lehrer entworfen (freie Übersetzung):

Habe ich...

Ja

Nein

... einen passenden Inhalt ausgewählt?

 

 

... mögliche Ressourcen festgelegt?

 

 

... eine geschriebene Stellungnahme, die

sich für die Lernentwicklung eignet?

an die Erfahrung der Schüler anknüpft?

auf dem Curriculum basiert?

eine Variation von Lehr-Lern-Strategien und -Stilen erlaubt?

ein unstrukturiertes Problem beschreibt?

 

 

... die Motivation zur Aktivität berücksichtigt?

 

 

... eine fokussierende Frage entwickelt?

 

 

... Evaluations-Strategien festgelegt?

 

 

Checkliste zur Entwicklung eines Problems (nach DELISLE 1997, S.19)


4.5 Rollenverständnis

4.5.1 Vorbemerkung

Im Vergleich zum traditionellen Frontalunterricht verändern sich die Rollen der Schüler und der Lehrer deutlich. Während der Lehrer jetzt als Lernbegleiter nicht mehr doziert, sondern die Lernenden (Schüler) bei der Suche nach eigenen Wegen unterstützt und bei der Entwicklung ihrer eigenen Lernziele begleitet, sollen die Lernenden immer unabhängiger werden:


Rollenverständnis (nach TORP & SAGE 1998, S. 65)

4.5.2 Rolle des Lernenden

Den Lernenden stehen Leitfäden zur Unterstützung des eigenverantwortlichen Lernens in Bezug auf Wissensaneignung, Lernschwierigkeiten und Entscheidungsfindung zur Verfügung. Sie erproben und üben anhand der motivierenden Problemstellung das selbstgesteuerte Arbeiten, wobei sie ihre eigenen Lernziele formulieren und umsetzen. Die Lernenden werden verpflichtet, ihre Ressourcen zu nutzen und die anderen daran teilhaben zu lassen. Dadurch, dass Sie sich gegenseitig ständig unterstützen und regulieren, sind sie immer wieder auch Lehrende. Gleichzeitig sollen sie sich in den sozialen Verband der Kleingruppe integrieren, um über fachliche Auseinandersetzungen die Kommunikation und das Sozialverhalten im Team auszubauen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Metakognition. Aus der Selbst- und Fremdwahrnehmung mit entsprechender Evaluation resultiert eine differenzierte Selbsteinschätzung. Mit der kritischen Distanz zu fachlichen Inhalten sollen die Lernenden die Vorgehensweise des objektivierten bzw. wissenschaftlichen Arbeitens erleben.

4.5.3 Rolle des Lernbegleiters

Vorbemerkung
Die Aufgabe des Lehrers verändert sich vom traditionellen Belehren zum konstruktiven Begleiten. Der Lehrer wird entsprechend seiner neuen Funktion „Guide“ (Lernbegleiter), „Facilitator“ (Ermöglicher) oder - wie bereits erwähnt - üblicher Weise in der beruflichen Ausbildung und im Studium „Tutor“ genannt. Im Deutschen eignet sich besonders der Begriff des Lernbegleiters. Er begünstigt zurückhaltend die Planung und Durchführung der Lernaktivitäten, indem er den Lernern Fragen stellt, die zum besseren Verständnis und Umgang mit dem Problem anregen. Wie intensiv diese Unterstützung im Lernprozess ist, kann unterschiedlich geregelt sein (nach HERON 1989, 1993, SAVIN-BADEN 2003):

  1. Der hierarchische Modus [The hierarchical mode]: Der Lernbegleiter steuert den Lernprozess, unterstützt die Zielsetzung der Gruppe, übernimmt Verantwortung für das Gruppengefühl und fördert die Strukturierung des Lernens.
  2. Der kooperative Modus [The co-operative mode]: Hier wird auf die Fähigkeiten der Zusammenarbeit im Team vertraut, indem die Lernenden selbstbestimmt arbeiten. Der Lernbegleiter steht ihnen als Berater zur Seite und fördert den Zugang zu den eigenen Ressourcen, indem er sie dabei unterstützt, wie man das Lernen lernt und selbständig mit Schwierigkeiten umgeht. Er nimmt an ihren Sichtweisen Anteil, die er als eine von vielen Möglichkeiten akzeptiert.
  3. Der autonome Modus [The autonomous mode]: Der Lernbegleiter respektiert die Autonomie der Gruppe, indem er für sie keine Aufgaben übernimmt und ihnen die gesamte Verantwortung für ihren Lernprozess und das Meistern von Konflikten überlässt. Seine Aufgabe besteht im Ermöglichen des Raums und der Freiheit, in der die Studierenden selbstbestimmt lernen können.

Der Lernbegleiter sollte über eine schriftliche Anleitung zum Problem-Design verfügen, die - neben speziellen notwendigen Lernressourcen - sowohl Hinweise zu den erwarteten Lernzielen der Lernenden enthält, als auch alle besonderen Aspekte zu ungewöhnlichen Blickwinkeln. Mit diesen Informationen führt der Lernbegleiter die Lernenden durch Fragen und Heraus-forderungen auf ein metakognitives Niveau, so dass sie ihre Lernziele den Anforderungen des Problems entsprechend formulieren. Eine Intervention bedeutet einen Balanceakt zwischen dem Setzen sinnvoller Impulse oder der Störung konstruktiver Lerndynamik. Vom Lernbegleiter wird hohe Kommunikations-Kompetenz, gekoppelt mit einem hohen Einfühlungsvermögen in die diversen Denkansätze der Lernenden, gefordert. Außerdem sollte er über eine entsprechende Methoden-Kompetenz und Übersicht in dem Fachbereich verfügen, um die nötige Handlungs-Kompetenz zu erreichen.
Es scheint als ob der beste Lernbegleiter jemand ist, der mit dem Fachgebiet des Lernens umfassend vertraut ist und über Erfahrungen in der neuen Rolle der Unterstützung verfügt. Die Qualität des Lernbegleiters ist für den Lernprozess entscheidend (HOLMES & KAUFMANN 1994). „The importance of student-centered learning has to be fully understood by all the faculty involved in problem-based learning, particularly the tutors, to ensure that it is truly student-centered...” (BARROWS 2000, S. 35) Eine gezielte Ausbildung für alle Beteiligten ist daher eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen der Ermöglichung, denn ungeschulte Lernbegleiter können das Denken der Lernenden auf vielen subtilen Wegen ungünstig lenken. Daher werden in der Regel Fortbildungen oder Workshops angeboten, um die Lehrer ausführlich auf die ungewohnte Rolle beim Problem-Based Learning vorzubereiten.
Die anspruchsvolle Tätigkeit des Lernbegleiters legt regelmäßige Supervisionsgruppen nahe, in denen Schwierigkeiten und Erfahrungen ausgetauscht und besprochen werden.

„Peer Tutor“
McMaster befürwortet das Konzept des Nicht-Experten als Lernbegleiter [„nonexpert„ tutor], damit ein Zurückfallen in die alte Rolle des Lehrers vermieden wird. In diesem Zusammenhang wird vom „Peer Tutor“ gesprochen. „Peer Tutors“ sind keine Fachexperten, wie beispielsweise Professoren, sondern Studenten (meist aus etwas höheren Semestern), die ihre Kommilitonen in der oben beschriebenen Art begleiten. Der „Novice Facilitator“ entspricht dem „Peer Tutor“. Der Begriff „Novice“ wird vom „Cognitive Apprenticeship“ übernommen (im Sinne vom Newcomer gegenüber dem Master) und meint den fortgeschrittenen Anfänger.

„Floating Facilitator“
Das „McMaster Modell“ geht von kleinen Gruppen aus, die nur selten in einer größeren Gruppe zusammen treffen. Bisher sind an vielen Fakultäten oder Schulen Seminare oder Unterrichtsklassen sehr groß. Nicht immer steht für jede Kleingruppe ein Tutor zu Verfügung, der Diskussionen leitet, Fragen beantwortet und eine gleichberechtigte Beteiligung aller Teilnehmer gewährleistet. Das Modell des „Floating Facilitator“ bietet für große Kurse oder Klassen eine gute Gelegenheit zur Unterstützung der Arbeit in Kleingruppen. Dafür wird die Klasse innerhalb des Unterrichts zeitweise in kleine Gruppen mit vier Lernenden aufgeteilt, die eigenverantwortlich arbeiten. Als Diskussionsgrundlage dienen beispielsweise konkrete Erleb-nisse und Beobachtungen oder kurze Texte. Die Aufgabe des Lernbegleiters während dieser Phase wird folgendermaßen beschrieben: Der „Floating Facilitator“ geht von Gruppe zu Gruppe, stellt Fragen und ergründet das Verständnis der Studenten (nach DUCH 2001, S. 41). Seine Unter¬stützung benötigen besonders weniger selbständige Gruppen; er sollte bei keiner zu lange verweilen, damit die übrigen Gruppen nicht zu lange warten müssen. In anderen Teilen der Unterrichtseinheit stellen die einzelnen Gruppen ihre Diskussionsergebnisse der ganzen Gruppe vor. Die Gestaltung der Ergebnisse kann auch die Präsentation von Projekten oder Debatten und Diskussionen der gesamten Gruppe umfassen. Ein Wechsel von Kleingruppenarbeit und Aktivitäten in der ganzen Klasse gibt den Lernenden neue Anregungen zu weiteren Fragen. Der Lernbegleiter gewinnt dabei Einblick in ihr Denken und kann so schrittweise die wesentlichen Ergebnisse zusammenfassen. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, den Lernprozess für alle Gruppen in eine konstruktive Richtung zu lenken und ein angemessenes Niveau der Lernziele zu sichern. Diese Aufgabe ist für einen Dozenten oder Lehrer meist einfacher als für einen „Peer Tutor“. Aber auch ein „Peer Tutor“ kann bei entsprechender Ausbildung als „Floating Facilitator„ mehrere Lerngruppen betreuen. Da diese Rolle hohe Anforderungen stellt, sollte die Effektivität eines „Peer Floating Facilitators“ im allgemeinen Schulbereich immer genau geprüft werden.

4.6 Lernablauf

4.6.1 Vorbemerkung

Ein klassischer PBL-Ablauf bezieht sich auf ein Modul zu speziellen Lernfeldern, die meistens mehrere Fallbeispiele umfassen. Ein Fallbeispiel erstreckt sich in der Regel über eine Woche, wobei der Zeitrahmen von Modell zu Modell variieren kann.
Die Lernenden treffen dann in Kleingruppen (ca. 5-7 Personen) zwei- bis dreimal pro Woche mit dem Lernbegleiter für 45 bis 90 Minuten zusammen. Die Fallarbeit wird mit dem ersten Treffen eröffnet. Eine vertraute, familiäre Atmosphäre gilt hierfür als Voraussetzung. Das Verbalisieren von Ahnungen, Vermutungen und Ideen vor den Gruppenmitgliedern ist die Bedingung für den Erfolg von PBL. Ungewöhnliche Gedankenansätze oder auch spontane Einfälle werden als Ressource und Chance für kontroverse oder strukturierende Diskussionen bewusst genutzt. Der Start verläuft sehr ähnlich. Typischerweise sitzen alle Mitglieder der Gruppe mit dem Lern-begleiter „as equals“ (gleichberechtigt) im Kreis. In der Mitte steht eine Tafel oder wahlweise ein Flip-Chart. Es werden ein „Vorleser“ und ein „Schreiber“ bestimmt. Der „Schreiber“ teilt auf der Tafel die für PBL klassischen vier Rubriken ein:
Jeweils eine für „Ideen“, „Fakten“, „Lernziele“ und für „Arbeitsaufträge“. Er hat die schwierige Aufgabe, gleichzeitig mitzudenken und alle Wortbeiträge akkurat zu notieren:

PBL-Visualisierung (nach BARROWS 2000, S. 55):
Ideen (ideas) Fakten (facts)

Lernziele (learning issues)

 

 

   

Arbeitsaufträge (future actions)

 

 

 

Die Lernenden lösen die Fallbeispiele überwiegend selbstgesteuert und eigenständig. Innerhalb eines Moduls wird jedes Problem bzw. jeder Fall in ähnlicher Weise analysiert. Die Auflösung verläuft in der Regel formalisiert über eine vorgegebene Schrittabfolge.

4.6.2 Lernschritte und Siebensprung

Der formalisierte Ablauf des Lernzirkels folgt den vier Hauptabschnitten, die in der kurzen Beschreibung des PBL-Konzepts dargestellt wurden. Die Anzahl der Schritte des Lernzirkels variiert immer wieder von Modell zu Modell. Es können beispielsweise vier wie beim „Authentic McMaster Modell“ oder acht wie beim „distributed Problem-Based Learning“ (dPBL) sein. Am bekanntesten ist jedoch der beim „McMaster Modell“ übliche „Siebensprung“.
Die Schrittfolge des „Authentic Problem-Based Learning“ bzw. des „McMaster Modells“ wurde an der Maastrichter Universität als „Siebensprung“ interpretiert, der heute in sehr vielen Varianten auch als „Sieben-Schritt“ zu finden ist. Das folgende Schaubild zeigt eine übersichtliche Darstellung des „Siebensprungs“:

„Siebensprung“ (nach MOUST, BOUHUIJS & SCHMIDT 1999, S.22)

  • zum 1. Schritt: „Klären sie Begriffe, die sie nicht verstehen.“ Für das Fallbeispiel klären die Lernenden untereinander unverständliche Begriffe oder Formulierungen.
  • zum 2. Schritt: „Definieren sie das Problem.“ Die Lernenden ordnen ihre Gedanken zu dem Problem, identifizieren dessen allgemeine Natur und die dazugehörigen Faktoren.
  • zum 3. Schritt: „Analysieren sie das Problem.“ Danach findet ein Brainstorming zu dem Problem statt. Zu Grunde liegende Ursachen, (Patho-) Mechanismen, mögliche Lösungen, Bereiche der Unsicherheit oder Unwissenheit werden für alle sichtbar an der Tafel schriftlich fixiert.
  • zum 4. Schritt: „Ordnen sie die Ideen und vertiefen sie diese systematisch.“ Die Gruppe prüft die Überlegungen nun detailliert. In der Diskussion aufkommende weitere Fragen oder Überlegungen, die nicht geklärt werden können, werden ebenfalls an der Tafel festgehalten. Gegen Ende der Sitzung fokussiert der Lernbegleiter ggf. die Konzentration der Lernenden auf die wesentlichen Fragen für die weiteren Schritte ihrer Ausbildung.
  • zum 5. Schritt: „Formulieren sie Lernziele.“ An dieser Stelle entscheiden sich die Lernenden individuell oder als Gruppe, welche Fragen sie weiter verfolgen wollen. Sie formulieren ihre Lernziele geordnet nach Prioritäten. Das erste Treffen endet nach Abschluss dieses fünften Schrittes.
  • zum 6. Schritt: „Suchen sie ergänzende Informationen außerhalb der Lerngruppe.“ Im sechsten Schritt haben sich die Lernenden geeinigt, wer welche Themen, Quellen oder auch welches Material zur Sichtung übernimmt. Die Gruppe teilt sich und die Lernenden arbeiten nun individuell oder auch mit anderen zusammen.
  • zum 7. Schritt: „Synthetisieren und testen sie die neuen Informationen.“ Beim zweiten Treffen werden die Lernenden ermutigt, zu reflektieren, was sie beim Beantworten der Fragen des ersten Treffens an der Tafel gelernt haben. Der siebte Schritt beinhaltet eine Präsentation und die anschließende Evaluation. Teilweise ist dieser Schritt in mehrere Treffen aufgeteilt. Die Lerner erforschen alle Antworten auf die Fragen, unterrichten sich gegenseitig und vergleichen ihre eigenen Überlegungen mit denen der Kollegen.

Das neue Wissen und Verständnis, welches in diesem Prozess gewonnen wird, erleichtert eine Überprüfung früherer Hypothesen. Der Schwerpunkt dieser Fallarbeit liegt neben der Ver-netzung von altem und neuen Wissen auf der Reflexion und dem Anbahnen von sinnvollen Denkprozessen. Ein endgültiges Ergebnis ist an dieser Stelle nicht unbedingt notwendig, besonders nicht am Anfang der Ausbildung (BLIGH 1995).
Ausgesprochen wichtig ist zum Abschluss jeder Fallarbeit die Selbstevaluation, die Evaluation der Kollegen und der Gruppe. Die Reflexion bezieht sich auf den fachlichen Lernprozess und die soziale Interaktion. In diesem Zusammenhang wird auch die Qualität des Lernbegleiters evaluiert.
Ein Modell für den Musterstundenplan zum Ablauf vom Sieben-Schritt bietet das folgende Schaubild. Der Ablauf von PBL wird der Zielgruppe und dem Fachbereich entsprechend angepasst und modifiziert:

 

Montag

Dienstag

Mittwoch

Donnerstag

Freitag

Vormittag

 

Vorlesungen zum neuen Thema

 

Selbststudium

 

 

 

Selbststudium

 

 

 

2. Treffen
Schritt 6

Selbststudium

 

3. Treffen

Schritt 7

Nachmittag

1. Treffen
Schritte 1-5

 

Selbststudium

 

 

 

 

 

 

 

 

Selbststudium

 

Selbststudium

 

4. Treffen
Evaluation

 

Selbststudium

Ergänzungs-Kurs
(z.B. praktisches Üben)

 

 

Vorlesungen zum Thema Selbststudium
Selbststudium
Expertenkontakt
 



4.7 Beurteilungskultur

Eine differenzierte Beurteilung bzw. Bewertung aus unterschiedlichen Perspektiven wird bei PBL gewöhnlich Evaluation genannt. Dieses Vorgehen ist für den Erfolg von PBL entscheidend. Die Evaluation ist sehr vielschichtig und gehört traditionell zum PBL Konzept (u.a. Barrows 1980, 1996; 2000; Delisle 1997; Lambros 2002, 2004; Weber 2004).
Im Folgenden werden zunächst kurz die PBL-Gütekriterien einer Evaluation genannt. Anschließend werden die vier Formen der Evaluation beschrieben, die sich im PBL-Lernprozess bewährt haben: Die Selbstevaluation, die Peer-Evaluation, die formative und summative Evaluation. Danach werden, der geforderten Standardisierung gemäß, übliche Bewertungsskalen vorgestellt. Prüfungen sind hier nicht unbedingt notwendig. Sie können jedoch als Evaluierungsinstrument in angemessener Weise einbezogen werden. Daher werden für PBL ge­eignete Prüfungsformen erläutert. Grundsätzlich stehen bei der Evaluation die Entwicklungs­fähigkeit der Lernenden, der Gruppe als Team, der Lehrenden und die institutionellen Rahmenbedingungen im Vordergrund.


4.7.1 Gütekriterien und Evaluation

Barrows (1980, S. 114-115; 2000) hat vorgeschlagen, zu den im Bildungsbereich gängigen Gütekriterien Objektivität, Validität und Reliabilität als viertes Kriterium die Durchführbarkeit [Feasibility] hinzuzufügen.

Selbstevaluation
Die Selbstevaluation erfolgt in der Regel standardisiert nach jeder Problemaufgabe und nach jedem Modul. Die Fähigkeit, den eigenen Lernfortschritt und den der anderen adäquat einzuschätzen, ist für die Entwicklung der Fähigkeit zum lebenslangen selbstgesteuerten Lernen fundamental ( Weber 2004).
  1. Selbstevaluation aus der Perspektive des Lernenden: Der Lernende beurteilt seine Aktivität als selbstgesteuerter Lerner, die Produktivität beim Problemlösen, den Beitrag zum Lernklima und die eigene Lernentwicklung in Bezug auf die erforderlichen Kompetenzen.
  2. Selbstevaluation aus der Perspektive des Lernbegleiters: Der Lernbegleiter evaluiert seine Unterstützung der Lernenden, das Ermöglichen und Erleichtern des Lernprozesses und die Organisation.
  3. Die Selbstevaluation der Ausbildungsinstitution: Die Institution richtet die Parameter der Selbstevaluation auf Ziele und Werte, Module, Organisation, Zusammenarbeit, institutionelle Voraussetzungen (wie z.B. ausreichende Anzahl von Räumen, eine entsprechend gut ausgestattete Bibliothek, Zugang zum Internet, Umgang mit Ressourcen und Kontakt zu anderen Institutionen).
  4. Instrumentarien zur Selbstevaluation: Neben den standardisierten Beurteilungsbögen bietet das „ Portfolio “ den Lernenden wie auch Lernbegleitern eine hilfreiche Unterstützung zur Selbstevaluation. Es enthält - einer Künstlermappe vergleichbar - repräsentative Arbeiten wie Referate, Mindmaps, multi­mediale Produkte oder Präsentationen. Die Aussagekraft eines „Portfolios“ ist sehr fundiert, weil sie einer Bildungsbiographie gleicht.
Peer-Evaluation
Die Selbstevaluation wird im Anschluss mit Hilfe der Fremdevaluation abgeglichen. Die Beurteilung durch Kommilitonen, die Peer-Evaluation, ist neben der des Lernbegleiters von großer Bedeutung. Das gegenseitige Feedback fördert eine adäquate Selbst- und Fremd­einschätzung.

Formative Evaluation
Ein selbstverständlicher Bestandteil ist die Rückmeldung in einem Beurteilungsgespräch während des Lösungsprozesses, beispielsweise nach dem Festlegen der Lernziele. Sie wird als „formative“ oder „fördernde“ Evaluation bezeichnet. Dem Lernbegleiter stehen für den gesamten Lernprozess Beurteilungsbögen zur Verfügung, anhand derer er den Entwicklungsstand der Lernenden unmittelbar reflektieren kann. Die Kriterien beziehen sich auf Kompetenzen, Motivation und Mitarbeit. So wird dem Lernenden gespiegelt, wo er steht und wann er ein zusätzliches, spezifisches Lernen braucht.

Summative Evaluation
Am Ende einer Problemaufgabe und eines Moduls beurteilen die Lernenden und Lernbegleiter mit Hilfe von Bewertungsbögen den gesamten Lernprozess. Diese Beurteilung wird summative Evaluation genannt. Hier fließt die Selbstevaluation und Fremdevaluation mit ein. Die Lernenden beurteilen Parameter zum Lernprozess und zum Lernbegleiter.
Der Lernbegleiter sollte anhand standardisierter Bögen den Lernprozess von jedem einzelnen Lernenden, die Ergebnisse und damit den Lernstand und die Entwicklung von Kompetenzen, die Effektivität des Problems und des gesamten Moduls beurteilen. Im Schlussgespräch wird die summative Evaluation reflektiert. Sie kann durch Prüfungen ergänzt werden.
Die Institution sammelt alle Evaluationsbögen und wertet sie aus. Im Vordergrund steht der Lernerfolg, die Eignung von Problemen, die Qualität der Lernbegleiter und die Zufriedenheit aller Beteiligten.

Bewertungsskalen
Für eine standardisierte Evaluation eignen sich, je nach Kontext, verschiedene Bewertungsskalen.

Schriftliche Rückmeldung
Die Bewertung erfolgt in der Regel über Punkteskalen (Scores) von 1-5. Die Produktivität der Lerngruppe ist ein zentraler Punkt für das Lernen. Mit diesem Beispiel werden unterschiedliche Evaluations-Skalen erläutert:

Evaluations-Skala 1:

Kriterium

1

2

3

4

5

Wir sind eine produktive Lerngruppe

 

 

 

 

 

(Im englisch- oder französischsprachigen Raum ist die Punktwertung oft genau entgegengesetzt: von 5 = “To an exemplary extent” bis 1 = “not at all”)
Die Darstellung der standardisierten Parameter kann auf unterschiedliche Weise erfolgen:


Evaluations-Skala 2

Die nächste Tabelle zeigt eine Beurteilung mit Hilfe von Symbolen. Diese Gestaltung bietet sich besonders für Kinder an.

Evaluations-Skala 3

Die Skala mit einer Einteilung von drei Symbolen ist eine weitere Variante, besonders für sehr junge Kinder.

Evaluations-Skala 4

 

 

Mündliche Rückmeldung
Das sogenannte „ Blitzlicht “ eignet sich für eine schnelle mündliche Rückmeldung. Dabei antwortet nacheinander jeder in der Runde auf eine bestimmte Frage mit einem oder zwei kurzen Sätzen.
Die kürzeste Variante ist das Antworten über Zeichensprache. Alle können gleichzeitig ihre Einschätzung über ein non-verbales Zeichen geben. Eine Möglichkeit ist der gehobene oder gesenkte Daumen. Die Stellung des Daumens nach oben (gut) oder nach unten (schlecht) zeigt die Einschätzung an. Abstufungen sind durch die Daumenstellung zur Seite (mittel) möglich. Vgl. auch weiterführend im Methodenpool Feedback und Reflecting Teams .


4.7.2 Prüfung

Vorbemerkung
Oft stehen bei PBL Begriffe wie Assessment, Test, Evaluation, Qualifikation, Lernzielkontrolle, Leistungsbeurteilung, Kompetenzmessung als Synonym für Prüfungen, die sich von einem traditionellen Vorgehen unterscheiden. Das Abprüfen von isolierten Fakten beispielsweise durch Multiple-Choice-Konzepte oder ähnlich zertifizierte Tests ist für PBL unpassend. Reine fachorientierte Fragen entsprechen nicht den bei PBL gelernten Fähigkeiten. Die Prüfungen sind dann sinnvoll, wenn sie - den pädagogischen Zielen gemäß - beim Abfragen von erworbenem Wissen die Skills für den Umgang mit Problemen, dem Verständnis und dem Reasoning berücksichtigen. Das Reasoning sollte innerhalb der Prüfung im Vordergrund stehen, wobei die oben genannten Gütekriterien der Evaluation gewährleistet sein müssen. Weiterhin sollte sie motivierend und praktikabel sein. Grundsätzlich sollten alle Evaluationen und Prüfungen gut auf PBL abgestimmt sein, weil die Lernenden sonst in einen Konflikt mit den Lernstrategien geraten und die positiven Effekte von PBL verhindert werden. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, eine PBL-Prüfung sinnvoll zu arrangieren. Einige geläufige Varianten werden im Folgenden angeführt.

Mündliche Prüfung: Mündliche Examina eignen sich besonders gut. Der Prüfer kann sich auf den Prüfling einstellen und seine Gedankengänge gut beurteilen ( Barrows 2000, S. 102)

“Triple Jump”: Beim sogenannten „Triple Jump“ wird eine Problemaufgabe in ähnlicher Weise bearbeitet, wie vorher gelernt wurde. Er wurde an der McMaster Universität in Kanada entwickelt ( Barrows 2000, S. 107-108) und ist heute in unterschiedlicher Form Bestandteil vieler Curricula. Das Prinzip ist immer gleich. Der „Triple Jump“ besteht aus drei Teilen: Im ersten Jump werden Lernziele nach der Konfrontation mit einem Problem festgelegt, der zweite besteht aus dem Eigenstudium zu den Lernzielen, während der dritte die Präsentation der Lösung impliziert. Unterschiede bestehen in der zeitlichen Begrenzung des Prüfungsablaufes oder der Lösungspräsentation etc. Die Prüfung ist als Einzel- und als Gruppenprüfung sinnvoll.
 
 
 

Online-Prüfung: Prüfungen können auch virtuell erfolgen. Ein problemorientiertes e-Learning Programm mit integrierter Auswertung ist eine praktikable Variante wie beispielsweise der oben beschriebene Ablauf beim dPBL. Der „Triple Jump“ kann dem Online-Ablauf auch zugrunde gelegt werden, allerdings ist die konkrete Durchführung recht aufwändig.

Circuit-Prüfung: Die Circuit-Prüfung hat, ähnlich wie beim Zirkeltraining, verschiedene Stationen mit unterschiedlichen Testgebieten. Diese Prüfung entspricht der von Roland Harden Ende der 70er ursprünglich als „Objective Structured Clinical Examination“ (OSCE) oder „Clinical Practice Examination“ (CPX) konzipierten „multiple station examination“ ( Barrows 2000, S. 105). Eine Problemsituation wird entsprechend inszeniert: In der Medizin beispielsweise ein Notfall, bei der Feuerwehr ein Unglücksfall, in der Schule eine eskalierende Gewaltsituation. Die Lernenden haben als Gruppe an jeder Station anderthalb Minuten Vorbereitungszeit, während die einzelnen Stationen etwa fünf bis zehn Minuten dauern. Die Teilnehmer arbeiten insgesamt unter Zeitdruck. Jeder übernimmt bei der Durchführung eine Rolle. Sie müssen sich also sehr gut untereinander organisieren und schnell auf neue Situationen einstellen.

Simulierte Situation: Im praktischen Bereich bietet sich das Bearbeiten von simulierten Situationen an. Schauspieler oder angeleitete Personen simulieren exemplarisch Patienten, Klienten, Beamte, Mitschüler oder entsprechende Personen. Der Prüfling löst die gestellte Problemsituation im Rollenspiel auf. Die Interaktion steht hier im Vordergrund. Zur Objektivierung kann die Prüfungssituation mit einer Video-Kamera aufgezeichnet werden.

 

 4.8 Curriculum

Bei einem PBL-Curriculum liegt die größte Bedeutung in der Problemauswahl: „The problems chosen represent the curriculum in problem-based learning.” ( Barrows 2000, S. 121) Die Entwicklung von Fallbeispielen ist in der Regel die Aufgabe von Problemdesignern oder Koordinatoren. Die Fallbeispiele werden modularisiert, so dass ein oder mehrere Fallbeispiele ein Modul ergeben. Die Module werden systematisch aufeinander aufgebaut. Anfangs sind sie unkomplizierter, um nach und nach immer anspruchsvoller zu werden. Die Verantwortung für den Lehr-Lernprozess liegt nicht mehr auf den Schultern einzelner Lehrer, sondern wird auf alle gleich verteilt. Die im Curriculum verankerte Grundeinstellung muss jeder Lehrer vertreten, weil sonst der Erfolg gefährdet ist ( Albanese & Michell 1993). Damit kann die Autonomie der Lehrer, den Unterricht ganz individuell nach persönlichen Vorstellungen zu gestalten, mehr oder weniger eingeschränkt sein. Dies beinhaltet eine große Herausforderung an das gesamte Lehrer-Team. Ein PBL-Curriculum erfordert Veränderung und ständige Entwicklung. Die Umsetzung und Flexibilität muss also von allen Lehrern mitgetragen werden. Nicht jedes traditionell ausgebildete Lehrer-Kollegium kann auf die notwendigen Ressourcen zurückgreifen. Entsprechende Fort- und Weiterbildungen zur Befähigung aller einzelnen Lehrer sollten vor Beginn einer Umstellung erfolgen, weil die Wirksamkeit von PBL durch einzelne Lehrer oder Ausbilder behindert werden kann.
Die positiven Impulse von PBL entfalten sich aus der Sicht vieler PBL-Lehrender am besten, wenn das ganze Curriculum auf PBL abgestimmt ist ( Barrows & Tamblyn 1980; Solomon 2005). Andernfalls würden die Lernenden durch verschiedene Botschaften (z.B. zur Rolle des Lehrers) beim Lernen irritiert. Da viele Entscheidungsträger erfahrungsgemäß nicht auf die Wirkung von PBL vertrauen, folgt daraus eine deutlich höhere Akzeptanz von Curricula, die PBL nur als einen Teil integrieren. Dabei werden die daraus resultierenden Irritationen nicht immer bedacht. Gegen einen solchen monomethodischen Einsatz spricht aber andererseits das Postulat der Methodenvielfalt der konstruktivistischen Didaktik.


4.8.1 Die Rolle der Institution

Für die Implementierung sollten als erstes die pädagogischen Ziele festgelegt werden, aus denen sich die jeweilige Gestaltung des Problem-Based Learning und des Curriculums ergibt. Sie prägen die Entscheidung, ob die lehrerzentrierte oder die studentenzentrierte PBL-Variante geeignet ist. Das Festlegen der pädagogischen Ziele obliegt der Institution, der Fakultät, dem Kultusministerium oder einer entsprechenden Instanz.
In Abhängigkeit der Lehr-Lernziele sollten für die Erstellung des PBL-Curriculums folgende Faktoren Berücksichtigung finden und institutionell geklärt werden:

  • Person oder Gruppe, die die Fallbeispiele auswählt
  • Zusammenhang für den das Fallbeispiel ausgewählt wird
  • Form, in der das Fallbeispiel präsentiert wird
  • Rollenverständnis vom Lernenden bzw. Lernbegleiter
  • Ressourcen, die genutzt werden sollen
  • Sozialform (Gruppengröße etc.)
  • Lernablauf
  • Assessment

In die Überlegungen sollten auch die finanziellen Mittel und die institutionellen Voraussetzungen wie Räumlichkeiten, Medien, Lehrerbestand, Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten einfließen.
Für die Gestaltung empfiehlt sich eine Einteilung der Unterrichtsinhalte in Lerngebiete, die mit PBL unterrichtet werden sollen. Die Fachlehrer tragen alle wichtigen Themen und Inhalte aus ihrem speziellen Bereich zusammen, um Koordinatoren die Konstruktion von Fallbeispielen - den Anforderungen entsprechend - zu ermöglichen. In der Regel werden aufeinander aufbauende Module für jedes Semester entworfen. In regelmäßigen Abständen treffen sich die Fakultäts- bzw. Institutsmitglieder zur Evaluation der Probleme. Es wird überprüft, ob sie für neue Forschungsergebnisse tauglich sind. Auf diese Weise ist die gesamte PBL-Gestaltung immer in Bewegung und offen für Veränderungen.


4.8.2 PBL-Curriculum Modi

Vorbemerkung
In der praktischen Umsetzung von PBL im tertiären Bildungsbereich kristallisieren sich bei der Gestaltung von Curricula acht zentrale Varianten ( Savin-Baden 2004) heraus, die auf die anderen Bildungsbereiche übertragbar sind:
 
 
  1. Singuläres Modul [Single modul approach] Das Singuläre Modul wird oft nach dem Vorbild des McMaster-Designs aufgebaut: Kleine Gruppen von Lernenden bekommen ein Fallbeispiel für eine bestimmte Zeit, in der sie sich zwei- oder dreimal mit dem Lernbegleiter treffen. Der Lernbegleiter ist häufig als Ressource zu verstehen und agiert in der Rolle eines „Floating Facilitators“ (siehe Kapitel 5.5.3.3). Dieses Modul unterscheidet sich häufig deutlich von der gewohnten Lernweise. Beispiele gibt es im Ingenieurstudium, der Englischen Literatur ( Savin-Baden 2004) oder der Physiotherapie-Ausbildung an der Berufsfachschule für Physiotherapie der GFEB mbH München.
  2. PBL als “Schnürsenkel” [Problem-based learning on a shoestring] Dieses PBL-Modell ist sehr kostengünstig und bezieht sich lediglich auf einige Teile des Studiums. Es wird nur von wenigen Tutoren getragen und ist mit dem Einverständnis der Fakultät in Teilbereichen des Curriculums verankert, wobei PBL-Module (in der Regel in Anlehnung an McMaster-Module) und fachorientierte Phasen nacheinander erfolgen. Allerdings sind die Probleme eher themenbasiert und nicht interdisziplinär. Diese Form ist sehr oft zu finden, obwohl sie für die Lernenden bei nicht hinreichender Abstimmung und tatsächlich relevanten Problemen irritierend und nicht selten frustrierend sein kann.
  3. “Trichter Modus” [The funnel approach] Dieses Curriculum wird von einem Team oder der Institutsleitung gestaltet. Im ersten Jahr sollen die Lernenden mit dem „Lecture-Based Learning“ fachorientierte Vorlesungen, Tutorien und Seminare, in denen die Literatur vorgegeben wird, besuchen. Im zweiten Jahr steht das „Problem-Solving Learning“ im Vordergrund und im dritten Jahr arbeiten die Lernenden mit dem „Problem-Based Learning”. Die Begründung für dieses Modell ist vielschichtig. Die Dozenten fühlen sich für die Lernenden verantwortlich und glauben, dass diese auf PBL vorbereitet werden sollten, weil das selbstgesteuerte Lernen zu anspruchsvoll ist. Sie wollen ein Scheitern von PBL durch die langsame Hinführung über das „Lecture-Based Learning“ und das „Problem-Solving Learning“ verhindern, um so ein breites Wissensfundament zu schaffen und schrittweise die Prinzipien von PBL zu erarbeiten.
  4. Der Grundlagen-Modus [The foundational approach] Dieser Modus wird für naturwissenschaftliche und Ingenieurs-Curricula gewählt. Hier besteht die Notwendigkeit einer Wissensbasis oder spezieller Fertigkeiten, um Probleme zu lösen. Im ersten Jahr werden anhand von Vorlesungen, Tutorien und Laboratorien Grundlagen und Konzepte vermittelt. Im zweiten erfolgt anfangs eine Einführung in das Konzept von PBL und die Möglichkeit zu gruppenfördernden Aktivitäten. Den Lernenden soll der Umgang mit Problemen erleichtert werden. In dieser Phase ist die Betreuung durch den Lernbegleiter intensiv. Im dritten Jahr bekommen die Lernenden schließlich ein Problem direkt von der Industrie bzw. sehr authentische Fallbeispiele gestellt. Dafür wird die Notwendigkeit von Grundlagenwissen vorausgesetzt.
  5. Der zweigleisige Modus [The two-strand approach] Der zweigleisige Modus existiert in Curricula, mit denen die Tutoren das Optimale von PBL und anderen Lehr-Lernmethoden verbinden möchten, besonders bei Studiengängen, die Studien­anteile anderer Universitäten beinhalten. Beispielsweise haben Wirtschaftswissenschaftler und Sozialarbeiter oft Seminare an der Juristischen Fakultät, die nicht mit PBL operieren. Auf diese Weise laufen zwei unterschiedliche pädagogische Stränge parallel. Neben PBL-Modulen werden gleichzeitig ergänzende Seminare ohne PBL angeboten, die pädagogisch so aufbereitet sind, dass sie im Sinne von PBL möglichst nicht kontraproduktiv wirken.
  6. Patchwork PBL [Patchwork Problem-Based Learning] Patchwork PBL ist eine komplexe curriculare Variante, die Studenten oft als schwierig und verwirrend erleben. Das gesamte Curriculum basiert auf der Grundlage von PBL. Allerdings werden parallel verschiedene, voneinander unabhängige Module angeboten, deren Dauer unterschiedlich ist. Dieser Modus ist vor allem in den USA zu finden. Andererseits entspricht dies heute auch einem Anforderungsprofil, das typisch für viele Berufe geworden ist.
  7. Der integrative Modus [The integrated approach] Der integrative Modus basiert auf den Prinzipien von PBL nicht nur im Sinne einer pädagogischen Strategie, sondern als curriculare Grundeinstellung. Er entspricht dem spiralförmigen Curriculum vom „McMaster Modell“, das sich aus aufeinander aufbauenden Modulen zusammensetzt. Multiple-choice Fragen und inadäquate Examina können dieses integrative Modell jedoch schnell unterwandern.
  8. Das komplexe Modell [The complexity model] Das komplexe Modell existiert in der universitären Bildung. Hier werden im Curriculum verschiedene Themen, Disziplinen und Universitäten miteinander verbunden. Dieses Curriculum wird als pädagogisches Projekt zur Identitätsentwicklung mit drei Anteilen verstanden: Wissen, Handlung und Persönlichkeit. “The curricula in science and technology courses are heavily weighted towards the knowledge domain. The domains are held seperate (there is little or no integration between the domains). The arts and humanities curricula are also heavily weighted by the self domain. In the professional subject areas, there is a high degree of integration across the three domains.” ( Barnett & Coates 2002; Savin-Baden 2004) Ziel ist ein durch die Auseinandersetzung mit anderen Fachgebieten bedingter Perspektiven­wechsel. Auf diese Weise haben die Studenten in der höheren Bildung die Möglichkeit, sich anhand verschiedener Modelle Wissen, logisches Denken und die Metakognition anzueignen und werden in die Lage versetzt, eigenständig die persönlichen und fachlichen Fähigkeiten zu evaluieren. Bei diesem Modus entfalten sich die Vorzüge von PBL am besten.