Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

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3.1. Theoretische Begründung

Zur Effektivitätssteigerung der Ausbildung wurde in den 1960er Jahren in Kanada das Problem-Based Learning (PBL) zu einem erfolgreichen pädagogischen Konzept für das Medizinstudium entwickelt. PBL versprach in dieser Form die Förderung von fachlichen, methodischen, personalen und sozialen Kompetenzen als Voraussetzung, sich in der Arbeits- und Lebenswelt gut zu behaupten. Das fand weltweit steigende Beachtung. Im Jahr 2000 übertrug Handgraaf PBL in Deutschland unter dem Namen „Problem-orientiertes Lernen (POL)“ auf die Physiotherapie. Die Schreibweise mit dem Bindestrich, also „problem-orientiert“ statt „problemorientiert“, soll im Folgenden eine Abgrenzung zu anderen problemorientierten Ansätzen verdeutlichen. Handgraaf gab neue Impulse durch eine Fortbildung der AG Lehrer zum Thema „Problemorientiertes Lernen“, wobei dieser Begriff hier dem „Problem-Based Learning (PBL)“ entspricht. Auch das Lehrer-Team der Schule für Physiotherapie am Kantonsspital in Zürich sorgte fast gleichzeitig mit Fortbildungen zum „Züricher POL-Modell“ für Veränderungen im Denken von einigen Kollegen. Hier gab es eine Unzufriedenheit über die methodische bzw. didaktische Tradition physiotherapeutischer Fort- und Weiterbildungen, auf die unter den Beispielen noch näher eingegangen wird. Der Einsatz von PBL bzw. POL in der Ausbildung für Gesundheitsberufe hat sich besonders ausgeprägt entwickelt, denn sowohl die World Health Organisation (WHO) (1993) als auch die World Bank (1993) haben PBL als geeignete pädagogische Strategie in Gesundheitsberufen befürwortet (Glen & Wilkie 2000).

Neben Argumenten aus der Gehirnphysiologie ( Roth 1992) und der Systemtheorie ( Maturana 1987); Varela 1987; Luhmann 1990) bildet für das Problem-Based Learning besonders die moderne konstruktivistisch beeinflusste Kognitions-Psychologie das wichtigste theoretische Fundament. Gijselaers (1996, S. 14-17) betont, in Anlehnung an Glaser (1991), drei wesentliche Grundprinzipien des Lernens und der Instruktion:

  1. Erstens ist das Lernen ein Konstruktions- und kein Rezeptionsprozess. Die Erinnerung erfolgt über bestimmte Anregungen assoziativ. Das abrufbare Wissen ist im Gedächtnis in semantischen Netzwerken miteinander verbunden ( Bruer 1993 ; Bruning, Schraw & Ronning 1995). Lernen erfolgt also, je nach existierendem Vorwissen und dessen Verbindungen, sehr unterschiedlich: Neue Erfahrungen werden in bestehende netzwerkartig organisierte Denkstrukturen eingewoben und gegebenenfalls werden zusätzliche Verbindungen geknüpft oder ganze Umstrukturierungen angeregt. Das Design des Problem-Based Learning kommt der Verwirklichung dieses Grundprinzips in allen verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten entgegen, weil der Lösungsprozess nach reichs konstruktivistischer Didaktik neben der Rekonstruktion (Wiedergabe) im Wesentlichen die Konstruktion (Erfindung) von Wissen erfordert, die in der Anwendung zur Dekonstruktion (Enttarnung) führen kann.
  2. Zweitens verstärkt das Wissen über das Wissen (Metakognition) die Lernmotivation ( Glaser 1991; Bruer 1993; Bruning, Schraw & Ronning 1995). Die Selbsteinschätzung und -überwachung spielt beim Lernen, insbesondere bei der Zielsetzung, der Auswahl der Vorgehensstrategie und der Evaluation eine zentrale Rolle. Das Beherrschen der metakognitiven Fähigkeiten unterscheidet den Experten deutlich vom Laien. Die Entwicklung der Metakognition hat dementsprechend einen hohen Stellenwert für das Lernen. Die Reflexion des eigenen Wissens wird aus diesem Grund bei PBL in allen Phasen explizit unterstützt.
  3. Drittens wird das Lernen von kontextuellen und sozialen Faktoren beeinflusst ( Mandl, Gruber & Rankl 1993; Boshuizen 1995; Bruning, Schraw & Ronning 1995). Die Fähigkeit, Wissen in die reale Praxis zu transferieren, zeigt eine eindeutige Abhängigkeit von der Art und Weise der Vermittlung.

Als theoretischer Hintergrund kommen bei der neueren Entwicklung von PBL-Modellen Ergebnisse aus der kognitiv orientierten Instruktions-Psychologie zum Tragen. Hierbei handelt es sich um dieselben Ansätze, aus denen das „Situierte Lernen“ hervorgegangen ist. Es besteht die Annahme, dass „...Lernen immer eine Auseinandersetzung einer Person mit Gegenständen in einer bestimmten Situation ist.“ ( Gräsel 1997, S. 32) Demnach ist Lernen immer situations- und kontextgebunden ( Law & Wong 1996). Diese Theorien beziehen sich zum einen auf die Gestaltung des „Problems“ und zum anderen auf die Rahmenbedingungen des Lernprozesses. Gijselaers (1996) weist als theoretische Stütze besonders auf zwei entgegengesetzte Modelle des „Situierten Lernens“ hin: „Anchored Instruction“ ( Collins et al. 1989) und „Cognitive Apperenticeship“ ( Bransford & Franks et al. 1989). Die „Anchored Instruction“ nutzt als Lernumgebung einen narrativen „Anker“, um das für die Identifizierung und Definition von Problemen notwendige Interesse beim Lernenden zu wecken, wodurch das Wahrnehmen und Verstehen der jeweiligen Probleme angeregt wird. Der Ansatz des „Cognitive Apprenticeship“ nutzt die anwendungsorientierten Vermittlungsprinzipien der Handwerkslehre im Umgang mit komplexen Fragestellungen in kognitiven Wissensgebieten. Diese Theorien betonen beide die Wichtigkeit des Praxisbezugs von Wissen, Fähig- und Fertigkeiten beim Lernen. Authentische „Probleme“ als Einstieg in das problem-orientierte Lernen bietet die geeignete Umsetzungsmöglichkeit dieser Forderung.

“Methods which are permanently successful in formal education ... go back to the type of situation which is causes reflection out of school in ordinary life. They give pupils something to do, not something to learn; and the doing of such a nature as to demand thinking, or the intentional noting of connections; learning naturally results” ( Dewey 1916, 1944, S. 154).

Der Unterschied zwischen den beiden genannten Modellen besteht hauptsächlich in der instruktionalen Unterstützung. „Anchored Instruction“ nutzt sie sehr viel weniger als „Cognitive Apperenticeship“.

Gräsel (1997) erwähnt ein drittes Modell: die „Cognitive Flexibitity Theory“ ( Spiro et al. 1992). Im Zentrum dieser Theorie steht der Blick aus vielen Perspektiven auf eine bestimmte Problemsituation. Wie „Cognitive Apprenticeship“ operiert sie mit verstärkter instruktionaler Unterstützung.

Nach den Untersuchungen von Reinmann-Rothmeier & Mandl (2000) wird die Lerneffektivität durch eine Begleitung erheblich gesteigert. Die instruktionale Unterstützung in den verschiedenen Richtungen des problemorientierten Lernens variiert bei der Umsetzung deutlich. Die gesamte Bandbreite von sehr geringer bis hin zu sehr intensiver Hilfestellung schlägt sich in den einzelnen Modellen nieder. Nach den Erkenntnissen von Vygotsky (1978) wird besonders im sozialen Kontext sehr erfolgreich gelernt, weil dieser die kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten und damit Verstehen und Wissen fördert. Bruning, Schraw & Ronning (1995) unterstützen diese Theorie und bestätigen, dass Lernen in kleinen Gruppen am effektivsten ist, wenn die soziale Natur des Lernens berücksichtigt wird. Es hilft den Lernenden, wissenschaftliches Arbeiten zu verstehen ( Gijselaers 1996).
Bildung ist nach Goeudevert (2001) „ein aktiver, komplexer und nie abgeschlossener Prozess, in dessen glücklichen Verlauf eine selbständige und selbsttätige, problemlösungsfähige und lebenstüchtige Persönlichkeit entstehen kann“. In der freien Enzyklopädie WIKIPEDIA (2005) werden die Aussagen von Goeudevert (2001) folgendermaßen zusammengefasst:
Bildung kann daher nicht auf Wissen reduziert werden: Wissen ist nicht das Ziel der Bildung, aber sehr wohl ein Hilfsmittel. Darüber hinaus setzt Bildung Urteilsvermögen, Reflexion und kritische Distanz gegenüber dem Informationsangebot voraus; andernfalls handelt es sich eher um Halbbildung. Dieser ganzheitliche Bildungsbegriff steht für den lebenslangen Entwicklungs­prozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen Kompetenzen erweitert.
Die neue konstruktivistische Sichtweise vom Lernen stützt sich auf den situierten Lernbegriff, der auf Handlung, Wachstum und konstruktivem Lernen in angemessener Lernumgebung basiert.
Reich vertritt die neue konstruktivistische Sichtweise konsequent in seinem Ansatz der konstruktivistischen Didaktik. Er verdeutlicht z.B. die neuen Eigenschaften eines konstruktiven Lernens aus dieser Perspektive ( Reich 2005, S. 6). Es ist:

  • lernerzentriert
  • multimodal im Unterricht
  • an Handlungen objektiviert
  • muss partizipativ erarbeitet werden
  • selbst organisiert
  • viabel (passend)
  • beziehungsorientiert

 

  • multimedial
  • wachstumsorientiert
  • systemisch orientiert
  • subjektiviert im Team
  • konstruktiv handelnd
  • risikobereit und rebellisch

Die drei folgenden Schritte sind für konstruktivistisches Lernen eine Voraussetzung: Entdeckung (Rekonstruktion), Erfindung (Konstruktion) und Enttarnung (Dekonstruktion). Hinzu kommt in der konstruktivistischen Didaktik die aktive Entwicklung von drei Rollen, wodurch der Lernende (Schüler) immer auch als Lehrender aktiviert wird:

  • Beobachter im Lernprozess.
  • Aktiver Teilnehmer, der an der Auswahl der Intentionen, Inhalte und Methoden sowie Medien partizipiert.
  • Akteur, der handelnd und experimentell ausprobieren und evaluieren kann, was er als Handlungsentwurf geplant hat.

Die dargelegte Einstellung zur Bildung und zum Lernen erfordert Konsequenzen bezüglich der Vermittlung von Lerninhalten im PBL: Die kognitiven Lerninhalte („Wissen“) können nach 2 Kriterien angeordnet werden: sachlogisch oder problemorientiert.

Der sachlogischen (fachsystematischen) Strukturierung entspricht die Methode des “Subject-Based Learning” (SBL). Hier gibt der Lehrer das Wissen vor und der Schüler rekonstruiert es. Das wurde in den traditionellen Vorlesungen und direktiv angeleiteten Praktika der Universität (z.B. in der Medizin) in reiner Form realisiert. Das SBL erweist sich als lerneffektiv bei der Vermittlung des Überblicks eines Fachgebietes; es ist aber für den Transfer auf den konkreten Einzelfall in der Praxis oft schwierig umzusetzen.

Der problemorientierte Zugang (wie bei PBL) richtet sich im Gegensatz dazu in der inhaltlichen Strukturierung nach den Schritten des Problemlösens. Er ist damit verständnisorientiert. Am Anfang steht ein konkretes Problem (Fallbeispiel). Das Problem ist dann schrittweise fragend-entwickelnd („genetisch“) und möglichst selbständig vom Schüler - hier in der Rolle des „Lernenden“ - zu lösen: Der Lehrer ist mehr Arbeitsmoderator, als Wissensvermittler; daher gilt für ihn in dieser Funktion grundsätzlich die Bezeichnung des „Lernbegleiters“, wobei er in Modellen des Studiums oder der beruflichen Ausbildung in der Regel „Tutor“ oder auch „Facilitator“ genannt wird. Entscheidend für den gesamten Lernprozess ist die am Anfang stehende Problematik, die den Spielraum für offene Lösungen impliziert. Die Form und die Komplexität des Problems richten sich primär nach der pädagogischen Zielsetzung, der Lerngruppe und dem Lernumfeld. Die Unterschiede von SBL und PBL sollen in einer Gegenüberstellung gezeigt werden:

Problem-Based Learning vs. Subject-Based Learning (vgl. Smith 1995)

Eine problemorientierte Lernumgebung erfordert für Mandl (2003) grundsätzlich folgende Kontexte:

  • Authentische Kontexte
  • Multiple Kontexte
  • Soziale Kontexte
  • Instruktionale Kontexte

Diese Forderungen beziehen sich auf die Art des Problems (authentische und multiple Kontexte) und die Interaktion von Schülern bzw. Lernenden und Lehrern bzw. Lernbegleitern im Lehr-Lernprozess (soziale und instruktionale Kontexte).
Um problemorientierte Konzepte voneinander abzugrenzen, soll hier auf weitere Aspekte eingegangen werden. Diese ordne ich spezifischen Ebenen zu, die für die Analyse des PBL-Konzeptes richtungsweisend sind. Sie bieten sich gleichzeitig für den Vergleich von problemorientierten Konzepten an:

Analyse-Ebenen für problemorientierte Konzepte

  • Ebene der Lernziele
  • Ebene des Problems
  • Ebene des Rollenverständnisses von Schülern (Lernenden) und Lehrern (Lernbegleitern)
  • Ebene des Lernablaufs (Problemlöseprozesses)
  • Ebene der Evaluation (Beurteilung)
  • Ebene der Prüfung
  • Ebene der Curriculumgestaltung

zu 1) Ebene der Lernziele

Eine auf Handlungen bezogene Bildung verdeutlicht die Wichtigkeit, neben reiner Wissens­vermittlung das Erlernen bestimmter Kompetenzen zu fördern. Diese beinhalten Aspekte wie:

  • Wissen und Verstehen
  • Fähigkeiten und Fertigkeiten (Skills)
  • Einstellungen und Haltungen

Aus den Kompetenzen lassen sich beim problemorientierten Zugang die Lernziele (metakognitive, kognititve, psychomotorische, affektive bzw. soziale) ableiten. Wesentliche Kompetenzen sind ( Weber 2004):

  • Sach-Kompetenz
  • Personal-Kompetenz
  • Sozial-Kompetenz
  • Methoden- und Medien-Kompetenz
  • Problemlöse-Kompetenz
  • Handlungs-Kompetenz


zu 2) Ebene des Problems

Das Wort „Problem“ ist sehr vielschichtig und kann in einzelnen problemorientierten Konzepten mit sehr unterschiedlichen Assoziationen besetzt sein. Im Allgemeinen meint ein Problem eine schwer zu beantwortende Frage, eine schwierige, noch ungelöste Aufgabe, eine Fragestellung oder Schwierigkeit. Entnommen wurde der Begriff dem griech. Problema (lat. problema): Hindernis, Schwierigkeit, gestellte (wissenschaftliche) Aufgabe, vorgelegte Streitfrage. Ursprünglich lässt er sich aus dem griech. proballein: vor-, hinwerfen, (eine Aufgabe) vorlegen, zur Besprechung vortragen, ableiten ( Pfeiffer 2003). In abgeschwächter modernerer Bedeutung impliziert dieses Wort auch Unannehmlichkeit, Schwierigkeit ( Kluge 2002).
In problemorientierten Lernumgebungen sollten authentische Situationen gewählt werden, die gleichzeitig einen herausfordernden und motivierenden Charakter vereinen. Der Grad der Komplexität von Problemen richtet sich nach der entsprechenden pädagogischen Zielsetzung und den Vorerfahrungen der Adressaten. Der problemorientierte Zugang bietet sich gerade für die Auflösung von vielschichtigen, fächerübergreifenden und interdisziplinären Fragestellungen an (multiple Kontexte). Auf diesem Weg nehmen die Fähigkeiten zum Transfer (Konstruktion und Dekonstruktion) und damit zur praxisrelevanten Handlungs-Kompetenz zu.
Wie findet man Probleme? Die größte Schwierigkeit des Ansatzes besteht darin, für die Lerner die pasenden Probleme zu finden. Sie müssen kontextualisiert genug sein, attraktiv, herausfordernd, schwierig, aber motivierend, lösbar. http://www.udel.edu/pbl/cte/jan95-chem.html oder im Artikel von Ramirez.


zu 3) Ebene des Rollenverständnisses von Schülern (Lernenden) und Lehrern (Lernbegleitern)

Die sachlogische Strukturierung erfordert von den Schülern im Sinne eines kreativen Ereignisses nur geringe Aktivität. Beim problemorientierten Vorgehen dagegen kann der Grad der Schüleraktivität sehr unterschiedlich sein. Der problemorientierte Zugang zu den Lehrinhalten ist sowohl lehrer- als auch lernerzentriert möglich. Für die Schüler ist der lehrerzentrierte Ansatz weitaus weniger aktivierend als der schülerzentrierte. Die lehrerzentrierte PBL-Variante bedeutet:
“The teacher can specify the problem to be used, the areas of study, and the resources or subjects to be studied relevant to the problem. This will develop students ' problem solving skills and involve them in the active acquisition of knowledge, but they are not challenged to learn for themselves.” ( Barrows & Tamblyn 1980, S.12)
Welcher Ansatz geeignet ist, hängt in erster Linie von den pädagogischen Zielen ab. Um einen sinnvollen Einsatz von PBL zu gewährleisten, weist Barrows (1986, S. 486) Lehrer explizit darauf hin: „Any teacher who wishes to employ PBL should decide on desired educational objectives and then select the method that fits best.” Der konstruktivistische Denkansatz fordert jedoch grundsätzlich eine hohe Aktivität und die eigenständige Organisation der Schüler für größere Teile des Unterrichts. Die lernerzentrierte Gestaltung des PBL entspricht den konstruktivistischen Anforderungen sehr gut, weil sie die Schüler zu selbstgesteuerter Aktivität anregt und die Transferleistung trainiert (Problemlöse-Kompetenz bzw. Handlungs-Kompetenz).
Im Hinblick auf die Qualität der Schüleraktivität ist die Abgrenzung zwischen dem Problem-Based Learning (PBL) und dem Problem-Solving Learning (PSL) notwendig. Savin-Baden (2003, S. 2) geht auf diese Schwierigkeit ein:
“Yet there remains confusion about the difference between problem-based learning and problem-solving learning. To summarize: in problem-solving learning, the problem scenarios are set within and are bounded by a discrete subject or disciplinary area. In some curricula, students are given specific training in problem-solving techniques, but in many cases they are not. The focus in this kind of learning is largely upon acquiring the answers expected by the lecturer, answers that are rooted in the information supplied in some way to the students. Thus the solutions are always linked to a specific curricular content which is seen as vital for students to cover for them to be competent and effective practioners. In problem-based learning, the focus is in organizing the curricular content around problem scenarios rather than subjects or disciplines. Students work in groups or teams to resolve or manage these scenarios but they are not expected to acquire a complex scenario presented to them and decide what information they need to learn and what skills they need to gain in order to manage the situation effectively”.


zu 4) Ebene des Lernablaufs

Der Lernablauf bei problemorientierten Konzepten sollte instruktional unterstützt werden. Wie viel Unterstützung gegeben wird, hängt vor allem von der Zielsetzung und der Selbständigkeit der Lernenden ab. Der Löseprozess beinhaltet bestimmte Schritte, um schnell und effizient ein Ergebnis zu erzielen. Die notwendige Anzahl dieser Schritte kann unterschiedlich und die Schrittabfolge mehr oder weniger formalisiert sein. Eine effektive Formalisierung erleichtert es, sich in komplexen Situationen selbständig zurechtzufinden.


zu 5) Ebene der Evaluation

Lernen geschieht unbewusst und bewusst. Der Blick auf das eigene Verhalten aus einer Meta-Perspektive ermöglicht das bewusste, reflektierte und kritische Umgehen mit Lernprozessen. Der problemorientierte Zugang erfordert für den Erfolg vom effektiven Lernen die Evaluation aus der Meta-Ebene, um frühzeitig ungünstiges Lernverhalten aufzudecken und ihm entgegen zu steuern. Dieser Perspektivenwechsel (Perspektive des Beobachters, des aktiven Teilnehmers, des Akteurs) ist explizit Bestandteil der konstruktivistischen Pädagogik.


zu 6) Ebene der Prüfung

Die Leistungskontrolle setzt bei einem sachlogischen Zugang Prüfungen voraus. Der problemorientierte Zugang erfordert nicht zwingend eine Notengebung. Die Evaluation auf der Meta-Ebene würde als Beurteilungsinstrumentarium ausreichen. Hilfreich ist hier eine Standardisierung.


zu 7) Ebene der Curriculumgestaltung

Das Curriculum sollte dem problemorientierten Lernen entsprechen. In der Regel dienen Problem-Szenarien als Basis, aus denen sich bestimmte Kompetenzen und Wissensbereiche ableiten lassen, die gleichzeitig den Inhalt des Curriculums bilden. Diese Gestaltung kommt den konstruktivistischen Vorstellungen vom Lernen entgegen. Rahmenvorgaben ermöglichen einen weiten Spielraum für die Aktivierung und individuelle Ausgestaltung durch die Lernenden.

 

3.2. Praktische Begründung

Die Fähigkeit, Probleme lösen zu lernen, zählt zu den entscheidenden Merkmalen der menschlichen Intelligenz. Sie ist direkt mit der Lern-, Kommunikations- und Teamfähigkeit verbunden und soll es den Menschen grundsätzlich erleichtern, sich in den immer schneller verändernden Gegebenheiten der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft zurechtzufinden. Barrows (2000) weist darauf hin, dass die meisten Probleme im Arbeitsalltag und im Leben „ill-structured problems“ sind. Sie weisen immer wieder dieselben Merkmale auf:

  1. Es wird mehr Information benötigt, um die Zusammenhänge zu erkennen,
  2. es gibt nicht nur einen Weg, die Information zu akquirieren; der Problemlöser muss fragen, ausprobieren und experimentieren, um sein Wissen zu erweitern,
  3. das Problem verlagert sich, wenn neue Information gewonnen wurde,
  4. der Problemlöser kann nie sicher sein, ob er das Problem richtig analysiert, aufgelöst oder gelöst hat.

PBL orientiert sich an diesen praktischen Bedürfnissen. Dabei steht die Entwicklung von tragfähigen Strategien zum Umgang mit mehr oder weniger komplexen Problemen oder Fragestellungen im Vordergrund.

Durch Lernen über einen Problemlöseprozess entwickelt sich aktives Wissen, wobei Zusammenhangsdenken angebahnt wird. Dieses Wissen kann geschickt in die Lebens- und Arbeitswelt übertragen und angepasst werden. Neben der Beantwortung von Fragen erhält das gezielte Vorgehen immer mehr Gewicht. Für das Erarbeiten und Aneignen von Lösungsstrategien ist das Problem-Based Learning prädestiniert. Begleitung und anschließende Reflexion unterstützen diesen Prozess.
Die Arbeit in kleinen Gruppen [Communities] mit 4-8 oder 8-12 Teilnehmern ist nicht nur lerntheoretisch, sondern vor allem auch praktisch begründet. Die Ressourcen der Gruppen­mitglieder heute üblicher oder auch möglicher Lernergruppen sollen genutzt werden. Je unterschiedlicher die Personen, desto mehr Potential besteht für den Gesamtprozess. PBL erweist sich bisher auch für Frauen und Minderheiten als effektive Pädagogik besonders im Vergleich mit traditionellen Methoden. Angesichts des alltäglichen Umgangs mit Verhaltens­weisen unterschiedlichster Menschen in der postmodernen Gesellschaft ist eine konstruktiv-diskursive Begegnung mit dem scheinbar „Fremden“ und „Anderen“ eine günstige Gelegenheit, Vorurteile abzubauen. Notwendige soziale Kompetenzen der demokratischen Praxis wie Vertrauen, Solidarität, Empathie, Zuhören, Erklären, Vergleichen, Diskutieren, Rücksichts­nahme, Durchsetzungsvermögen, Aushalten und Annehmen von Widersprüchen werden gestärkt oder erworben. Kreatives kritisches Denken wird gefördert. Der kleine Sozialverband bietet außerdem die Möglichkeit, unterschiedliche Rollen im sozialen „Kleinraum“ relativ geschützt zu übernehmen, um auf diese Weise Situationen aus verschiedenen Perspektiven zu erleben. Die Sicherheit, in schwierigen Situationen angemessene Auseinandersetzungen mit anderen Menschen zu führen, wächst, wodurch unangemessene, unüberlegte Reaktionen langfristig reduziert werden.
Das Einüben autonomen Herleitens von neuem Wissen mit gleichzeitiger Reflexion als Metakognition, verstärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die Selbstverständlichkeit, sich geeignete Quellen eigenständig zu erschließen, wird angebahnt und eröffnet damit eine hohe Motivation zum lebenslangen Lernen.