4. Darstellung
der Methode
>>
4.1 Die Kennzeichen der Lerninsel
>> 4.2 Die Lerninselbeteiligten
>> 4.3 Geeignete Arbeitsplätze?
>> 4.4 Die Ausstattung
>> 4.5 Verschiedene Formen der Lerninsel
>> 4.6 Evaluation
Wir
beziehen uns bei der Darstellung der Lerninsel-Methode auf Peter
Dehnbostel (Peter Dehnbostel: „Mitten im Arbeitsprozess: Lerninseln“,
Bertelsmann Verlag, Bielefeld, 2001). Trotz der immer weiter voranschreitenden
Technisierung vieler Arbeitsprozesse ist der Mensch nicht völlig
aus der Produktion fort zu denken. Es gilt heute vielmehr Mensch
und Technik miteinander zu verbinden. Um diese Verbindung in der
wirtschaftlichen Produktion zu verankern, entsteht die Notwendigkeit,
Mitarbeiter in entsprechender Weise aus- und fortzubilden. Eine
Möglichkeit, die sich hier bietet, ist er Einsatz von Gruppenarbeit.
Die Lerninsel-Methode rückt in Anbetracht dessen in das Interessenfeld
der Unternehmen.
Weitere Gründe, um in der betrieblichen Ausbildung Lerninseln
zu nutzen, ergeben sich aus der heutigen, oft komplexen Arbeitswelt,
in der es kaum mehr möglich ist, Arbeitssituationen für
Auszubildende nachzubilden und neue Anforderungen am Arbeitsplatz
„nur“ durch Lehrgänge abzudecken. Außerdem
wird es immer schwieriger und sinnloser, Theorie und Praxis im Lernprozess
zu trennen. In der Lerninsel vereinen sich Lernen, Arbeiten sowie
Handlungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung.
4.1
Die Kennzeichen der Lerninsel
Das wohl
charakteristischste Merkmal der Lerninsel ist ihre Einbettung in
den Arbeitsprozess. Nur so kann eine wirkliche Verbindung von Arbeiten
und Lernen gewährleistet werden. Die Arbeitssituation ist real
mit allen Problemen und unvorhergesehenen Situationen, sie muss
nicht (wie in so vielen Ausbildungsstätten) nachgebildet werden.
Lösungen müssen sofort bearbeitet und auch angewendet
werden.
Ein weiteres wichtiges Merkmal der Lerninsel besteht in der Aufgabenintegration,
das heißt sie verbindet Aufgaben miteinander, bei denen früher
oft Arbeitsteilung vorzufinden war. Sie verknüpft insbesondere
planende, steuernde und prüfende Funktionen mit den produzierenden.
Die Lerninsel, und somit jeder einzelne ihrer Teilnehmer, ist dafür
verantwortlich, dass die Produkt- und Prozessqualität gewährleistet
wird. Auch wenn sie eine Ausbildungsfunktion besitzt, wird der Lerninsel
keine Extrastellung im Arbeitsprozess eingeräumt. Es wird die
gleiche Arbeitsleistung erwartet.
Durch das Arbeiten in der Gruppe, das Lernen im Team werden auch
soziale Kompetenzen erlernt.
Die Lerninsel setzt sich nicht nur aus einer Berufsgruppe zusammen,
sie vereint unterschiedliche Berufsgruppen miteinander, die im Lernprozess
voneinander profitieren.
Natürlich muss eine Lerninsel auch bis zu einem gewissen Grad
angeleitet werden. Diese Aufgabe übernimmt ein so genannter
Lerninselfachausbilder oder -begleiter. Notwendig ist dafür
eine hohe fachliche Qualifikation, er muss jedoch auch auf sozialem
und methodischem Gebiet kompetent sein. Seine Funktion besteht darin,
die Gruppe zum selbständigen Lernen anzuleiten, er übernimmt
also eher die Rolle eines Beraters.
Der Lerninselfachausbilder ist auch selbst Mitarbeiter der jeweiligen
Abteilung, was die Integration in den Arbeitsprozess fördert.
In einer Lerninsel wird ständig versucht, den Arbeits- und
Lernprozess noch zu verbessern. Es findet eine Supervision statt.
Dehnbostel bezeichnet die Lerninsel somit als ein ganzheitliches
Konzept, dessen Ziel es ist, „berufliche Handlungsfähigkeit“
zu erreichen. „Die Einheit von Fach-, Methoden-, Sozial- und
Selbstkompetenz gehört zu den unverwechselbaren Kennzeichen
einer Lerninsel“ (Dehnbostel 2001, 12).
4.2
Die Lerninselbeteiligten
Peter
Dehnbostel hebt hier besonders hervor, wie wichtig es ist, dass
die Entstehung eines Lerninselprojekts von allen im Unternehmen
unterstützt wird. Er nennt hier zum Beispiel Mitglieder der
Geschäfts-, Werk- und Betriebsleitung. Das Engagement der Entscheidungsträger
ist natürlich auch der Akzeptanz dieser Form des Lernens zuträglich.
Zudem erachtet er es für sinnvoll, eine Projektgruppe einzuführen,
damit die Lerninsel aus möglichst vielen Sichtweisen und Interessen
her beurteilt werden kann. Solch eine Projektgruppe könnte
sich zusammensetzen aus Abteilungsleiter, Meister, Lerninselfachausbilder,
aber auch aus Vertretern des Betriebsrates und der Jugendvertretung
(vgl. Dehnbostel 2001, 14). Auch Auszubildende sind oft eine Bereicherung
für die Projektgruppe. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die
rechtzeitige Information der Mitarbeiter. Hier ist es ratsam, schon
in der Entwicklungsphase alle von dem Lerninselprojekt in Kenntnis
zu setzen. Es hat sich gezeigt, dass die Lerninsel dadurch weniger
isoliert und „überlebensfähiger“ wird. Da
die Lerninsel, wie schon erwähnt, im direkten Arbeitsprozess
verankert ist, müssen auch die Logistik und IT-Systeme mit
in die Planung einbezogen werden, da es der Lerninsel sonst an Arbeitsaufgaben
fehlen würde. Außerdem ist von Bedeutung, dass die Funktionen
und Kompetenzen, die die Ausbilder innehaben, für die Auszubildenden
transparent sind. Aus diesem Grund bietet sich auch ein Einführungstag
am Beginn einer Lerninsel an. (Vgl. Herz/Herzer 2000)
4.3
Geeignete Arbeitsplätze?
Nicht
jeder Arbeitsplatz ist für die Durchführung einer Lerninsel
geeignet. Als Maßstab lassen sich die durch die Arbeitswissenschaft
empfohlenen Gestaltungsmerkmale für Arbeitsplätze auf
Lerninselarbeitsplätze übertragen. Kriterien wie „Ganzheitlichkeit“,
„Anforderungsvielfalt“, „Möglichkeiten der
sozialen Interaktion“, „Autonomie und Lern- und Entwicklungsmöglichkeit“
können für die Tauglichkeitsprüfung des Arbeitsplatzes
herangezogen werden. Viele Arbeitsplätze erfüllen diese
Voraussetzungen noch nicht, aber Dehnbostel sieht gerade darin die
Chance einer Neugestaltung. Auch Herz und Herzer sehen Organisationen,
die unter einem gewissen Veränderungsdruck stehen, als geeignet
an, um mit der Lerninsel neue Wege zu gehen.
Geeignete Organisationen zeichnen sich auch dadurch aus, dass sie
bereit sind, finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen für
das Projekt zu Verfügung zu stellen. Besonders zeitliche Spielräume
sind wichtig, um Lernen zu ermöglichen.
4.4
Die Ausstattung
Da
die Lerninsel im Arbeitsprozess eingebettet ist, verfügt sie
natürlich über alle Mittel der jeweiligen Arbeitsinfrastruktur
(Maschinen, Werkzeug usw.). Sie besitzt allerdings auch eine Lerninfrastruktur,
dass heißt, es müssen Räume für die Gruppenbesprechung
zur Verfügung stehen und sonstige Materialien, die hierfür
benötigt werden (Flipchart, Schreibmaterialien usw.).
4.5
Verschiedene Formen der Lerninsel
|
„Das
geblockte Austauschmodell“: Dieses Modell zeichnet sich
dadurch aus, dass alle Auszubildenden gemeinsam die Lerninsel
beginnen und auch beenden. Nachteil dieses Modells ist die
Notwendigkeit einer starken Unterweisung. |
|
„Das
Überlappungsmodell“: Die Hälfte der Auszubildenden
vertauscht ihren Lernort mit einer anderen Lerninsel oder
einem anderen Einsatzort. Positiv ist hier der gegebene Austausch
der Lernenden. |
|
„Das
Rotationsmodell“: Viele Unternehmen bevorzugen dieses
Modell. Ein neuer Lernender kommt in die Lerninsel, wenn ein
anderer diese verlässt. Dieser führt seinen Nachfolger
ein und kann hier sein erworbenes Wissen testen. Die einzelnen
Lernsegmente der Lerninsel steigern sich in ihrem Schwierigkeitsgrad. |
4.6
Evaluation
Um einen
Maßstab zu haben, ob sich die Lerninsel in der Praxis auch
bewährt, ist eine durchgehende Auswertung der Ergebnisse und
Wirkungen nötig. Ihre Produktionsstärke ist hierfür
bestimmt ein Anhaltspunkt, reicht jedoch nicht für die Überprüfung
anderer Anliegen aus. Wichtig ist eben auch, ob sie den Merkmalen
einer Lerninsel gerecht wurde, wie ihre Einbettung in den Arbeitsprozess,
ihre realistische Aufgabenstellung, Verbindung von verschiedenen
Funktionen, ihre Wirtschaftlichkeit, Teamarbeit, Zusammenarbeit
mit anderen Mitarbeitern, auch aus anderen Berufsgruppen, gelingt.
Wie steht es mit Handlungs- und Entscheidungsspielräumen? Die
Möglichkeit der Auswertung dieser Punkte ist beispielsweise
durch einen Fragebogen gegeben, bei dem alle diese Fragen auf einer
Skala bewertet werden können. Es gibt aber auch noch andere
Messinstrumente, durch die diese Aspekte in Bezug auf ihre Einhaltung
und ihren Erfolg überprüft werden können.
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