Veranstaltungen 2013/14



Fotografie als angewandte Wissenschaft. Wissensformanden der frühen Fotografie

Vortragsreihe, 26.11.2013 - 04.02.2014


Fotografischen Handbüchern kommt heute in der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Fotografie und ihrer chemotechnischen G enese meist nur die "dienende" Rolle von Nachschlagewerken zu. Ganz anders war dies im 19. Jahrhundert, als die Traktatliteratur als das zentrale Kommunikationsmedium der unterschiedlichen fotografischen Verfahren fungierte. Die als Handbuch, Repertorium oder Katechismus bezeichneten Bücher sollten und wollten ab 1839 das neue Verfahren bewerben und die Handhabung von fotografischen Apparaten und Chemikalien lehren. Dazu mussten sie auf Wissensformationen und narrative Darstellungsmodalitäten zurückgreifen, die damit zu Formanden dieser eben erst entwickelten und - aufgrund der immer auch als defizitär erachteten Qualität der Bilder - weiter zu entwickelnden neue Bildtechnologie werden.

Zu den als Voraussetzungen und Initiatoren der Fotografie zählenden Formanden gehört die "angewandte" Wissenschaft Chemie ebenso wie die Kenntnisse und Handhabungen vermittelnden chemischen Handbücher. Neben Einführungen in die Darstellungsverfahren der Künste oder den an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert entwickelten Experimentiersystemen findet auch die Instrumentenkunde Eingang in die Anweisungsliteratur. Mehr aber noch werden die Handbücher von Aneignungs- und Übersetzungsstrategien geprägt, wie wir sie aus den zeitgleichen polytechnischen Journalen kennen. Prospektiv modellieren die fotografischen Handbücher, wenn und wie sie die Bildgebungsverfahren und die durch sie erzeugten Fotos erzählen und historisch einbetten, alle späteren Geschichten der Fotografie.

Mit diesen in so unterschiedlichen Wissensfeldern verankerten Formanden von Fotografie setzen sich die sieben Vorträge auseinander.



Programm

jeweils um 19.30-20.30 Uhr
Universität zu Köln, Philosophische Fakultät, Seminargebäude, Seminarraum S13


Dienstag, 26. November 2013

Prof. Dr. Christian Kassung, Humboldt-Universität zu Berlin

1968 in Koblenz geboren; 1988-95 Studium der Germanistik, Physik und Philosophie in Aachen und Köln;
1999 Promotion mit einer Dissertation zum Thema "EntropieGeschichten. Robert Musils 'Der Mann ohne Eigenschaften' im Diskurs der modernen Physik";
seit 2006 Professor für "Kulturtechniken und Wissensgeschichte" an der Humboldt-Universität zu Berlin, davor Vertretungsprofessuren an der Universität Siegen sowie der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz/Österreich.
Mitglied am "Helmholtz-Zentrum für Kulturtechniken" und von 2007 bis 2010 Studiendekan der Philosophischen Fakultät III der Humboldt-Universität zu Berlin.
Seit 2009 Mitglied der Beratungsgremien der Humboldt-Universität zur Exzellenzinitiative und seit 2011 Vertrauensdozent der Studienstiftung.
2010 ausgezeichnet mit dem Humboldt-Preis für gute Lehre und von 2011 bis 2013 Direktor des Instituts für Kulturwissenschaft. 2012 Mitbegründer des Studiengangs Psychoanalytische Kulturwissenschaft sowie Vorstandsmitglied und Principal Investigator im Exzellenzcluster "Bild Wissen Gestaltung".


Gestörte Apparate. Unzuverlässiges Wissen in der Technikgeschichte

Apparate müssen funktionieren. Tun sie dies nicht, landen sie auf dem Müll und werden von der Geschichte buchstäblich verschluckt. Heißt das aber im Umkehrschluss, dass unsere Quellen von Apparaten verlässlich sind? Welchen Status überhaupt haben Dinge, Maschinen und Apparate, die uns in Texten und Bildern begegnen? Der Vortrag wird am Beispiel von Patentschriften zeigen, wie stark das rhetorische und imaginäre Potential von Quellen ist, die vermeintlich als verlässliche Zeugen von Technikgeschichte gelesen werden.


Dienstag, 10. Dezember 2013

Mag. Ulrike Matzer, Wien

Fotohistorikerin, Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, Autorin, Kritikerin, Übersetzerin.
2009-2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am FWF-Forschungsprojekt Josef Maria Eder (1855-1944).
Eine fotografiehistorische Monografie
in der Fotosammlung der Albertina, Wien (Projektleitung: Dr. Maren Gröning).
Derzeit Arbeit an einer Dissertation zur Situation von Frauen im fotografischen Gewerbe im Wien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Publikationen:
Maren Gröning, Ulrike Matzer (Hg.), Josef Maria Eder. Photographie als Wissenschaft. Positionen um 1900 (= in der Reihe photogramme, hg. von Bernd Stiegler), München 2012.
Schule der Medien. Eine kritische Festschrift zum 125jährigen Bestehen der "Graphischen" 1888-2013. Hg.: Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt, Wien, Konzept: Maren Gröning, Gustav Linnert, Ulrike Matzer, Klaus Walder, Wien 2013.
Maren Gröning, Ulrike Matzer (Hg.), Photography as a Schooling Issue. (= in der Reihe Beiträge zur Geschichte der Fotografie in Österreich, hg. von Monika Faber), Wien 2014.


Verfahrenstechnische Entwicklung und historiografische Ambition. Josef Maria Eders vielbändiges Ausführliches Handbuch der Photographie (1884-1932) im Kontext des fotografischen Versuchs- und Unterrichtswesens in Wien

Bereits für Eders Zeitgenossen war die komplexe Editionsgeschichte des vielbändigen, vielfach neu aufgelegten und neu bearbeiteten Handbuchs kaum zu überblicken. Dennoch war es von nachhaltiger Wirkung - vor allem die "Geschichte der Photographie" als einer der ältesten Teile ist als Quellensammlung noch heute von Gültigkeit. Eder, der viele der frühen Protagonisten persönlich kannte und mit so gut wie allen Verfahren vertraut war, investierte für einen Naturwissenschaftler ungewöhnliche Energien in die Etablierung der Historiografie seines Fachs. Dieses ausufernde Unterfangen war freilich abhängig von einer internationalen Perspektive und von Informationen aus erster Hand. Letztere liefen in der auf seine Initiative 1888 aktivierten "Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren" zusammen; systematische Untersuchungsreihen mit exzellenten Praktikern erlaubten ihm dort die laufende Prüfung neuer Anwendungen.
Diese Form des institutionalisierten Wissenstransfers wird der Vortrag ebenso beleuchten wie Eders gleichzeitige Offenheit auch für die zufälligen, verworfenen, exzentrischen Anwendungen des Mediums und seine künstlerisch-ästhetischen Qualitäten. Die zunehmend wissenschaftliche Ausrichtung des "Ausführlichen Handbuchs" wird desweiteren zu Sprache kommen, wofür er ab den späten 1920er Jahren Spezialisten aus der deutschen Foto- und Filmindustrie als Co-Autoren beigezogen hat.


Dienstag, 17. Dezember 2013

Dr. des. Gregor Kanitz, Berlin

Gregor Kanitz studierte Neuere Geschichte, Philosophie, Kulturwissenschaft, Deutsch als Fremdsprache in Düsseldorf und Berlin. (M.A. 2000)
Von 2000-2005 kuratorische und museumspädagogische Tätigkeiten (u.a. documenta11);
2003-2005 Dozent für Deutsch als Fremdsprache; 2005-2008 Stipendiat des Graduiertenkollegs Mediale Historiografien in Weimar-Erfurt-Jena;
2008-2012 verantwortl. Redakteur des Archiv für Mediengeschichte am IKKM Weimar; seit 2007 verschiedene Lehraufträge an der Fak. Medien der Bauhaus-Universität;
2012 Promotion an Bauhaus-Universität Weimar mit Arbeit über Praktiken und Netzwerke der Geisteswissenschaften am Beispiel Wilhelm Diltheys, Titel: Körper des Geistes. Verkehrsformen und Architekturen einer "dem Leben befreundeten Wissenschaft" um 1850 (betreut von: Bernhard Siegert, Weimar und Sigrid Weigel, Berlin);
seit 2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ausstellungsbüro hürlimann+lepp in einem Projekt über die Brüder Grimm.


Objektive Manieren. Zur Epistemologie wissenschaftlicher Schwellen des 19. Jahrhunderts

Im 19. Jahrhundert verändern sich die Konstellationen und Motivationen wissenschaftlicher Praxis grundlegend. Grund hierfür sind epistemische Praktiken im Spannungsfeld eines sowohl die "exakten" wie die "ungenauen" Wissenschaften einenden Ideals von Objektivität. Der Vortrag untersucht die gestischen und instrumentellen Dispositive, in denen Forschungsmittel und -gegenstände "handlich" und "dingfest" gemacht werden. Im Mittelpunkt stehen dabei papierne Medien (Bücher, Zettel, Grafiken), mit denen das wissenschaftliche Tun eine Logik der Buchführung erhält.


Dienstag, 14. Januar 2014

Dr. Dorothea Peters, Lichtenberg-Kolleg der Universität Göttingen

Dorothea Peters, geb. in Göttingen. Diplom-Psychologin;
Staatsexamen in Soziologie und Kunstpädagogik. 6 Jahre Wiss. Mitarbeiterin an der Hochschule der Künste Berlin (Visuelle Kommunikation).
Seit 1995 freiberufliche Tätigkeit als Kunst- und Fotohistorikerin.
2005 Promotion in Kunstgeschichte über fotografische Kunstreproduktion im 19. Jahrhundert (bei B. Hinz und H. Bredekamp).
Forschungsstipendien u.a. am Deutschen Museum in München (2006), am Kunsthistorischen Institut in Florenz (2009, 2010/2011) und am Lichtenberg-Kolleg in Göttingen (2013).
Schwerpunkt: Foto-, Druck- und Buchgeschichte, Bildmedien der Kunstgeschichte/Kunsthistoriografie.
Lebt nahe Berlin.


Von Farben ins Grau. H. W. Vogel und die fotografische Reproduktion von Kunstwerken

Eines der größten technischen Probleme der Fotografie im 19. Jahrhundert war die verfälschende Übersetzung der Farben in Grauwerte. 1873 fand der Berliner Hermann Wilhelm Vogel (1834-1894) in spektralanalytischen Untersuchungen die theoretische Lösung des Problems mangelnder "Tonwertrichtigkeit". Seine Untersuchungsergebnisse publizierte Vogel, in Grafiken veranschaulicht, in zahlreichen Vorträgen, Aufsätzen und Handbüchern. Zur Umsetzung in die fotografische Praxis bedurfte es jedoch zahlreicher weiterer Experimente, zu denen unter strikter Geheimhaltung vor allem fotografische Verlage ihre aufwendigen Kampagnen zur Gemäldereproduktion in europäischen Museen nutzten. Der Vortrag zeichnet das Ineinandergreifen und die Kooperation bzw. Konkurrenz zwischen wissenschaftlicher Forschung und ökonomischer Verwertung nach.


Dienstag, 21. Januar 2014

Dr. Miriam Halwani, Museum Ludwig Köln

Miriam Halwani, geboren in Philadelphia/USA.
Studium der Kunstgeschichte in Saarbrücken, Frankfurt a. M. und Hamburg.
2010 Promotion zur Geschichtsschreibung der Fotografie 1839-1939 bei Wolfgang Kemp, Museumsassistentin bei den Staatlichen Museen zu Berlin (Kunstbibliothek, Sammlung Fotografie und Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart).
Seit 2013 Kuratorin der Fotografischen Sammlung, Museum Ludwig.


Die Anfänge der Fotogeschichtsschreibung, ausgehandelt in Handbüchern

Die frühe Handbuchliteratur zur Fotografie war mehr als bloße technische Anleitung, sie war ein Kommunikationsmedium. Im Monatstakt konnten Neuauflagen erscheinen, die den aktuellen Wissenstand bündelten oder erweiterten. Auch die Geschichte der Fotografie wurde in Handbüchern verhandelt, weshalb sie wichtige Quelle ihrer Metageschichte sind - nicht bloß als Texte, sondern als Objekte mit den Koordinaten Format, Papier, Schriftart, Verlag und Auflage etc. Mit diesen Quellen zur Hand sollen die Anfänge der Fotogeschichtsschreibung skizziert werden.


Dienstag, 28. Januar 2014

Dipl.-Ing. Marjen Schmidt, Oberhausen

Geboren 1959. Ausbildung zur Farbretuscheurin.
Studium Photoingenieurwesen an der FH Köln. Fotorestauratorin im Agfa Foto-Historama, Köln und im Fotomuseum im Mu?nchner Stadtmuseum.
Seit 1992 freiberufliche Restauratorin fu?r Fotografie. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Fotografierestaurierung. Das Arbeitsgebiet umfasst die Restaurierung von historischen und modernen Fotografien, Betreuung von Ausstellungen zur Fotografie und moderner Kunst, konservatorische Betreuung von Firmensammlungen, Anfertigung von Gutachten, sowie die fachu?bergreifende Präventive Konservierung.
Lehrbeauftragte an der Akademie der Bildenden Ku?nste Stuttgart. Mitarbeit bei der Zeitschrift "Rundbrief Fotografie".
Vorsitzende der Sektion Geschichte und Archive der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) seit Mai 2012, Mitglied der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Archiv-, Bibliotheks- und Graphikrestauratoren (IADA) und der ICOM.


Das Nasse Kollodiumverfahren - eine neue Ära der Fotografie?

Die Einführung des "Nassen Kollodiumverfahrens" verband zwei Erwartungen, die schon früh an die Fotografie gestellt wurden, nämlich die Möglichkeit der exakten, detailgetreuen Abbildung und der (unbegrenzten) Vervielfältigung. In dem Vortrag wird anhand der technischen, chemischen und handwerklichen Bedingungen erläutert, warum das "Nasse Kollodiumverfahren" ein großer Fortschritt für die Fotografie des 19. Jahrhunderts darstellt. Dabei wird der Frage nach der Zielgruppe der fotografischen Handbücher nachgegangen und diskutiert, welchen Einfluss der Informationsgehalt der Handbücher auf das Wissen der Fotografierestaurierung hat.


Dienstag, 04. Februar 2014

Dr. Julian Jachmann, Universität zu Köln

Studium der Architektur, Kunstgeschichte, Geschichte und klassischen Archäologie in Berlin, Marburg und Colchester.
2006 Promotion zum Thema: Die Kunst des Augsburger Rates 1588-1631. Kommunale Räume als Medium von Herrschaft und Erinnerung bei Ulrich Schütte in Marburg; Publikation 2008.
2006/2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsprojektes ,Augsburger Ornamentstichwerke. Der Anteil der Kunsthandlungen an der Formierung und Verbreitung ästhetischer Modelle während des 18. Jahrhunderts' (Leitung: Katharina Krause, Marburg).
Seit 2007 Wissenschaftlicher Assistent am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln, Abteilung Architekturgeschichte;
Habilitationsprojekt: ,Von Serlio bis Ledoux - Differenz und Wiederholung in französischen Stichfolgen zum Wohnbau';
Herausgabe des Bandes ,Diagrammatik der Architektur' 2013
Forschungsschwerpunkte: Kommunale Kunst der Reichsstädte; Theorie und Medialität der Architektur


Die architekturtheoretischen Publikationen von J.N.L. Durand - Wissensformationen zwischen typologischen Sammlungen und anatomischen Entwurfsverfahren um 1800

Im frühen 19. Jh. unterstützte der Architekt und Dozent J.N.L. Durand seine Architekturlehre durch zwei große Publikationsprojekte. Während der ,Recueil et Parallèle' bislang als Bautypologie verstanden wurde, gilt der ,Précis des leçons' als Apotheose eines universellen Grundrissrasters, mit dem sich der Autor bereits 1834 den Ruf eines "Schachbrettskanzlers für mangelnde Ideen" (Gottfried Semper) erworben hatte. Abweichend von diesem Urteil soll die Struktur der Publikationen über eine didaktische Entwicklung der Hauptthemen und ein funktionslogisches Architekturverständnis interpretiert werden, das an den anatomischen Theorien von Georges Cuvier partizipiert.


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