Zusammenfassung der Dissertation (Stefan Lipgens, Köln 1997)

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einfluß des Biopolymers Gelatine auf die Eigenschaften von (w/o)-Mikroemulsionen mit den Tensiden AOT und Igepal-CO-520.

Zunächst wird das Verhalten von wäßrigen Systemen mit Gelatine in Hinblick auf die angewandten Meßmethoden untersucht. Dies dient dazu, Effekte der Gelatine von solchen der Mikroemulsionen trennen zu können. Die kritische Gelatinekonzentration cgc, oberhalb derer Gelation auftritt, ist mit viskosimetrischen Messungen zu 0.5 % (w/v) bestimmt worden. Die elektrische Leitfähigkeit ändert sich bei Steigerung der Gelatinekonzentration kontinuierlich. Bei den erstmals systematisch an wäßrigen Gelatinesystemen durchgeführten Untersuchungen der elektro-optischen Doppelbrechung zeigt sich eine deutliche Korrelation zwischen Kerr-Effekt und Gelatinekonzentration: Sowohl die Amplituden als auch die Relaxationszeiten nach Pulsende sind an der cgc maximal. Der Verlauf der spezifischen Kerr-Konstanten oberhalb der cgc läßt sich gut mit einem Modell für die Verteilung freier Plätze in einem zufälligen Netzwerk aus starren Fasern beschreiben.

Schwerpunkt der Arbeit ist die Untersuchung des Einflusses von Gelatine auf ionische (w/o)-Mikroemulsionssysteme mit AOT als Amphiphil. Zugabe von Gelatine induziert Leitfähigkeitsperkolation. Bei kleinen Gelatinekonzentrationen zeigen sich Hysterese-Effekte in der Temperaturabhängigkeit der Leitfähigkeit, welche bei höheren Konzentrationen verschwinden. Die Ausbildung von Organogelen erfolgt bei Gelatinekonzentrationen, die deutlich über der cgc in Wasser liegen und sich mit sinkendem Wo-Wert des Systems zu höheren Werten verschieben. Die Gelierung in Mikroemulsionssystemen ist im Vergleich zum wäßrigen System also behindert und zwar um so mehr, je weniger Wasserphase die Mikroemulsion enthält. Die Organogele sind im gesamten zugänglichen Temperaturbereich hochleitend (Perkolationstemperatur Tm<0°C). Systeme mit zu geringem Wasseranteil (Wo<40) gelieren nicht mehr komplett durch, sondern es tritt Phasenseparation zwischen zwei optisch isotropen Phasen auf: eine wasserreiche Gelphase und eine überstehende ölreiche Phase, in der sich keine Gelatine nachweisen läßt. Im Kerr-Effekt zeigen sich insofern Parallelen zum wäßrigen System, daß auch hier sowohl die Amplituden als auch die Relaxationszeiten ein ausgeprägtes Maximum unmittelbar vor der cgc zeigen. Der Verlauf der beiden Parameter vor und nach der cgc ist jedoch in charakteristischer Weise anders: Während im wäßrigen System das Maximum sehr schnell erreicht wird (kleine cgc) und dann ein langsamer Abfall erfolgt, zeigen sich in den Mikroemulsionssystemen insgesamt drei charakteristische Gelatinekonzentrationen. Bis zu einer relativ kleinen Gelatinekonzentration GDef werden Dynamik und Amplituden hauptsächlich durch die Eigenschaften der Mikroemulsion bestimmt. Oberhalb von GDef prägt die Gelatine der Mikroemulsion die Form auf und es finden sich Werte in der Größenordnung der wäßrigen Systeme. Bei Konzentrationen über einem Wert GAss bilden sich wachsende Aggregate bestehend aus durch die Gelatine verknüpfte Cluster, die einen starken Anstieg von Amplituden und Relaxationszeiten bedingen. Nach Überschreiten der cgc erfolgt dann ein sehr viel schnellerer Abfall als im wäßrigen System. Dies wird dahingehend interpretiert, daß sobald die Behinderung der Gelation durch die Mikroemulsion erst einmal überwunden ist, eine Vernetzung mit ähnlicher Maschenweite wie im wäßrigen System gleicher Gesamtkonzentration erfolgt.

Gelatine läßt sich in nicht-ionischen IG-Systemen nicht in ausreichendem Maße solubilisieren, um Organogele zu erzeugen. Daher werden Mischungssysteme mit variierendem Stoffmengenverhältnis von AOT und IG untersucht, was letztlich dazu führen soll, Gelatine in einer nichtionischen Mikroemulsion, der wenig AOT als Cotensid zugesetzt ist, zu solubilisieren, um so zu quasi nicht-ionschen Organogelen zu gelangen. Systeme mit bis zu 90% IG in der Tensidphase lassen sich noch gelieren, auch wenn dabei keine transparenten Gele erhalten wurden. Es deutet sich aber an, daß eine Variation der Ölphase auch zu optisch isotropen Gelen führen könnte. Mischungen mit gleichem Stoffmengenanteil der beiden Tenside lassen sich bei hohem Wassergehalt in Organogele überführen, während sie bei geringem Wassergehalt sehr große Mengen Gelatine solubilisieren können (bis GW=60%), ohne zu gelieren. Die Hinderung der Gelation, wie sie sich bereits in den ionischen Mikroemulsionssystemen zeigte, läßt sich offenbar in diesen Mischungssystemen durch den Wo-Wert über einen sehr viel weiteren Bereich steuern. Auch die Leitfähigkeitseigenschaften von Mischungssystemen lassen sich über das Mischungsverhältnis der Tenisde und die Wahl der Ölphase praktisch beliebig beeinflussen.


Neutronenkleinwinkelstreuexperimente (Small-Angle Neutron Scattering, SANS) an nicht-ionischen IG-Systemen liefern einen linearen Zusammenhang zwischen Tröpfchenradius und Wo-Wert für nicht-perkolierte Systeme. Temperaturabhängige Messungen bei Wo=10 dienen der Charakterisierung der Strukturumwandlung beim Perkolationsübergang und lassen sich dahingehend interpretieren, daß auch im perkolierten Bereich die Tröpfchen ihre Integrität bewahren und sich zu linearen Aggregaten zusammenschließen. Einen endgültigen Beweis für diese These läßt die Methode allerdings nicht zu. Die angesprochenen Mischungssysteme zeigen ein weitaus komplexeres Streuverhalten und lassen sich nur qualitativ interpretieren: Während die Systeme mit nur einer Art Tensid das Streumuster von Kugeln liefern, bewirkt die Zugabe des jeweilig anderen Tensids eine Änderung des Streuverhaltens zu viel komplexeren Strukturen. Dies ist nahezu unabhängig vom Mischungsverhältnis und wird durch den Zusatz von Gelatine praktisch nicht beeinflußt. Dies ist insofern bemerkenswert, daß niedrigviskose Systeme ohne Gelatine, die im ganzen zugänglichen Temperaturbereich nichtleitend sind, prinzipiell dasselbe Streuverhalten zeigen, wie gelierte Systeme mit hoher Gelatinekonzentration, die permanent hochleitend sind.


Im Rahmen der Arbeit wurden die Leitfähigkeitsmessungen mittels einer digitalen Meßbrücke und einer in Visual Basic geschriebenen Steuersoftware automatisiert.