Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

4. Darstellung der Methode

„,Storyline? Das ist doch das, wo man so Püppchen bastelt, nicht wahr? Aber lernt man dabei auch ‘was?’“ (Kocher 1999, 4, Hervorhebung im Originaltext) So oder so ähnlich fragen Studierende ihre Dozentin, Doris Kocher, wenn es um das Thema Storyline geht. Dass es bei dem Ansatz um mehr als nur eine Bastelstunde geht, soll im Folgenden aufgezeigt werden.

 

Planung einer Storyline

Das Storyline-Modell ist eine den regulären Unterricht ergänzende Methode. Dennoch sollte, damit sie effektiv ist, genügend Zeit, möglichst täglich, für die Durch­führung eingeplant werden. Das ist im flexiblen Stundenplan der Primarstufe leichter zu realisieren als in der zerklüfteten Stundenplanung der Sekundarschule. Es bietet sich dort an, Kooperationen mit Kollegen zu schließen und in Form von Team-Teaching fächerübergreifend zu arbeiten (vgl. Kocher 1999, 265). Cresswell empfiehlt, sechs Stunden pro Woche für die Arbeit mit der Storyline einzuplanen. Innerhalb eines Schuljahres können nach seiner Erfahrung bis zu drei Topics bearbeitet werden (vgl. Cresswell 1997, 14).

Die Planung eines Topics (einer Einheit) muss sorgfältig erfolgen, da der 'rote Faden' sonst leicht verloren geht. Die Auswahl des Themas sollte unter Kriterien erfolgen, damit sowohl die Interessen der Schüler angesprochen werden als auch den Anforderungen des Lehrplans Genüge getan wird. Themen könnten demnach Begebenheiten oder Dinge aus der unmittelbaren Lebenswelt der Lernenden sein (vgl. 5.3 Bonde/Raaum/Teigen), landeskundliche Aspekte beinhalten (5.3 Uhlenwinkel) oder auch auf Fantasiegeschichten basieren (5.1 Wang Hansen). Das Grundthema wird dann in einzelne Episoden gegliedert, wobei in der ersten oft das setting entworfen, in der darauffolgenden eine Figur (ein 'Püppchen') geschaffen wird usw. Unerwartete Zwischenfälle im Laufe einer Storyline initiieren Problemlöseprozesse, deren Komplexität je nach Leistungsvermögen und Alter der Lerngruppe variieren können. Der Schluss der Geschichte ergibt sich entweder aus der Lösung der Problemsituation oder durch die Befragung eines Experten. Aber auch ein Ausflug oder ein Wettbewerb kann den sinnvollen Abschluss eines Projekts bilden. An die Durchführung eines Storyline-Topics sollte zwingend eine Reflexion erfolgen. Diese kann mündlich oder auch schriftlich, in Form eines Fragebogens oder eines Berichts, erfolgen. Auch das projektbegleitende Schreiben eines Tagebuchs hat sich in der Evaluation bewährt. Zur Leistungsmessung im Anschluss einer Storyline siehe Punkt 4.3.

 

Key questions

Lernern werden oft Fragen gestellt, deren Antwort der Lehrende bereits kennt. In Folge fühlen sich Lerner nicht dazu aufgefordert, eigene Ideen zu entwickeln, sondern nur das zu äußern, wonach gesucht wird. Key questions sind Fragen, die die Lerner mit einbeziehen. Die Leitfragen beziehen sich auf die einzelnen Episoden der Storyline. Sie haben die Tendenz, Fragehaltungen bei den Lernenden auszulösen. Diese Fragehaltungen sind der Motor für die Lerneraktivierung und für das Fortschreiten der Geschichte. Oftmals wird die Antwort auf eine Frage nicht unmittelbar gegeben, sondern in der Gruppe erarbeitet. Key questions enthalten oft Formulierungen wie: Was glaubst du ..?, Wie stellst du dir ein ... vor?, Was würdest du fragen, wenn ...?

 

Handlungsplan

Stehen die einzelnen Sequenzen der Storyline fest und sind die dazugehörigen key questions entworfen, kann ein Handlungsplan aufgestellt werden. Er dient als wertvolle Organisationshilfe für den Lehrer während des Projekts. Die einzelnen Episoden der Geschichte werden mit den entsprechenden Fragen chronologisch aufgelistet. Daneben hält die Lehrperson alle weiteren, für den reibungslosen Verlauf des Projekts notwendigen Elemente fest. Dies sind wichtige organisatorische Aspekte, wie die aus den Fragen resultierenden Schüleraktivitäten, die Sozialform, die benötigten Materialien sowie die erwarteten Arbeitsergebnisse. Der Handlungsplan in tabellarischer Form ermöglicht einen schnellen Überblick über bevorstehende Aktivitäten. Die Struktur eines möglichen Handlungsplans kann so aussehen:

Storyline

Key-questions

Lereraktivität

Sozialform

Materialien

Ergebnis

Episode 1: ...

Wo glaubst du ...?

Diskussion

Gruppenarbeit

Plakatmaterial

Karte

Episode 2: ...

...

...

...

...

...

Kocher empfiehlt die letzte Spalte umzubenennen und für zusätzliche Hinweise, wie eingeplanten Zeitbedarf, Lernziele oder detailliertere Gestaltungshinweise zu reservieren (Kocher 1999, 173f).

 

Gruppenbildung

Oberster Grundsatz bei der Bildung von Gruppen ist: Die Ziele der jeweiligen Arbeitsphase bestimmen die Zusammenstellung der Gruppe. Es gibt im Wesent­lichen vier Kriterien, die eine Rolle spielen können: Leistung, soziale Be­ziehungen der Teilnehmer untereinander, Interessen (Themen) und Zufall. Gruppen können homogen oder heterogen sein, sie können von den Schülern frei gewählt oder von der Lehrperson gebildet werden. Gudjons und Cresswell plädieren für heterogene Zusammenstellungen. Auch internationale Vergleichsstudien wie PISA und IGLU „belegen, dass in heterogenen Lerngruppen alle Schüler sehr erfolgreich lernen können.“ (Vieluf 2003 zit. nach Prengel 2004, 45) Im gleichen Zusammenhang wird weiterargumentiert: „Die Schulpädagogik der heterogenen Lerngruppe kann für die Chancengleichheit der SchülerInnen förderlich sein, da sie vor allem zur Leistungssteigerung der Schwächeren beiträgt und die Leistungsstärkeren nicht bremst.“ (ebd.). Kocher dagegen spricht sich für möglichst homogene Gruppen aus. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass sich so „alle Mitglieder angesprochen fühlen und die Arbeit nicht an den Gruppenbesten delegiert wird“ (Kocher 1999, 267). Aus Sicht der Lehr- und Lernforschung bevorzugen wir aus Sicht der konstruktivistischen Didaktik allerdings heterogene Lerngruppen und widersprechen der Ansicht von Kocher. Wenn bei ihr eine Delegation an die Gruppenbesten erfolgte, dann hat die Lehrerin die Gruppenarbeit nicht gut genug angeleitet. Leistungsheterogene Gruppen benötigen klare Regeln der Zusammenarbeit, damit alle Lerner zum Zuge kommen. Dies ist gerade auch für die „besseren“ Lerner eine Chance, anderen zu helfen und sich selbst im Blick auf ihre sozialen Kompetenzen zu entwickeln. Gerade dies scheint für die deutsche Schule, in der das soziale Lernen heute ein großer Mangel ist, sehr wesentlich zu sein. Die Entscheidungen zur Gruppenbildung müssen jeweils im Einzelfall begründet getroffen werden. Während von den Lernern frei wählbare Gruppen, gerade bei wenig erfahrenen Teamarbeitern, oft aufgrund von Sympathie/Anti­pathie entstehen und somit problematisch für Außenseiter sein können, können ungeliebte Lehrerentscheidungen Widerstände hervorrufen oder sogar Boykott zur Folge haben. Hier ist partizipatorisch vorzugehen und die Gruppenbildung ist methodisch gemeinsam mit den Lernern zu reflektieren. Mit steigender Erfahrung bei der Gruppenarbeit werden Lerner verschiedene Kriterien beachten und so selbstständig für das Lernen effektive Teams bilden, so dass ein Eingreifen der Lehrperson nur vereinzelt nötig sein wird. Allerdings müssen Lehrkräfte immer kritisch die Gruppendynamik beachten und dürfen das soziale Lernen nie aus den Augen verlieren.

Die Größe einer Gruppe richtet sich nach der zu bewerkstelligenden Aufgabe. Gudjons (2003, 29 f) geht davon aus, dass Gemeinschaften von vier bis acht Teilnehmern am effektivsten zusammen arbeiten. Solche Angaben sind allerdings strittig, da quantitative Angaben kaum für alle konkreten Situationen des Lernens bei sehr unterschiedlichen Lerngruppen taugen. Jede Lehrkraft muss hier auch ein eigener Lernforscher für die eigene Gruppe werden und Erfahrungen durch Feedback und Beurteilung der Ergebnisse ständig sammeln und auswerten.

 

Merkmale eines Storyline-Klassenzimmers

Ein Klassenzimmer, in dem nach der Methode Glasgow gearbeitet wird, unterscheidet sich augenscheinlich von einem herkömmlichen Schulraum:

Wandfries
Der Wandfries ist eine Ausstellungsfläche für alle Produkte, die während des Projekts entstehen. Er ist die Brücke zwischen der realen Welt und dem abstrakten Gedankenkonstrukt. Der Fries ist in der Regel zweidimensional, im Einzelfall auch räumlich angelegt (siehe Beispiel unter 7). Die Zwischenergebnisse der einzelnen Phasen werden für alle sichtbar festgehalten. So finden sich die ge­schaffenen Charaktere, Collagen und schülereigenen Texte am Wandfries. An ihm können aber auch, wie an einem schwarzen Brett, Fragen oder Informationen an die anderen Gruppen veröffentlicht werden. So wissen die Lerner immer, was bereits erarbeitet wurde und welche Gesamtentwicklung die Storyline nimmt. Der Wandfries schafft eine motivierende Lernumgebung, steigert den Lerneffekt der Schüler und gibt Orientierung und Anlass zu Diskussionen, denn an ihm kommen die Ergebnisse der einzelnen Gruppen für die gesamte Dauer des Projekts zur Geltung.

Wordbanks
Themenspezifische Wörter werden auf Karten gesammelt und als wordbanks (im erweiterten Sinn: Datenbank) am Fries befestigt. Die Lerner können mit einem Blick, z.B. bei Schreibaktivitäten, darauf zurückgreifen. Während der Arbeit an der Storyline im Fremdsprachenunterricht begegnen den Lernern neue Vokabeln und Redemittel. Auch diese werden systematisch, z.B. als Cluster, in wordbanks zusammengestellt, so dass ein bedarfsgerechtes Präsenzlexikon entsteht. Die Öffentlichkeit dieses Wörterbuchs trägt dazu bei, dass bestimmte sprachliche Mittel allen zur Verfügung stehen. Die Lerner kommunizieren in einer Art Fachsprache miteinander. Das Vokabular prägt sich insofern gut ein, als es häufig gebraucht wird, im Kontext dargeboten und mit Illustrationen versehen wird.

Arbeitsmittel
Eine Reihe von Bastel- und Werkmaterialien kommen während der Arbeit an der Storyline zum Einsatz. Darüber hinaus sollte Literatur in Form von Sach- und Fachbüchern oder -zeitschriften, Lexika und Wörterbüchern verfügbar sein. Der Computer, als unersetzliches Informations- und Arbeitsmedium im Technologiezeitalter, sollte den Lernern zugänglich sein. Als weitere Medien dienen Video- und Tonaufnahmegeräte. Die Lernenden beschaffen sich, passend zum Thema, nach Bedarf weiteres Informationsmaterial in Form von Broschüren oder Karten.

Arbeitsformen
Die Arbeitsformen in einem Storyline-Geschehen sind vielfältig, wie aus den Beispielen ersichtlich wird. Die Lerner schreiben, lesen, vermessen und rechnen. Sie recherchieren und diskutieren, sie basteln, üben Dialoge oder szenische Darstellungen ein, und manchmal komponieren (vgl. 5.3 Wilson) sie. Auch der Unterrichtsgang oder Besuch eines außerschulischen Lernortes gehört zu den möglichen Arbeitsformen, deren Wahl bei Storyline nahezu keine Grenzen gesetzt sind.

 

Leistungsmessung
Die individuellen Bewertung von Leistungen stellt in Projekten, wie z.B. Storyline, immer eine Schwierigkeit dar. Die Arbeit besteht weitgehend aus kooperativen Leistungen, bei denen der individuelle Leistungsanteil nicht genau messbar ist. Aber nicht nur, dass Ergebnisse meist Gruppenergebnisse sind, es muss auch im Vorhinein festgelegt werden, welche Leistungen überhaupt beurteilt werden sollen. Wie bewertet man Teamfähigkeit, Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Verant­wortungsbewusstsein? Es muss deshalb überlegt werden, ob, und wenn ja in welcher Form, Leistung erfasst und bewertet werden kann. Das Portfolio kann hier ein sinnvolles Instrumentarium sein. Cresswell erläutert sein Vorgehen bei der Leistungsmessung so:
In the course of a year I have my children make one topic book. These books are a linear record of a topic from beginning to end. I have the children reflect back on the Storyline at the end of the study and decide what they should put in the book to record the significant events of our work together. The materials in a topic book fall into four categories: children’s writing and artwork […]; reflective pieces of writing written for the topic book after the study; copies of class charts that were used during the study […]; and photographs of the frieze and important characters. (Cresswell 1997, 119)
Er lässt die Lerner selbst die Kriterien für die Beurteilung bestimmen, damit sie genau wissen, worauf sie hinarbeiten müssen. Sein topic book stellt der Lerner der ganzen Klasse vor, die dann anhand der Kriterien Punkte für den Inhalt, die Präsentation, die Schreibprodukte und die künstlerische Darbietung vergibt. Ein Extrapunkt kann durch besonders herausragende Leistungen in einem bestimmten Gebiet erlangt werden. Üblicherweise müssen vier der fünf Kategorien erfolgreich beurteilt werden, damit der Lerner bestanden hat. Besteht er nicht, hat er die Möglichkeit zur Überarbeitung des Portfolios (vgl. ebd. 120 f). Cresswell äußert sich zwar zur Beurteilung von fachlichen und künstlerischen Leistungen, nicht aber dazu, wie er das Arbeits- und Sozialverhalten mit in die 'Note' einfließen lässt. Kocher schlägt hierfür ein Pluspunkte-System vor. Die Schüler sammeln über ein Schulhalbjahr hinweg Punkte für vorab vereinbarte Leistungen. Dazu zählen u.a. der Umgang mit dem Material, die Beteiligung an der Gruppenarbeit sowie (bezogen auf den Fremdsprachenunterricht) die sprachlichen Leistungen. Die Plus­punkte werden einerseits vom Lerner selbst eingetragen, von der Lerngruppe vergeben und im Sinne einer gemeinsamen Reflexion mit dem Lehrer, in der Mitte und am Ende des Projekts, verteilt. Kocher macht auch einen Vorschlag, wie Storyline-Inhalte im Rahmen einer Klassenarbeit berücksichtigt werden können. Dabei wird hauptsächlich die Fähigkeit zum freiem und kreativen Schreiben überprüft (vgl. Kocher 1999, 272-277).

Beispiel: Kidnapped in Scotland (Klasse 7)
Describe a place or town in Scotland for a tourist guide book (at least 8 sentences). Think about these questions: Where is the place? What’s special about it? What can you do there? If you want, you draw a map.
You meet a famous person at this place. Write a short dialogue (at least 8 sentences) (vgl. Kocher 1999, 273)