6. Reflexion der
Methode
>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz
6.1 Methodenkompetenz
Die
Methode zielt auf eine Änderung des Blickwinkels. In therapeutischen
und Beratungs-Prozessen eignet sich das Reframing besonders gut,
um festgefahrene Sichtweisen oder Positionen in Frage zu stellen
und sie zu verändern.
Das Reframing spielt auch bei kreativen Prozessen eine Rolle, da
es nicht nur zu unterhaltsamen, sondern auch nützlichen neuen
Betrachtungsweisen führen kann, wie das folgende Beispiel es
verdeutlicht:
Der Physiker Donald Glaser saß mit einem Freund bei einem
Glas Bier, als dieser auf das Glas deutete und sagte: „Warum
nehmen sie nicht das, um ihre subatomaren Teilchen aufzufangen?“
Glaser schaute sich die Blasen an, die sich im Bier bildeten und
entwickelte anschließend ein Modell der „Blasenkammer“,
ähnlich der Wilson´schen Nebelkammer, um so die Bahn
der Teilchen in hochgeladenen physikalischen Experimenten zu ermitteln
(vgl. Bandler/Grinder 2000, 14)
So kann die Methode zur Förderung von kreativen Prozessen z.B.
auch in der Schule genutzt werden. Der Lehrer könnte ein Thema
provokant formulieren und dadurch zu neuen Betrachtungsweisen hinführen.
Die Veränderung der Bedeutung einer Situation kann auch als
Lösung von alltäglichen Problemen sinnvoll sein wie im
folgenden Beispiel:
Eine Euryhtmie-Lehrerin hatte in ihrer ersten Stunde in einer Teenager-Klasse
an einer Waldorfschule mit dem Unwillen der Schüler zu kämpfen.
Sie weigerten sich, die speziellen Schuhe zu tragen. Sie sagte zunächst
nichts zu diesen Äußerungen und wählte nach der
Stunde drei Schüler aus und teilte ihnen mit, sie seien die
Einzigen, die so weit wären, in der nächsten Stunde die
Schuhe zu tragen. Sie deutete auf die anderen Schüler und sagte,
sie alle seien noch gar nicht so weit, die Schuhe tragen zu dürfen.
Damit veränderte sie für die Schüler die Bedeutung
der Schuhe.
Allerdings zeigt dieses Beispiel, dass es notwendig ist, das reframing
auch bewusst werden zu lassen und bewusst zu machen. Wird es nur
als eine äußerlich disziplinierende Methode eingesetzt,
dann kann es zu einem gefährlichen Instrument zynischer Machtpraxis
werden. Wenn also die Lehrerin über die Schuhe jetzt nicht
in einen Dialog mit den Schülern eintritt und dabei auch die
Bedeutung des Reframing verdeutlicht (und zwar aus der Sicht der
Schüler: „Hat sich für euch etwas verändert?
Warum ist das so? Was heißt das für diesen Fall?), dann
entartet die Umdeutung zu einer Manipulation.
Das Reframing findet gezielt eingesetzt hauptsächlich in therapeutischen
Interventionen seine Anwendung. Dort kann die Methode in den Beratungsprozess
eingebaut werden, um in Bezug auf ein bestimmtes Problem den Blickwinkel
des Klienten zu erweitern oder zu verändern. Sie kann aber
ebenso als eigenständige Therapieform langfristig eingesetzt
werden (siehe Six-Step-Refraiming und seine Erweiterungen).
Aber es ist leicht erkennbar, dass das Reframing auf jede Art von
zwischenmenschlichen Problemen anwendbar ist. Eine erfolgreiche
Anwendung des Reframings hängt hier maßgeblich von einer
offenen Beobachterhaltung und konstruktiven Einstellung ab. Wer
Reframing organisieren will, muss – wie es die konstruktivistische
Didaktik von Lehrenden fordert – eine ironische und moderierende
Haltung einnehmen können. Jede Deutung und damit auch jede
Umdeutung kann irren, die Viabilität (Passung) wird vom Betroffenen
hergestellt und liegt in dessen Kompetenz. Insoweit mag zwar im
Deuten selbst eine hohe Verbindlichkeit und Verantwortung z.B. durch
Beraterinnen und Lehrkräfte, die dies Verfahren einsetzen,
stecken, aber dies sollte Machtübergriffe auf die Betroffenen
unter allen Umständen verhindern. Was mit der Deutung angefangen
wird, das können nur die Beteiligten entscheiden. Wir können
ja auch niemanden zwingen, über einen Witz zu lachen. Und am
schrecklichsten sind jene Witze, zu denen man lachen soll.
Beim Reframing geht es nicht um die Klärung der Frage, warum
eine bestimmte Situation problematisch ist, sondern nur um die Veränderung
dieser. Dies entspricht dem Grundsatz der Kommunikationstheorie,
dass zunächst einmal nur das „Wie?“ zur Veränderung
von Verhalten führt, aber nicht eine bloß analytische
Vertiefung in die möglichen „Warums“.
Reframing ist eine lösungsorientierte Methode. Bei dieser Methode
ist es entscheidend, sich nicht in weitschweifigen Erörterungen
zu verlieren, sondern Maßnahmen im Hier und Jetzt zu finden.
Dabei besteht die Methodenkompetenz einer Lehrkraft, die mit Reframing
arbeitet, meist nicht in längeren Prozessen, die stufenweise
gesteuert werden, sondern in spontanen Reaktionen, die aus konkreten
Situationen heraus entstehen. Hier erweist sich ein Vorbildverhalten,
dass aus den beziehungsorientierten Verhaltensweisen eher selbstverständlich
erwachsen sollte. Wer über Fähigkeiten zum Reframing verfügt
und merkt, dass die Teilnehmer hieraus veränderte Beobachtungen
gewinnen können, der erhält dadurch zugleich ein positives
Feedback über eine gute Beziehungskultur im Lehren und Lernen.
Wer hier immer wieder auf Schwierigkeiten stößt, der
erhält einen Hinweis, das an der Beziehungsseite und eigenen
Fähigkeiten gelingender Kommunikation noch gearbeitet werden
muss. Hier helfen Lehrenden gezielte Weiterbildungen.
6.2 Methodenvielfalt
Die
bisherigen Ausführungen zum Reframing konzentrierten sich auf
dessen Anwendung im therapeutischen Bereich. In diesem Kontext hat
es eine methodische Ausdifferenzierung in verschiedene Formen (siehe
Punkt 4: Darstellung der Methode) erfahren, deren spezifische Verläufe
je nach Funktion strukturiert sind. Im professionellen Feld der
Therapie bedarf es einer sorgfältigen Ausbildung des Therapeuten,
der diese Methode einsetzen möchte. Doch dies sollte nicht
davon abhalten, die besondere Effektivität des Reframings in
nicht-therapeutischen Bereichen zu nutzen. Die Perspektivenerweiterung
und der Überraschungseffekt, die durch einen „Rahmenwechsel“
erzielt werden können, erweisen sich auch in anderen Gebieten
als fruchtbar: Etwa im schulischen Geschehen, wie weiter oben bereits
angeführt, zur motivierenden und interessanten Aufbereitung
des Stoffes, die eine Einbindung der Lernenden verfolgt. Hier vermag
der Lehrende durch die Nutzung des Prinzips des Reframings in vielfältiger
Weise Fragen aufzuwerfen und zur Selbstreflexion anzuregen. Diese
Form des Reframings, die sich freilich in ihrer Funktion auch deutlich
von der therapeutisch angewandten Methode unterscheidet (jedoch
mit ihr das Prinzip teilt), kann auch in allen Fächern ihre
Wirksamkeit entfalten. Ihr konkreter Einsatz obliegt dem Ideenreichtum
des Lehrenden, seinem offenen Blick, der eine Sicht auf die Perspektivenvielfalt
und den ihr innewohnenden Möglichkeiten gewährt.
Zudem hilft die Anwendung des Reframings im Rahmen der Lösung
von Beziehungskonflikten zwischen Lehrer und Schüler oder Schülern
untereinander. Hier gilt es, den eigenen Standpunkt zu verlassen
und zu versuchen, den des anderen einzunehmen, oder die Beziehung
aus veränderter Perspektive zu betrachten. Durch das Reframing
kann ein neuer Weg des Umgangs miteinander geöffnet, ein „neuer
Rahmen gesetzt“ werden.
6.3 Methodeninterdependenz
Das Reframing
ist gut mit anderen Methoden kombinierbar, da es vielfältig
anwendbar ist. Andere Methoden können an das Refraiming anknüpfen,
z.B. wenn es als Einstieg in inhaltliche oder beziehungsorientierte
Fragen verwendet wird.
Im schulischen Bereich ist es beispielsweise möglich, Reframing
in die Methode des Klassenrates einzugliedern. Zudem sind Methoden,
die Assoziationsressourcen nutzen wie beispielsweise das Clustering
hilfreich, neue Perspektiven zu entdecken.
Durch Experimente können unerwartete Ereignisse provoziert
werden. Das Staunen oder die Fragen, die durch eine Rahmenverschiebung
erzeugt werden, bieten einen motivierenden Anlass für den Einsatz
weiterer, etwa handlungsorientierter Methoden (beispielsweise die
Projektarbeit), anhand dessen die Lernenden versuchen, eigenständig
(neue) Antwortmöglichkeiten zu finden.
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