Schwarzbuch der Studierbarkeit
Idee, Konzept und Ergebnisse
Im Rahmen des Bundesweiten Bildungsstreiks im Sommersemester 2009 war die Idee entstanden, in einem „Schwarzbuch der Studierbarkeit“ aller Studiengänge die gesammelten Missstände und Probleme aller Fakultäten zu vereinen. Dazu sollten an allen Fakultäten entsprechend Kritik und Verbesserungsvorschläge gesammelt werden. An der Medizinischen Fakultät haben wir uns dieses Projektes angenommen und konnte schließlich als einziger von zwei Fachbereichen an der Uni Köln auch ein Ergebnis vorlegen.
Ziel des Schwarzbuches war es, Probleme der Lehre und der Rahmenbedingungen an der Medizinischen Fakultät einmal gesammelt offenzulegen und Verbesserungsvorschläge einzuholen.
Dazu haben wir einen Fragebogen entwickelt, um ein Meinungsbild bei den Studierenden zu erheben. Im Fragebogen wurde sowohl die Meinung zu den zentralen Forderungen des Bildungsstreiks - Studienbeiträge, Mitbestimmung in universitären Gremien und Bachelor-/Master-System - abgefragt, als auch insbesondere konkrete Kritik und Verbesserungsvorschläge am Medizinstudium in Köln hinsichtlich der Lehre i.e.S., strukturellen Gegebenheiten und Studienleben eingeholt. Schließlich fragten wir nach der „Utopie“ einer idealen Universität bzw. einer Ausbildung zum/r idealen Arzt/Ärztin in den Vorstellungen der Studierenden.
Die Ergebnisse dieser Befragung haben wir dann im „Schwarzbuch der Studierbarkeit“ zusammengefasst, das du hier downloaden kannst. Viele Bereiche des Studiums sind darin behandelt worden. Insbesondere im Bereich des Praxisbezugs, der allgemeinen Lehrqualität / Qualität der Blockpraktika und des mangelhaften Kleingruppen-Unterrichts gab es Kritik und Forderungen nach Verbesserungen.
Da viele Veränderungen eines längerfristigen Prozesses bedürfen, haben wir am Ende des Schwarzbuches aus der großen Menge der präsentierten Forderungen einen Auszug gebildet aus denjenigen Veränderungen, welche mittelfristig an unserer Fakultät angegangen und verwirklicht werden können. Dies waren:
- Kritische Überprüfung und Neu-Strukturierung der Kompetenzfelder
- Bessere Betreuung in den Blockpraktika durch mehr betreuende ÄrztInnen, welche besser instruiert und, wo nötig, besser motiviert sind
- Einführung von Schulungen zur Vermittlung grundlegender didaktischer Fertigkeiten und zur Sensibilisierung der Dozierenden für die Wichtigkeit der Lehre an einer Universitäts-Klinik sowie Bereitstellung finanziell ausreichend ausgestatteter Fördermöglichkeiten für gute Lehre
- Überarbeitung des online-Angebotes der Fakultät: zentrale Verfügbarkeit der Lehrmaterialien, übersichtliche Stundenplan-Darstellung, leichterer Abruf erbrachter Leistungen und einfachere Nachmeldung für noch zu erbringende Leistungen
- Unterstützung für (allein)erziehende Studierende durch vereinfachte Anmeldung, mehr Betreuungsplätze, Privilegien
bei der Studiumsplanung und bei Prüfungsterminen - Renovierung von Hörsälen und Beseitigung sonstiger infrastruktureller Mängel
- Schaffung eines breiteren Angebotes an (Kultur- und Lehr-) Veranstaltungen, welche einen nicht-hierarchischen Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden ermöglichen und ein gemeinsames Identitätsgefühl schaffen können sowie Schaffung außermedizinischer Bildungseinheiten im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung
Offiziell übergaben wir unser Schwarzbuch dann am 24. Juli 2009 auf dem Sommerfest der Mediziner an den Studiendekan der Medizinischen Fakultät, Professor Lehmann, verbunden mit der Einladung zu einem Informations- und Diskussionsabend im neuen Semester.
Informations- und Diskussionsabend
Am 4. November diskutierten wir mit Herrn Professor Lehmann und Herrn Dr. Neugebauer, dem Stellvertreter des Studiendekans und Referent für den Modellstudiengang, sowie mit interessierten Studierenden über die Forderungen des Schwarzbuchs und die mögliche Behebung der kritisierten Missstände.
Schon bei der Übergabe des Schwarzbuches am Sommerfest kritisierte Herr Professor Lehmann den vermeintlich schlechten Informationsstand der Studierenden. Um alle Anwesenden über die aktuellen Entwicklungen in den universitären Gremien und „hinter den Kulissen“ zu informieren, berichteten zu Beginn Vertreter der Fachschaft Medizin, was von den oben genannten zentralen Anliegen des Schwarzbuches bereits im Rahmen der Fachschaftsarbeit zur Verbesserung der Lehre innerhalb und außerhalb der Gremien angegangen wird und klärten über die Funktionen und Befugnisse einzelner Gremien auf. Anschließend gab auch der Studiendekan einen kurzen Bericht über seine Arbeit und seinen Beitrag zu Veränderungen in der Lehre.
Bei Diskussionen im Vorfeld dieses Abends sowie auch im Laufe der Diskussion an diesem Abend kam man immer bald an den Punkt, dass dem Studiendekanat bei seiner Arbeit die Hände gebunden seien. Der Studiendekan kann die Forderungen der Studierenden nicht mit Nachdruck vertreten, da er tatsächlich kein wirkliches Druckmittel zur Umsetzung von Veränderungen in der Hand hat. Auch die in der letzten Zeit entstandenen Ansätze zur leistungsorientierten Mittelvergabe in der Lehre sind finanziell nicht so ausgestattet, dass sie für den einzelnen Lehrverantwortlichen einen wirklichen Anreiz darstellen würden.
Im Rahmen dieser Diskussionen, kommt man unweigerlich zu der Frage, welchen Stellenwert „Lehre“ im Gefüge „Lehre, Forschung und Patientenversorgung“ an einer Universitätsklinik hat und haben soll. Tatsächlich wird Lehre i.d.R. nicht als fester Bestandteil des klinischen Alltags gesehen, sondern als zusätzliche Belastung neben Patientenversorgung und Forschung. Viele Bestrebungen, die Verantwortlichen für Lehre auch in die Verantwortung zu nehmen, enden schnell an der „Freiheit der Lehre“.
Beschäftigung mit der Approbationsordnung
Während vorbereitender Gespräche mit Fachschaftsvertretern, wurden von diesen thematisiert, dass die medizinische Ausbildung in Köln nicht die Vorgaben der Ärztlichen Approbationsordnung erfüllt. Darauf hin haben wir uns näher mit der Approbationsordnung beschäftig, die ja den gesetzlichen Rahmen für medizinische Ausbildung in Deutschland vorgibt und damit der „Lehrfreiheit“ der einzelnen Ordinarien eine Grenze setzt.
Tatsächlich stellt die Approbationsordnung sehr konkrete Anforderungen an die medizinische Ausbildung. Als wichtigste sind zu nennen:
- Maximal 20 Studierende pro Seminar
- 476 Stunden tatsächlichen Unterricht am Patientenbett, davon:
- 50% Patientendemonstration
- 50% Unterricht mit Patientenuntersuchung
- Maximal 3 – 6 Studenten pro Bett und betreuende Lehrperson
Diese Vorgaben werden in Köln derzeit bei weitem nicht eingehalten: Zwar sind in der Kölner Studienordnung 480 Stunden „Unterricht am Krankenbett“ ausgeschrieben, jedoch werden diese keineswegs nach den oben genannten Vorgaben durchgeführt. In der Realität unserer praktischen Ausbildung kommt dem tatsächlichen „Unterricht am Krankenbett“ nachweislich ein verschwindend geringer Zeitanteil zu. Darüber hinaus überschreitet die Gruppengröße in der Regel selbst in diesem knappen Zeitraum am Krankenbett die Vorgaben der Approbationsordnung.
Diese krasse Diskrepanz zwischen den Vorgaben der Approbationsordnung und der Realität des Kölner Unialltages präsentierten wir unseren Kommilitonen an diesem Abend. Die Präsentation dieses Abends kannst du ebenfalls hier downloaden.
Ein weiteres besonders vom Studiendekanat immer wieder benanntes Problem ist, dass die Lehre in dem meisten Kliniken kein fester Bestandteil des tägliche Alltages ist, sondern von den Ärzten neben der täglichen Klinikroutine abgeleistet werden muss. Von den Wissenschaftlichen Mitarbeitern wird schon seit mehreren Jahren gefordert, die vom ärztlichen Personal zu leistenden Lehrstunden in den Dienstplänen der Kliniken und Abteilungen zu verankern, um die Lehre nicht als zusätzliche Arbeitsbelastung sondern festen Bestandteil des Klinikalltags zu definieren.
Ergebnis des Abends: Brief an den Dekan mit Unterschriftenaktion
Diese beiden Forderungen, nämlich eine Ausbildung gemäß der Approbationsordnung als der rechtlichen Grundlage unserer medizinischen Ausbildung, sowie die Aufnahme von Lehrzeiten in die Dienstpläne, sind das Ergebnis dieses Abends mit der Perspektive, einen Brief mit diesen beiden Forderungen an den Dekan sowie den Klinikdirektor zu schreiben. Denn diese Zustände bedürfen der Intervention der höchsten Entscheidungsträger der Fakultät und können nicht vom Studiendekanat alleine behoben werden. Zur Unterstützung des Briefes sollten dann Unterschriften bei unseren Kommilitonen gesammelt werden.
Am selben Abend noch bildete sich eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Kritischen Medizinstudierenden und Vertretern der Fachschaft, um mit der gebündelten Kraft diesen Brief zu formulieren und die daran gekoppelte Unterschriftenaktion zu initiieren. Genauere Informationen zum weiteren Verlauf dieses Projekts gibt es unter dem Punkt „Offener Brief“.
Stand: 30.12.2009, Victor, Josuah