DFG-Forschungsprojekt
Das Forschungsprojekt behandelt ein wichtiges Desiderat in der internationalen skandinavistischen Forschung. Auch in Skandinavien zeigt sich jüngst ein Interesse an einem veränderten Umgang mit Literatur, in dessen Folge die Interpretation von Texten als dominante literaturwissenschaftliche Praktik zunehmend in Frage gestellt wird. Neben der Bedeutung von Texten rückt ihre Performativität in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und damit die Frage nach ihrer medialen Konkretisation, ihrem ‘Gebrauch’ innerhalb eines kulturellen Feldes, ihrem Handlungscharakter (vgl. das Themenheft “Performativitet” der schwedischen Tidskrift för litteraturvetenskap 2007: 4). Diese Verlagerung des analytischen Fokus von der Textinterpretation auf die kulturelle und mediale Praxis manifestierte sich in der deutschsprachigen ebenso wie in der angloamerikanischen Literaturwissenschaft schon in den 1980er und 1990er Jahren, beispielsweise mit der Frage nach der “Materialität der Kommunikation” (Gumbrecht/Pfeiffer 1988) und in kulturwissenschaftlichen Forschungsprojekten wie dem Berliner SFB “Ästhetik des Performativen”.
Die einschlägige Performativitätsforschung weist indes fünf Problemfelder auf, die in unserem Forschungsprojekt aufgegriffen werden sollen:
Das Forschungsvorhaben wird sich mit diesen Problemen der kuranten Performativitätsforschung am Beispiel der öffentlichen literarischen Praktiken in Skandinavien um 1900 auseinandersetzen und so einen Beitrag zur ‘allgemeinen’ Performativitätsforschung, zur skandinavischen Literaturhistoriographie und zur Vermittlung von Perfomativitätsforschung in die Skandinavistik leisten. Grundlagen für eine differenzierte Beschreibung der historischen Funktionsweisen der skandinavischen Literatur um 1900 im jeweiligen medialen und sozialen Kontext lassen sich sowohl in genuin literaturhistorischen Arbeiten als auch im weiten Feld der literatursoziologisch orientierten, dann aber auch der kulturgeschichtlichen und medienhistorischen Forschung zu den skandinavischen Literaturen finden. Dieses Feld kann hier nur mit wenigen Beispielen skizziert werden. Zu ihm gehören diachron angelegte Übersichtswerke, die einzelne kulturelle Praktiken wie die mündliche Dichtung (Lönnroth 2008) und (halb)öffentliche Foren für performative Handlungen in den Blick nehmen, wie z.B. die Salonkultur (Scott Sørensen 1998) oder halböffentliche Lesepraktiken im Familienkreis (Johannesson 1980), die Theatergeschichte (für Dänemark: Kvam 1992/93; für Norwegen: Lyche 1991 und Hagnell 1991; für Schweden: Hammergren 2004 und Forser 2007) oder die Geschichte der Literaturkritik (für Dänemark: Jørgensen 1994; für Norwegen: Beyer u. a. 1990–92 und Lervik 1980; für Schweden: Aspelin 1977 u. Rydén 1987). Aber auch identitätshistorische Überblickswerke wie Feldbæk 1991–92 (für Dänemark) oder Sørensen 2001 (für Norwegen) bieten Materialien für die Frage nach der Funktionalisierung von Literatur im Untersuchungszeitraum und zu den damit verbundenen kulturellen Praktiken. Mit Gewinn für unser Projekt heranzuziehen sind ebenfalls mediengeschichtliche (für Dänemark: Bruhn Jensen 2001–2004, für Norwegen: Bastiansen/Dahl 2008) und historisch angelegte literatursoziologische Übersichtswerke (für Dänemark immer noch: Møller-Kristensen 1970 sowie Worsøe-Schmidt 1994; für Norwegen: Dale 1974; für Schweden z.B.: Svanberg 1980, Bennich-Björkman 1970, 1988 und Svedjedal 1993).
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Skandinavisches Seminar |
Universiteit Gent Vakgroep Scandinavistiek en Noord-Europakunde |
Universität zu Köln Institut für Skandinavistik/Fennistik |