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Editorial
Gershom Scholem, eine Biographie
Selbstironie & Selbststilisierung. Wege zu Gershom Scholem
Wider den Mythos vom deutsch-jüdischen Gespräch
Das "deutsch-jüdische Gespräch" - Anmerkungen zu einem Skandalon
ZP - Leseliste des MBI´s
Hebräische Typographie im deutschsprachigen Raum
Sience at it´s best - Jüdische Geschichte an der LMU München
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(c) 99 Fachschaft Judaistik
Willkommen bei der Fachschaft Judaistik

Selbstironie und Selbststilisierung. Wege zu Gershom Scholem.

Von Alexis Hofmeister

Gründer, K.; Kopp-Oberstebrink, H. und F. Niewöner (Hg.): Gershom Scholem. Tagebücher, Aufsätze und Entwürfe bis 1923. Erster Halbband: 1913-1917. Zweiter Halbband: 1917-1923. Frankfurt/Main 1995 (Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag = JV) je Band DM 78, 00

Mendes-Flohr, Paul R.: Gershom Scholem: The man and his work. Albany, Jerusalem 1994 (SUNY-Series in Judaica: Hermeneutics, ...)

Schäfer, Peter (Hg.): Gershom Scholem: Betrachtungen über den Sinn und die Erscheinulngen der Kabbala (1921), in: Jewish Quarterly 5 (1998), S. 1-25

Ders.: Unauflösbare Spannung zwischen Philologie und Mystik, in: Frankfurter Rundschau vom 07. 07. 1998, S. 154

Ders. und Gary Smith (Hgg.): Gershom Scholem. Zwischen den Disziplinen. Frankfurt/Main 1925 (edition suhrkamp = es 1989) DM 22, 80

Ders. und Joseph Dan (Hgg.): Gershom Scholem´s Major Trends in Jewish Mysiticism. 50 Years after...Tübingen 1993, DM 178, 00

Scholem, Gershom:

Judaica III. Studien zur jüdischen Mystik. Frankfurt/Main 1973, 1987 (Bibliothek Suhrkamp = BS 333), darin: "Zehn unhistorische Sätze über Kabbala" (1958) DM 24, 80

Judaica V. Erlösung durch Sünde. Hrsg. von Michael Brocke. Ebd. 1992 (BS 111) DM 18, 80

Judaica VI. Die Wissenschaft vom Judentum. Hrsg. von Peter Schäfer. Ebd. 1997 (BS 1269) DM 22, 80

Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Ebd. 1980, 1996 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft = stw 330) DM 29, 80

Sabbatai Zwi. Der mystische Messias. Ebd. 1992 (JV) DM 120, 00

Von Berlin nach Jerusalem. Jugenderinnerungen. Erweiterte Fassung. Ebd. 1997 (suhrkamp tasschenbuch = st 2784) DM 16, 00

Shedletzky,Itta (Hg.): Gershom Scholem. Briefe I: 1914-1947. Sowie Briefe III: 1971-1982. München 1994, 1998. DM 98, 00

Sparr, Thomas (Hg.): Gershom Scholem. Briefe II: 1948-1970. München 1995. DM 84, 00
 
 

Gershom Scholem hat sowohl durch wissenschaftliche Arbeit als auch durch Äußerungen autobiographischer Art zum Verständnis der geistigen Situation des Judentums wichtige Impulse gegeben, deren Fernwirkungen auch heute noch, 17 Jahre nach seinem Tode nicht entgültig absehbar sind. Er hat durch seine gleich exemplarischen wie individuellen Lebenserinnerungen seinen Weg von Berlin nach Jerusalem in einer Weise erhellt, daß die Konstellation seiner Generation dem heutigen Verständnis ungewöhnlich plastisch entgegentritt. Die Konstanten seiner geistigen Welt treten früh hervor und die Einschnitte seines Lebens weren erkennbar. Freilich bleibt manches im Schatten; selbst nach der Lektüre der Tagebuchaufzeichnungen und der umfangreichen Korrespondenz muß dies so bleiben, teils weil die entsprechenden Aufzeichnungen bzw. Briefe nicht erhalten sind, teils weil sich Scholem selber vorsichtiger Ausblendung nicht enthält.

Als sein Œuvre im engeren Sinne läßt sich die philologisch - kritische Sichtung der Texte jüdischer Mystik bezeichnen, welche oft unter dem eher unklaren Namen Kabbala zusammengefaßt werden. Mehr als 15 Jahre des akademischen Wirkens Scholems waren der systematischen Findung und Wertung kabbalistischer Texte in den Bibliotheken und Archiven Europas gewidmet, bevor er an die Aufbereitung des gewaltigen Materials ging. Verschiedene Arbeitsweisen des Historikers: Heuristik und Analyse, Sytematisierung und Synthese hat Scholem in geradezu vorbildlich sturer Selbstbeschränkung durchgeführt, allerdings nicht ohne manchen Seitenhieb auf andere Forscher und ihre Methoden. Er blieb gegenüber ideologischen und wissenschaftlichen Methoden seiner Zeit nahezu immun und lehnte trotz seiner kontinuierlichen Bereitschaft zur Mitarbeit an interdisziplinären Diskussionsrunden, wie z.B. den Treffen der Eranos - Gesellschaft eine Übernahme ahistorischer Sichtweisen bei der Betrachtung jüdischer Ideengeschichte ab. Sein fachübergreifend inspirierendes Charisma befindet sich gegenüber dieser Sensibilität für Abgrenzung in einem gewissen Widerspruch.

Einen Versuch zur Entwirrung dieses scheinbaren Paradox´ gibt Amos Funkenstein im Tagungsband (es 1989) einer Berliner Konferenz, die im Gedenken an den zehn Jahre zuvor verstorbenen Professor für jüdische Mystik an der Hebräischen Universität im Rahmen der Ausstellung Jüdische Lebenswelten stattfand. Scholems Auseinandersetzung mit den Fragen der Autoren und Kompilatoren kabbalistischer Codices geriet zu einem Hinweis auf die Aktualität längst vergessener Texte, behauptet Funkenstein. Im hochsensitiven Spannungsfeld der europäischen Zeitgenossen Scholems sei die Sicht der wechselseitigen Prägung von Kabbala und den Zeitumständen ihrer Entstehung wie auch ihrer Tradierung als Deutung des eigenen Jahrhunderts und seiner Erfahrungen verstanden worden. Scholems geistige Autorität rührt nach Funkenstein trotz aller von ihm selbst geliebten Kontroversen um sein Werk, welche Scholems Deutungen heute teilweise überholt erscheinen lassen, von seinem angeblich außerordentlich hellsichtigen Zeitbewußtsein her, daß ihm Werk und Geschichtsbild erleuchtet habe.

Ein Wissenschaftler, der seine Bücher neu binden ließ, nachdem durch Einfügung leerer Blätter Platz zur Revision und zum Kommentar geschaffen worden war, sollte wenigstens wegen seiner Fähigkeit zur Selbstironie heutige Studentinnen und Studenten inspirieren.