Heft 197
Obwohl sich das Bundesverfassungsgericht stets darum bemüht hat, die Staatsferne und Programmautonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfassungsrechtlich zu stärken, hat die deutsche Medienpolitik 2004 ein langwieriges Ringen um die Gebührenerhöhung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab 2005 erlebt, die in eine politische Gebührenfestsetzung mündete. Dabei haben die Länder als medienpolitische Akteure erhebliche rechtliche und politische Risiken für eine nach Ansicht vieler Kritiker marginale Reduzierung der Gebührenerhöhung auf sich genommen.
Während die Rundfunkanstalten in der politischen Gebührenentscheidung die ungerechtfertigte, standortpolitisch motivierte Beschädigung eines vorbildlichen Gebührenfestsetzungsverfahren erblicken, interpretiert der Autor, Mitarbeiter eines Mitglieds der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), die Gebührendebatte im hier vorgelegten Arbeitspapier als Ergebnis einer Kumulation von Steuerungsproblemen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die unter den institutionellen Beschränkungen, denen die Medienpolitik der Bundesländer unterliegt, nicht effizient bearbeitet werden können. Daher besteht der wesentliche Steuerungsimpuls der re-politisierten Gebührenentscheidung seiner Ansicht nach auch nur in einer Festschreibung des Status quo. Die „Europäisierung“ der Gebührenauseinandersetzung wäre dann notwendige Folge der institutionellen Restriktionen der deutschen Medienpolitik und könnte in einer weitreichenden Revision des nationalen Regulierungsregimes münden. Am Ende könnten sich die Länder als die großen Verlierer herausstellen.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Rundfunkanstalten als "Treuhänder"
3. Präferenzen und Anreize im Finanzbedarfsanmeldespiel der Anstalten
4. Multiple Vetopunkte und mehrdimensionale Präferenzen im Ratifikationsspiel der Länder
5. Die supranationale Dimension des Gebührenspiels: Inkompatible Policy-Paradigmen und "competence creeping"
6. Die aktuelle Gebührendebatte
6.1. Die Agenda der Gebührendebatte
6.2. Der 14. Bericht der KEF
6.3. Die Drohung eines Gebührenvetos: Das Stoiber-Milbradt-Steinbrück-Papier
6.4. Kompromissfindung unter den Ländern: Deeskalation und Entkopplung
6.5. Der Versuch einer kooperativen Lösung des Gebührenkonfliktes
6.6. Die "politische Lösung" der Gebührenfrage
6.7. Die Vergeltungsschläge der Anstalten
7. Das Ergebnis des Ratifikationsspiels: Status quo-Festschreibung mit politischen Risiken
8. Europäisierung des nationalen Regulierungsregimes?
9. Ausblick