Einige Hinweise zum Editionskonzept

Es handelt sich bei der vorliegenden Edition um ein experimentelles Projekt auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung "digitaler Editionen". Bei den Verfassern handelt es sich um einige Studenten der Universität zu Köln mit freundlicher Unterstützung durch Prof. Rolshoven, Abteilung Sprachliche Informationsverarbeitung und durch die Dom- und Diözesanbibliothek Köln. Grundvoraussetzungen und Ziele des Projekts seinen kurz zusammengefaßt:

1. Der Ausgangspunkt ist eine Quelle. Genauer, eine Sammelhandschrift, die Texte verschiedener Autoren unter einem übergeordneten Gesichtspunkt zusammenfaßt. Ziel ist die Edition dieser Handschrift als geschlossenem Gesamtkodex und als Menge individueller Textzeugen. Im Mittelpunkt stehen nicht die Texte, oder gar deren kritische Edition, sondern der Kodex selbst, der in seiner Individualität erfaßt und editionstechnisch aufbereitet werden soll.

2. Aufgabe der Technik, insbesondere des Einsatzes von Hypertext und Hypermedia, ist es, die unterschiedlichen Editions- und Informationsebenen aus denen eine editorische Wiedergabe der Quelle bestehen muß, zur Verfügung zu stellen und die einzelnen Informationsebenen bzw. -einheiten miteinander zu vernetzen.

3. Das Projekt zielte ursprünglich auf eine CD-ROM als endgültigem Publikationsmedium. In der derzeitigen Phase der Softwareauswahl hat sich gezeigt, daß die vorhandenen Autorensysteme keine zufriedenstellenden Umsetzungen der Grundforderungen der Editoren ermöglichen. Diesen Anforderungen kommt am ehesten noch das Programm "Toolbook" entgegen. Daneben sollen hiermit die Möglichkeiten und Grenzen einer Umsetzung auf der Basis von HTML/Netscape getestet werden. (Die Stärken von HTML/Netscape liegen neben der Plattformunabhängigkeit, der ASCII-Bsierung (leichtere externe Weiterverarbeitung der Informationen) der Internetkompatibilität (Präsentation von Teilversionen; Verknüpfung mit externen Informationen) und der weiten Verbreitung (leichterer Einstieg für Benutzer) vor allem in der zu erwartenden rapiden Erweiterung der technischen Möglichkeiten des Systems (HTML/Netscape) und der Verknüpfung mit eigentlich Programmfremden Softwaremodulen, wie. z.B. Datenbanksystemen.)

Es geht mithin hier nur um die Frage der technischen Umsetzung einiger trivialer Grundannahmen zum Konzept der "digitalen Edition" (siehe unten). Angestrebt ist eine Diskussion über die Frage ob die technische Umsetzung der theoretischen Grundannahmen in dieser Form (HTML/Netscape) zufriedenstellende Ergebnisse bringen kann.
Dies bezieht sich vor allem auf die Handhabung durch den Benutzer. Ist die Edition in dieser Form verständlich oder zu kompliziert? Entspricht sie den Anforderungen und Wünschen des Benutzers? Wo sind ästhetische und didaktische Verbesserungen möglich? Was ist von der hier verwendeten hybriden Steuerung (zentrale Steuerung durch Menüfenster plus relative Steuerung aus den einzelnen Informationseinheiten heraus) zu halten?

Diese Probleme können nur in der Diskussion mit den (Test-)Benutzern diskutiert werden. Zu fragen ist aber über den gegenwärtigen Stand der Umsetzung hinaus, nach weiteren technischen Möglichkeiten und deren sinnvollem Einsatz in dieser Edition. Denn darin ist das Grunddilemma geisteswissenschaftlicher Computerprojekte zu sehen, daß sie in der Regel eben keine eigene spezifische Software entwicklen können, sondern versuchen müssen, die Bausteine der bereits existierenden (und für andere Anforderungen entwickelten Software) für sich nutzbar zu machen.
Einige Bausteine aus dem Bereich HTML/Netscape sind hier noch nicht verwendet worden - über ihre sinnvolle Einbeziehung wäre nachzudenken.

Dazu ein kurzer Ausblick:

1. Einige kleinere technische Features. Mit der "onmouseover-Funktion" und den "sensitive maps" stellt HTML zwei weitere Steuerungs- und Anzeigefunktionen zur Verfügung, die in dieser Edition vielleicht sinnvoll zu verwenden wären. Die "onmouseover-Funktion" bewirkt, daß bereits in dem Moment, in dem die Maus über bestimmte Bereiche des Bildschirm bewegt wird, bestimmte (textliche) Informationen in der "Statuszeile" von Netscape angezeigt werden. Eine klassische Anwendung ist z.B. die Erläuterung von Buttons beim Berühren mit der Maus. "sensitive maps" meint die Möglichkeit, Bilder intern zu segmentieren und diesen Segmenten einen anklickbaren Link oder eben die "onmouseover-Funktion" zu hinterlegen. So könnte z.B. die Statuszeile als zusätzlicher neuer Anzeigebereich genutzt werden, um eine zeilenweise Transkription der Seiten der Handschrift zu bieten, je nachdem auf welcher Zeile des Bildes sich die Maus gerade befindet (Demonstration: fol. 130v, 770 Pixel). Außerdem könnten die Teilbereich der Bilder anklickbar gemacht werden und auf einen Mausklick hin zu Vergrößerungen der Segmente oder zu externen Verbindungen aus dem Bild heraus führen.
Mit Java-Script (das aus grundsätzlichen Überlegungen bisher vermieden wurde) wäre die Einführung zusätzlicher, vom Layout des Grundprogramms weitgehend unabhängiger Fenster möglich. So ließen sich zu der Grundstruktur jeweils neue kleine Fenster für Anmerkungen, Glossare oder andere zusätzliche Informationen (hier z.B. parallele Überlieferung von Bildern/Zeichnungen) öffnen, die nach Gebrauch auch wieder verschwinden würden. Überhaupt wäre durch die Einbeziehung von Java-Script

2. Eine höhere Eleganz bei der Steuerung möglich. Eine Programmierung mit Variablen ist bei HTML leider noch nicht möglich. Diese würde aber gerade der vorliegenden Edition an zwei Stellen sehr zugute kommen. Zum einen bei dem Zugriff auf bestimmte Informationseinheiten, zum anderen bei der Frage nach dem parallelen Schalten zwischen Informationseinheiten. Bislang muß der Zugang zu sämtlichen Informationen über den Menübaum hergestellt werden, was zu lästigem und unkomfortablem Dauerklicken durch die Menüs führt. Mit einer Variablenprogrammierung könnte der Benutzer bereits an relativ frühen Stellen im Menübaum das Ziel selber angeben. Die Menüstruktur könnte außerdem durch die Einführung von "Pull-Down-Menüs" vereinfacht werden, die aber ebenfalls nur über Java-Script sinnvoll zu realisieren sind. Letztlich wäre zu überlegen, ob das ganze Menüfenster im linken Bildschirmbereich nicht durch eine einzige Zeile mit (hierarchischen) Pull-Down-Menüs zu ersetzen wäre.
Ein in dieser Editionsform noch ungelöstes Problem ist das parallele scrollen und schalten. Bei der Darstellung von zwei oder drei Inhaltsfenstern ist zu erwarten, daß der Benutzer sich auf parallelen Editionsebenen auch parallel auch parallel bewegen möchte. Daß beim Umschalten auf die nächste Bildseite auch die Transkription auf die nächste Seite wechselt. Dies ist ebenfalls (nicht ganz leicht) nur mit Java-Script und einer Variablensteuerung möglich.

3. Die einzelnen Editionsebenen könnten noch weiter aufgearbeitet werden. Dies betrifft insbesondere den Bereich der "kritischen Edition". Hier wäre z.B. der Anmerkungsapparat in ein tatsächliches Hypertextsystem zu überführen, oder die Varianten und das Verhältnis der Handschriften zu visualisieren. Diese Option entspräche zwar unmittelbar dem Hypertextgedanken, wird hier aber nicht verfolgt, weil das Grundkonzept die einzelne konkrete Quelle (und nicht ihre - abstrakten - Texte) in den Vordergrund stellt. In diesem Sinne wäre allerdings zu fragen, ob man dann nicht in der kritischen Edition das Verhältnis zum edierten Kodex deutlicher hervortreten lassen sollte, indem man z.B. die Abweichungen der Kölner Handschrift vom Text der jeweiligen kritischen Edition kenntlich macht, und mit diesem an den entsprechenden Stellen verknüpft.

4. Qualität der Bilder. Siehe Hinweise zur Benutzung.


Die "Digitale Edition" und was ich darunter verstehe

... wird ca. Juni/Juli 1997 nachgereicht.


Patrick Sahle, 13. 2. 97