2. Einleitung

2.1 Ziel der Arbeit

Das Thema Gentechnik wird zwar heute auch schon im Unterricht behandelt, aber eine Auseinandersetzung findet nur auf theoretischer Ebene statt. Das hängt nicht zuletzt mit dem nur geringen Angebot an dafür ausgearbeiteten Schülerexperimenten zusammen, aus der der Lehrer je nach Unterrichtsschwerpunkt das für sich passende Schülerexperiment auswählen könnte. Die lediglich theoretische Auseinandersetzung mit einem Unterrichtsthema ist für eine experimentelle Wissenschaft wie die Biologie ein unbefriedigender Sachverhalt. Darin ist auch die Aufgabenstellung begründet, das Schülerexperiment zur genetischen Transformation zu erstellen.
Gespräche mit unterrichtenden Lehrern, die zwar nicht repräsentativ geführt wurden, aber dennoch eine Tendenz erkennen lassen, ergaben, daß von ihrer Seite her Interesse an ausgearbeiteten Unterrichtsmaterialien, einschließlich Experimentieranleitungen zu Themen der Gentechnik besteht und gerade auch Schüler an der unterrichtlichen Behandlung solcher Themen starkes Interesse zeigen.
In der vorliegenden Arbeit stelle ich ein Schülerexperiment zur genetischen Transformation für den Biologieunterricht der Sekundarstufe II vor. Dieses basiert auf Versuchsprotokollen, die für Schüler in Dänemark und den USA entwickelt und dort seit mehr als 8 Jahren erfolgreich in Schulen durchgeführt werden sowie auf der Verwertung von Protokollen, die in molekulargenetischen Forschungslaboratorien erstellt wurden. Von mir sind diese Versuchsprotokolle für eine Verwendung im Biologieunterricht der Sekundarstufe II modifiziert, erprobt und didaktisch aufbereitet worden. Die Modifikationen berücksichtigen den Gesichtspunkt der Durchführbarkeit an Schulen hinsichtlich der Verwendung alternativer Chemikalien sowie der Reduzierung des materiellen Aufwandes und einer hohen Erfolgschance auch bei Schülern, die mit den verwendeten Techniken und praktischem Arbeiten generell nicht vertraut sind.

2.2 Genetische Transformation

Der Begriff der Transformation wird synonym auf eigentlich zwei unterschiedliche biologische Sachverhalte angewendet. In der Zellbiologie wird damit der Prozeß bezeichnet, „der zu vererbbaren Zellveränderungen mit meist maligner Entartung und damit zur Ausbildung von Tumorzellen führt" (IBELGAUFTS 1992, S. 460). Diese Art von Definition wird auch mit „Zell-Transformation" gleichgesetzt. Aus der Sicht der Genetik hingegen ist mit Transformation „die Einführung von nackter DNA in eine entsprechend vorbehandelte Bakterienzelle" gemeint (IBELGAUFTS 1992, S. 460). NEVERS et al. (1992, S. 149) gehen über die Einschränkung auf Bakterienzelle hinaus und definieren diese Form von Transformation als „Übertragung gereinigter, auch rekombinanter DNA auf Zellen".
Bei dem in der Arbeit vorgestellten Schülerexperiment soll es um die Transformation genetischer Betrachtungsweise gehen.
Die genetische Transformation wurde für das Schülerexperiment ausgewählt, weil es sich dabei um eine zentrale Technik handelt, die Voraussetzung für fast alle Gentechnik ist. Dadurch ist das Schülerexperiment sehr realitätsnah und am Laboralltag orientiert. Das bietet den Schülern die Möglichkeit sich in die Forscherrolle zu begeben und einen aktiven Zugang zu dessen Betätigungsfeld zu bekommen. Zudem ist die genetische Transformation eingebettet in wichtige weitere molekularbiologische Techniken.

2.3 Das Schülerexperiment zur genetischen Transformation im Zusammenhang einer Unterrichtsreihe

Im Mittelpunkt des Schülerexperimentes steht die genetische Transformation eines Sicherheitsstammes von Escherichia coli (E. coli) mit Plasmid-DNA. In Ergänzung zu diesem Versuch werden noch vier weitere Experimente vorgeschlagen. In ihnen können die Schüler weitere genetische bzw. molekularbiologische Methoden kennenlernen, mit deren Hilfe DNA analysiert werden kann. Im einzelnen handelt es sich bei den Experimenten um die
Isolation von Plasmid-DNA aus dem Bakterium E. coli, die Restriktionsspaltung von DNA mit Restriktionsenzymen, die elektrophoretische Auftrennung von DNA-Fragmenten im Agarosegel und die phänotypische Auswertung transformierter Zellen auf speziellen Agarplatten.

Die einzelnen Experimente sind so ausgewählt, daß sie in unterschiedlicher Kombination mit dem eigentlichen Transformationsexperiment durchgeführt werden können (Abb. 1).

abbildung 1
Abbildung 1: Die Versuche der Unterrichtsreihe mit ihren Kombinationsmöglichkeiten (Als grosse Abbildung)


Dabei kann der Lehrer selbst entscheiden, ob die komplette Versuchsreihe oder nur einzelne Versuche oder Versuchskombinationen im Unterricht durchgeführt werden sollen. Die jeweilige Entscheidung wird sicherlich von einer Reihe von Faktoren abhängen, wie z.B. die zur Verfügung stehende Zeit, die schulische Ausstattung, die vorhandenen Kenntnisse der Grundlagen und die Motivation der Lerngruppe.
Das Schülerexperiment zur genetischen Transformation ist geeignet, Schülern den Zugang zum Verständnis biotechnischer Verfahren, zu denen die Gentechnik zählt, zu erleichtern. Mit Hilfe des Schülerexperimentes können den Schülern wichtige Prinzipien der Gentechnik vermittelt werden. Die Vermittlung von Prinzipien der Gentechnik kann aber nicht ausschließlich anhand des Schülerexperimentes erfolgen. Vielmehr ist es für das Verständnis nötig, daß die Schüler sich grundlegende theoretische Kenntnisse erarbeiten. Eine eigens dafür zusammengestellte Literaturliste ist in Kapitel 3.6 zu finden. Die darin aufgeführten Titel können vom Lehrer für die Unterrichtsvorbereitung, als auch für den Einsatz im Unterricht herangezogen werden. Das Ziel dieser Unterrichtsreihe ist, die Schüler in die Lage zu versetzen, die Grundlagen der Gentechnik zu erfassen, Sachargumente von Befürwortern und Kritikern zu verstehen sowie zu bewerten und zu einem eigenen, begründeten Urteil in Hinblick auf die Gentechnik und ihre Anwendungsmöglichkeiten zu gelangen. Dieses stellt die Basis für eine vorurteilsfreie Diskussion über Chancen und Risiken der Gentechnik dar.

2.4 Veröffentlichte Materialien zur Behandlung molekularbiologischer Techniken in der Schule

Gerade zur experimentellen Erarbeitung von Prinzipien der Gentechnik bzw. grundlegender molekularbiologischer Techniken existieren für den deutschsprachigen Raum nicht genügend Versuchsanleitungen und komplett zusammengestelltes Versuchsmaterial („Kits"). Dies zeigte eine im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte Bestandsaufnahme, die anhand der Durchsicht unterschiedlicher Informationsquellen stattfand. Dazu gehörte Literatur aus dem In- und Ausland in Form von Schulbüchern und regelmäßig erscheinenden Fachzeitschriften für Schulen, die Online-Datenbank zur Literaturdokumentation Bildung und Informationsseiten im World Wide Web des Internets. Eine Liste, der zu diesem Thema verfügbaren bzw. so weit bekannt, in Entwicklung befindlichen Versuchsanleitungen und Versuchkits, ist dem Anhang beigefügt (Anhang 11.4).
Für die experimentelle Behandlung dieses Themas liegen in Dänemark und in den USA zahlreiche Versuchsanleitungen seit längerer Zeit vor. Diese Versuche werden im Schulunterricht auch regelmäßig durchgeführt und decken vor allem in den USA die gesamte Bandbreite moderner biologischer Verfahren ab. In Deutschland hat bislang das Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel Versuchsanleitungen und einen Versuchskit veröffentlicht, die mit einigen Beispielen an die Gentechnik heranführen. Daneben sind noch wenige regionale Lehrerfortbildungsveranstaltungen zu nennen, in denen Lehrern Versuche zur modellhaften Erschließung des Themas Gentechnik vorgestellt werden.
Erwähnenswert scheinen mir an dieser Stelle noch zwei Initiativen, die das Spektrum an Unterrichtsmaterialien für die unterrichtliche Behandlung neuer biologischer Verfahren, Aspekte zur Gentechnik eingeschlossen, ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung deutlich erweitern sollen. Am IPN werden z.Z. in einem durch das BMBF geförderten Projekt Materialien für die unterrichtliche Behandlung der Gentechnik erstellt. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Berücksichtigung ethischer Gesichtspunkte. Eine weitere Initiative unter dem Namen EIBE (European Initiative for Biotechnology Education) wird mit Mitteln der Europäischen Union gefördert. Im Zuge dieser Initiative, der u.a. Dänemark, Deutschland, vertreten durch das IPN, Italien und Großbritannien angehören, sollen Unterrichtsmaterialien für den Schulunterricht zu einzelnen Bereichen der Biotechnologie erarbeitet werden. Darunter fallen Einheiten wie DNA-Fingerprinting, transgene Pflanzen und Tiere, Mikroorganismen und Moleküle, Fragen zur Humangenetik, Humanes Genomprojekt, Biotechnologie in der Lebensmittelindustrie und Umweltschutz, Immunologie und medizinische Biotechnologie. Ein Bestandteil dieser Materialien sollen Versuchsanleitungen sein.
Das von mir vorgeschlagene Schülerexperiment zur genetischen Transformation kann und soll nicht in Konkurrenz zu den in den Initiativen entworfenen Materialien treten. Vielmehr soll das Schülerexperiment zur genetischen Transformation als Erweiterung der vorhandenen genetischen Methodik verstanden werden, die es dem Lehrer ermöglicht, aus einer dann vorliegenden größeren Anzahl von Möglichkeiten das für seinen Unterricht passende auszuwählen. Ein weiterer Aspekt war der der kurzfristigen Verwirklichung, um den interessierten Lehrern möglichst schnell Materialien zur Verfügung stellen zu können, da mit den Ergebnissen der Arbeit in den genannten Initiativen erst mittel- bzw. langfristig zu rechnen ist.

2.5 Diskussion und Optimierung des entwickelten Schülerexperimentes

Es ist geplant, daß Schülerexperiment zur genetischen Transformation im Rahmen von Lehrerfortbildungsveranstaltungen im Institut für Genetik der Universität Köln Lehrern vorzustellen. Sie sollen dabei die Möglichkeit erhalten, das Schülerexperiment mit all seinen Bestandteilen durchzuführen. Damit werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen sollen die Lehrer eigene praktische Erfahrungen für eine spätere Durchführung im Schulunterricht sammeln können. Zum anderen soll mit den Lehrern unter evaluativen Gesichtspunkten über Vor- und Nachteile des Schülerexperimentes diskutiert und nach Verbesserungen gesucht werden, die dann in die Gestaltung des Schülerexperimentes mit einfließen sollen.

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