KONSTRUKTIVISMUS :: Texte
 

 

Kurzes Wörterbuch zur konstruktivistischen Didaktik

 

  Autopoiese
 
(griech.: autos = selbst und poiein = machen) Selbsterzeugung;

Autopoietische Systeme (z.B. Maschinen) erzeugen durch ihr Operieren fortwährend ihre eigene Organisation.Der Begriff stammt aus der kybernetisch beeinflußten Biologie. (H.R. Maturana)

Autopoietische Systeme sind zugleich geschlossen und offen: Sie sind selbstreferentiell geschlossen durch rekursive Zirkularität, was bedeutet, dass sie strukturell die Fähigkeit haben, ihre Elemente selbst zu reproduzieren. Sie sind offen, da sie in einer Umwelt existieren, mit der sie interagieren. Diese Beschreibungen sind vornehmlich aus der Beobachtung biologischer Prozesse und teilweise auch in der Neurobiologie gewonnen worden.

Für den hier vertretenen Ansatz ist der Begriff problematisch, insofern mit ihm eine naturalistische Ableitung der Wirklichkeitskonstruktionen unterstellt wird. Wenn wir sagen, dass der Mensch in seinem Nervensystem oder Gehirn autopoietisch strukturiert sei, um damit zu beweisen, dass er die Wirklichkeit außen bloß konstruiert, so unterliegen wir einem naturalistischen Fehlschluss. Dieser besteht darin, dass wir ein theoretisches Modell bzw. Konstrukt dazu benutzen, die Wirklichkeit der angemessenen Lösung des Konstruktivismus zu beweisen. Ein solcher Beweis aber ist logisch nicht haltbar, denn er operiert immer schon mit der Behauptung (als Konstrukt) für ein anderes Konstrukt, das nun wie von außen bewiesen werden soll. Wir sollten vorsichtiger argumentieren: Autopoietische Systeme z.B. aus der Sicht der Biologie zeigen, wie sehr der menschliche Organismus durch sein Operieren sein eigenes organisches System erzeugt. Dies aber kann nicht einfach auf sein kulturelles System übertragen werden. Das kulturelle System ist zwar auch konstruiert, aber es unterliegt anderen Strukturen, die kaum sinnvoll in stark vereinfachender Form mit dem Konzept der Autopoiese beschrieben werden können. Hier müssen wir eine Beschreibung wählen, die viabel für Kulturgeschichte ist: also Anschluss an alle jene Beschreibungen suchen, die die Entwicklung und Veränderung von Kulturen beschreiben.
Da die Pädagogik und Didaktik auch zu solchen kulturellen Konstruktionen gehört, macht es wenig Sinn sie auf biologische Erkenntnisse in einem ableitenden Sinne zu begründen. Dies bedeutet nicht, dass wir die Forschungen der Naturwissenschaften nicht interessant finden sollten, sofern wir vermeiden, sie immer gleich als Beleg für kulturelle Entwicklungen zu nehmen. Wir stehen in der Erforschung der Komplexität des Zusammenwirkens von natürlichen und kulturellen Prozessen noch sehr am Anfang der Forschungen.