6.
Reflexion der Methode
>> 6.1 Methodenkompetenz
>> 6.2 Methodenvielfalt
>> 6.3 Methodeninterdependenz
6.1 Methodenkompetenz
Jede Form von eigenverantwortlichen Lernprozessen steht im untrennbaren Zusammenhang mit dem Möglichkeitsraum der Mitbestimmung. Die Form der Mitbestimmung kann je nach Kontext variieren, aber sie ist grundsätzlich methodisch zu berücksichtigen. Dies deckt sich mit dem Anspruch der konstruktivistischen Didaktik, eine möglichst hohe Partizipation aller Lerner für alle Aspekte des Lernens zu erreichen. Die konkreten Mitgestaltungsmöglichkeiten sind dabei an die Fähigkeiten und die Erfahrungswerte der Lerner anzupassen. Aber hier müssen Lehrende tatsächlich „Demokratie im Kleinen“ fördern wollen und dies als Vision auch vor Augen haben, um erfindungsreich und fantasievoll nach Chancen und Möglichkeiten der Umsetzung gemeinsam mit den Lernern zu suchen. Lehrende benötigen dazu ein ausgeprägtes demokratisches Grundverständnis und die Bereitschaft, den Lernern Mitspracherechte einzuräumen, d.h. immer auch ihre dominante und bestimmende Rolle zu verlassen. Zusätzlich sind hierbei immer auch organisatorische Kompetenzen erforderlich.
Um eigenständige Lernprozesse sowie Vorgänge der Mitbestimmung gleich welcher Form einzuführen, bedarf es einer sorgfältigen Planung, beispielsweise über benötigte Materialien, den Zeitrahmen und generell die Strukturierung der Prozesse. Hierzu gehören auch die unter Darstellung der Methode genannten Regeln. Je erfahrener die Lernenden in diesen (demokratischen bzw. selbstbestimmten) Lernprozessen sind, desto stärker kann sich der Lehrende daraus zurückziehen. Dies stellt einen Grund dar, warum „Demokratie im Kleinen“ schon so früh wie möglich erfahrbar werden sollte. Eigenständiges Lernen/Tun und demokratisches Handeln stellen einen hohen Anspruch dar, der verschiedene Kompetenzen verlangt. Neben Verantwortungsbewusstsein, Handlungsfähigkeit, Selbstbestimmung und Selbstvertrauen muss auch das Vermögen treten, sich auf die Sichtweise des Anderen einlassen zu können. „Demokratie im Kleinen“ zu praktizieren ermöglicht, dass mit dem Lernen dieser Kompetenzen schon im frühen Alter begonnen werden kann. So werden Anknüpfungspunkte geschaffen, an die sich weiteres Erfahren und Lernen anschließt, so dass später die Lernenden auch an komplexen demokratischen Prozessen partizipieren sowie komplizierte Aufgaben eigenständig bewältigen können. Damit wird ein basisdemokratisches Prinzip ausgeübt, das auch für die Gestaltung der „Demokratie im Großen“ zunehmend von Bedeutung sein kann.
Aus interaktionistisch-konstruktivistischem Blickwinkel gesehen, bedeuten Prozesse, in denen Demokratie im Kleinen geübt wird, die Möglichkeit, ein Lernen zu erreichen, in dem die Kompetenz eigenständiger Konstruktion gefördert wird. Rekonstruktionsleistungen werden hier freilich auch erbracht, jedoch unter dem Vorzeichen einer Kritikfähigkeit, anhand derer der Lernende die Lerninhalte nicht nur zu reproduzieren vermag, sondern auch reflektiert zu beurteilen vermag. Dekonstruktives Denken ist als Möglichkeit des Umgangs mit Kritik und Konfliktlösungen in diesem erweiterten Möglichkeitsraum eingeschlossen. Das Bewusstsein für die eigenen Handlungsmöglichkeiten, die Selbstverantwortung einschließen, wirkt als Nährboden, in dem nicht nur Kritikfähigkeit entwickelt wird, sondern untrennbar damit verbunden auch Selbstvertrauen und ein imaginäres Selbstbild, das die Bedeutsamkeit der eigenen Persönlichkeit, ihrer Eigenschaften, Einstellungen, Gedanken, Handlungen und Erfahrungen spiegelt, gefördert werden kann. Dieses Bewusstsein, gepaart mit der in solchen Lernprozessen erfahrenen Kompetenz, die Perspektive Anderer einnehmen und in reflektierter Weise respektieren (und ggf. auch ablehnen) zu können, entsprechen dem Anspruch einer aktiven und mündigen Partizipation in einer demokratischen Gesellschaft. Eine rein theoretische Bearbeitung des Themenfeldes Demokratie im Unterricht, ohne die Möglichkeit der eigenen Erfahrung demokratischer Prozesse im schulischen Leben, birgt nicht nur die Gefahr des Selbstwiderspruchs in sich, sondern stärkt eine bloß passive Teilnahme am demokratisch-gesellschaftlichen System und fördert eher Politikverdrossenheit, wie man gegenwärtig beobachten kann. Bestenfalls können dann demokratische (oder nicht demokratische) Vorgänge beobachtend beschrieben und vielleicht auch kritisch hinterfragt werden, die Bereitschaft und Fähigkeit, diese Beobachtungen in (verändernde) Aktivität münden zu lassen, ist jedoch nur noch eingeschränkt vorhanden. Durch die aktive Erfahrung von Demokratie im Kleinen entwickelt sich die Kompetenz, sich bewusst als Teilnehmer einer Demokratie zu erleben, als Beobachter demokratische Prozesse und die eigene Position in diesen kritisch zu reflektieren und als Akteur handelnd diese Position zu gestalten.
6.2 Methodenvielfalt
Die Erläuterungen zu „Demokratie im Kleinen“ stellen keine einzelne und konkrete Methode dar, sondern eher ein wesentliches Grundprinzip, dem verschiedene Methoden gerecht werden sollten. In Hinsicht auf den Aspekt der Mitbestimmung kann beispielsweise außer dem hier schon vorgestelltem Kinderparlament die Methode des Klassenrates genannt werden. Bei beiden Methoden stellt der Moment der Mitbestimmung ebenso das wesentliche Strukturelement dar, wie die Aspekte der Selbstbestimmung und des eigenständigen Handelns für die Nutzung dieser Möglichkeit der Mitbestimmung relevant sind.
Auf der selbstständigen Gestaltung des Lernprozesses durch die Schüler unter dem Vorzeichen der Mit- und Selbstbestimmung basieren Methoden wie die Projektarbeit, Freiarbeit oder auch der Wochenplan. Da die Projektarbeit zumeist in Form von Gruppenarbeit verläuft, werden dort neben der selbstständigen Organisation des Lernprozesses auch explizit soziale Kompetenzen geübt. Die genannten Methoden beschreiben nur einen kleinen Teil der methodischen Landschaft, die mit verschiedener Schwerpunktsetzung dem Anspruch eines demokratischen sowie eigenständigen Handelns in Lehr- und Lernsituationen entspricht. Weitere Beispiele sind: Wandzeitung, Juniorfirma, Feedback usw. Aber auch in viele andere Methoden ist eine „Demokratie im Kleinen“ eingeschrieben. Demokratie im Kleinen zu realisieren ist aus der Sicht der konstruktivistischen Didaktik Ziel und Grundlage für jegliche Arbeit in Gruppen.
6.3 Methodeninterdependenz
Die Möglichkeit der Mitbestimmung ist die Voraussetzung für alle Methoden, die die Eigenverantwortlichkeit der Schüler fördern. Ohne diese Möglichkeit wird die Forderung nach eigenverantwortlicher Gestaltung des Lernprozesses unglaubwürdig und absurd. Die Formen der Mit- und Selbstbestimmung sowie des selbstständigen Handeln sind vielfältig und bestimmen sich durch ihren jeweiligen (methodischen) Rahmen. So beschreibt „Demokratie in Kleinen“ im schulischen Bereich grundsätzlich eine Beziehungskonstellation zwischen Lehrenden und Lernenden, in dem einem eher gleichberechtigten Rollenverständnis der Vorzug gegeben wird. Die Auflösung der dominant bestimmenden Lehrerrolle setzt die Grundlage für ein erweitertes Mitbestimmungsrecht der Schüler und dadurch auch für eigenständiges und selbstverantwortliches Handeln seitens der Lernenden. Neben dieser grundsätzlichen demokratischen Einstellung gegenüber allen Teilnehmern des schulischen Geschehens verwirklicht sich Demokratie im Kleinen in der Durchführung jener Methoden, deren wesentliche Merkmale Mitbestimmung, Selbstbestimmung und eigenständiges Handeln im Lernprozess sind.
|