Kurze Beschreibung der Methode
Primäre und sekundäre Quellen
Theoretische und praktische Begründung
Darstellung der Methode
Beispiele
Reflexion der Methode
Praxiserfahrungen

3. Theoretische und praktische Begründung

>> 3.1. theoretische Begründung
>> 3.2. prakttische Begründung


3.1. Theoretische Begründung

Community und communication tragen für John Dewey nicht nur eine gemeinsame sprachliche Wurzel, sie müssen auch in der Erziehung konsequent aufeinander bezogen sein. Eine community ist die Voraussetzung dafür, Demokratie vor Ort, d.h. im Kleinen zu erleben. Das kann jedoch nur hinreichend geschehen, wenn alle Beteiligten in dieser Gemeinschaft auch intensiv miteinander kommunizieren. Solche Kommunikation bedarf eines wechselseitigen Austauschs, der möglichst enthierarchisiert stattzufinden hat. Dewey will damit keinesfalls das Gefälle im Wissen und in den Erfahrungen zwischen Lehrenden und Lernenden aufheben, aber aus der Sicht der Lernenden kann der Wissens- und Erfahrungsvorsprung nur dann nutzbringend sein, wenn er zum Vorteil und nicht zum Nachteil des Lerners eingesetzt wird. Von Vorteil für den Lerner aber ist es, wenn dieser an den Bedingungen, den Chancen, den Perspektiven, auch den bevorzugten Inhalten und Methoden kontinuierlich und konsequent partizipiert. Von Nachteil hingegen wäre es, wenn der Lehrende ihn zunächst für unmündig hält und erst einmal seine Sicht durchsetzt, um dann später irgendwann einmal zu erwarten, dass der Lerner schon selbstständig werden wird. Hierbei lernt der Lerner nicht nur eine Abhängigkeit vom Lehrer, sondern auch Unselbstständigkeit, nicht hinreichendes Selbstvertrauen, bloßes Auswendiglernen und die Bevorzugung vorgegebener Lösungen. Dagegen wäre es vorteilhaft, er würde eine forschende Einstellung zum Lernen gewinnen, die ihn durch das Erkennens des Lernsinns motivieren könnte und die ihn zu neuen Wegen, zumindest zu seinen Wegen des forschenden Entdeckens und Erfindens bringen könnte.
Für Dewey gibt es zwei wesentliche Kriterien der Gestaltung und Erneuerung einer demokratischen community (MW 9, 89 ff.):

(1) Wie zahlreich und unterschiedlich sind die bewusst geteilten Interessen in einer Gemeinschaft? Demokratie entsteht dort leichter, wo zahlreiche und unterschiedliche bewusst geteilte Interessen vorliegen, weil und insofern hier auch eine Denkweise entsteht, die von einem Sinn für die Unterschiedlichkeit von Interessen im Rahmen sozialer Kontrolle ausgeht und diesen dann auch in der Erziehung entwickeln muss.

(2) Wie vollständig und frei ist der Austausch mit anderen Gemeinschaften? Demokratie entsteht dort leichter, wo nicht nur eine Interaktion zwischen sozialen Gruppen in einer Gesellschaft stattfindet, sondern wenn und insofern auch ein Habitus ausgebildet wird, der kontinuierlich neue Herausforderungen im Rahmen des sozialen Wandels durch die unterschiedlichen Interaktionen herzustellen und stets neu zu justieren in der Lage ist.

Diese beiden Grundsätze sind Leitgedanken für eine Demokratie im Kleinen. Sie decken sich vollständig mit Anforderungen, die auch eine konstruktivistische Didaktik in der Gegenwart stellt. Demokratie beginnt nämlich nicht dadurch, dass wir inhaltlich lernen, was Demokratie als Stoff, als Thema oder Inhalt ist, sondern in allen Fächern erfahren und lernen können, dass es unterschiedliche, verschiedene Versionen von Wirklichkeiten gibt, wobei die Pluralität keine Bedrohung, sondern eine Chance auf wechselseitigen Austausch, Kommunikation, Diskussion und Abstimmung über eingeschlagene oder zu wählende Wege ermöglicht. Demokratie bedarf dabei, so sagt es das zweite Kriterium, einer Offenheit über die geschlossenen Auffassungen bestimmter Verständigungsgemeinschaften hinweg. Dabei muss man nicht nur an Unterschiede wie Rasse, Nationalität, Geschlecht denken, es ist auch der Unterschied zwischen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, der hier wesentlich ist. Pluralität und Differenz sind Chancen, Demokratie zu ermöglichen, aber auch Gefahren, sie zu verlieren, wenn sie nicht umfassend und sinnvoll gelebt werden können. Dieses Leben beginnt nicht erst später, sondern von Kindheit an. Je weniger es früh erfahren und in seinem Nutzen erkannt werden kann, desto mehr verspielen wir die Möglichkeiten der Demokratie. Und da Demokratie keine von außen gegebene Größe ist, sondern von Menschen gemacht und gewählt wird, steht die Demokratie mit jeder Aktion auf dem Prüfstand.


3.2. Praktische Begründung

Da in Deutschland nach 1945 die Gemeinschaftserziehung nach den Nazi-Erfahrungen als problematisch erschien, da die strukturelle Gliederung des Schulsystems wenig Raum für eine übergreifende Vorstellung der community bot, wie sie Dewey vorschwebte, enstanden strukturelle Schwächen, die sich in einer mangelnden Demokratisierung der Schulen zeigten. Zwar gab es hinreichend Gegenbewegungen wie die antiautoritäre Erziehung oder Formen des Schüler- und Studentenprotestes, der zunächst durchaus zu einer Verbesserung auch der formalen demokratischen Mitbestimmungsrechte im Schul- und Hochschulbereich führte, aber eine grundlegende Schulreform in Richtung einer basalen Demokratisierung aller Schulen und eines Bewusstseins für umfassende Beteiligung der Lerner hierbei kam nur wenig oder in Musterbeispielen in Gang. Solche Beispiele, wie sie in den Quellen angegeben sind, machten deutlich, dass in den Schulen bis heute insgesamt zu wenig Raum für die praktische Umsetzung demokratischer Werte gegeben ist. Demokratie erscheint deshalb meist nur als theoretische Größe, wird für Schüler jedoch nicht im kleinen Rahmen erfahrbar gemacht. Vor dem Horizont des Mangels an tatsächlich umgesetzten Mitbestimmungsrechten und an ausgeübter Mitverantwortung für das pädagogische Geschehen erscheint die theoretische Hinwendung zur Demokratie bzw. die gesellschaftliche und auch von Lehrenden gestellte Forderung an die Schüler, zumindest ab einem bestimmten Alter demokratische Werte zu vertreten und handelnd einzulösen, als ziemlich paradox. Auf diese Weise verliert die Institution Schule an Glaubwürdigkeit und wird ihrer Aufgabe, Heranwachsende zu mündigen Bürgern einer lebendigen Demokratie zu erziehen, wenig gerecht. Um später aktiv an demokratischen Prozessen zu partizipieren, ist es unerlässlich, schon als Lerner in und durch Erfahrung den Chancen wie den Problemen demokratischer Vorgänge zu begegnen. Nur so lernen Kinder und Heranwachsende, mit den Schwierigkeiten, die mit demokratischen Prozessen einhergehen, umzugehen und die Möglichkeit der demokratischen Mitbestimmung aktiv für sich und andere zu nutzen.
Freilich erfordert das Erreichen eines solchen Erziehungszieles die Erprobung von didaktischen Wegen, welche bisher aus Gründen der Tradition und Gewohnheit, der Unkenntnis sowie möglicherweise auch der Bequemlichkeit und des Kontrollverlusts noch nicht so häufig gegangen wurden. Mehr Demokratie in der Praxis stellt immer ein Wagnis dar und scheint im Rahmen eines trägen institutionellen Gefüges schwer einlösbar, dennoch gehört die Anpassung der im Unterricht angewandten Methoden an die gesellschaftlichen Ansprüche und damit im Besonderen an die Aufgabe der Erziehung zur Mündigkeit heutzutage zu dem Anforderungsprofil jedes professionellen Lehrenden, ganz gleich, ob es sich um einen Lehrer der Primarstufe oder der Sekundarstufe II handelt. Die Kompetenz zur Mitbestimmung, Selbstbestimmung und Selbsttätigkeit wird weder zum achtzehnten Geburtstag als Zweitgeschenk zum Führerschein mitgeliefert, noch durch den Eintritt in die Oberstufe herbeigezaubert. Es scheint jedoch, dass von solcherlei zauberhaften Geschehen oft ausgegangen wird, etwa wenn plötzlich vor dem Eintritt in die Sekundarstufe II die Schüler innerhalb geregelter Grenzen ihren Stundenplan selbst bestimmen dürfen, wobei dann von Lehrenden mit Erstaunen festgestellt werden muss, dass diese neue Freiheit viele der Lernenden eher irritiert denn erfreut. Viele Berührungsängste mit auf demokratischen Prinzipien basierenden Methoden gründen in der Sorge, dass deren Durchführung nicht gelingt, da die Lernenden in irgendeiner Weise nicht „bereit“ dafür sind oder dem Lehrenden die Kontrolle über den (Lern-)Prozess verloren geht. Ein Lehren und Lernen, das nicht wesentlich demokratisch strukturiert ist, stärkt hingegen jene Verlaufskontrolle. Im Rahmen von Methoden, in denen „Demokratie im Kleinen“ praktiziert wird, ist der Lehrende immer auf die Mitarbeit der Lernenden angewiesen. Doch diese Mitbestimmung formuliert auch das Ziel der Methode: Je früher die Kompetenz einer solchen Mitgestaltung, und damit einhergehend auch Selbsttätigkeit, im Kleinen geübt wird, desto einfacher lässt sich auch ein demokratisches und selbstbestimmtes Miteinander in höheren Schulklassen verwirklichen. Die Sorge um das Gelingen demokratischer Prozesse wird so geringer und möglichen Frustrationen auf Seiten „wagemutiger“ Lehrer wird so effektiv vorgebeugt.
Es stellt sich die Aufgabe, in allen pädagogischen Institutionen einen Raum zu schaffen, in dem die Lerner die Möglichkeit bekommen, schon früh die Ansprüche demokratischen Lebens erfahren zu können: Wie erfolgreich und schwierig zugleich es ist, ihre Meinungen und Bedürfnisse mit anderen oder gegen andere zu vertreten, aber auch die Wertschätzung der eigenen Sichtweise und das Gefühl an Prozessen teilzunehmen oder sogar verändernd auf diese zu wirken. Mit anderen Worten: Selbst „eine Stimme zu haben“ und die Stimme des Anderen zu hören und zu respektieren. So werden sie nicht nur dazu befähigt, ein Gefühl für sich und ihre Bedürfnisse zu entwickeln, sondern auch andere mit ihren Bedürfnissen und ihren Sichtweisen wahrzunehmen und sich mit aufkommenden Interessenkonflikten lösungsorientiert auseinandersetzen zu können. Dieses kann den Weg zu einer neuen Art von Beziehungskommunikation unter den Lernern selbst sowie zwischen Lehrenden und Lernern ebnen. Auch für die Lernbereitschaft wirkt sich ein positives Gefühl der Lernenden hinsichtlich der aktiven Teilhabemöglichkeit an Lernprozessen vorteilhaft aus: Die Lerner erfahren sich als mitbestimmend und gestaltend in dem Lernprozess, der auf diese Weise nicht als äußerlich auferlegt erscheint, sondern stärker als selbstbestimmt erlebt wird. Folglich wird das Lernen in höherem Maße intrinsisch motiviert. Diese positive innere Einstellung begründet und unterstützt ein selbstständiges und selbsttätiges Tun.
Kinder sollten so früh wie möglich die Erfahrung der Selbstbestimmung und der eigenen Gestaltungsmöglichkeit machen können, also „Demokratie im Kleinen“ erfahren. Nur so kann eine Bereitschaft dafür entwickelt werden, sich gezielt und eigenverantwortlich für soziale Aufgaben einzusetzen. Je mehr Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten Schüler in der Schule aktiv und handelnd nutzen können, je erfahrener sie in der Erfahrung der Partizipation an demokratischen Prozessen und des eigenen Gestaltungspotenzials werden, desto stärker werden sie nicht nur soziale Kompetenzen aufbauen, sondern auch Ver­antwortung für sich und ihren Lernprozess übernehmen. Das Selbstvertrauen, das sie dadurch gewinnen, ermöglicht ihnen, eine ganz elementare und gesellschaftlich relevante Fähigkeit zu entwickeln: Auf ihre eigene Erfahrung zu vertrauen und darauf aufzubauen und so zu einem selbst denkenden und damit kritikfähigen Individuum in unserer Gesellschaft zu werden.