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Wahl ohne Einfluss? Grenzen politischer Teilhabe

Die Wahl der Integrationsräte ermöglicht Bürger*innen, die keine EU-Staatsangehörigkeit besitzen, eine politische Teilhabe in Deutschland – doch das Interesse daran ist gering. Warum das so ist und wie sich das ändern lässt, haben Forschende der Universitäten Köln und Duisburg-Essen erstmals für ganz Nordrhein-Westfalen untersucht.

Wenn etablierte Parteien bei den Wahlen zu den Integrationsbeiräten auf kommunaler Ebene mitwirken, dann erhöht sich die Beteiligung der ausländischen Mitbürger*innen an diesen Wahlen. Dies ist ein Ergebnis einer Studie, die Forschende der Universität zu Köln und der Universität Duisburg-Essen kürzlich veröffentlicht haben. Die Studie mit dem Titel „Grenzen politischer Repräsentation: Determinanten der Wahlbeteiligung bei Integrationsratswahlen in Nordrhein-Westfalen“ ist in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie erschienen.

Als immer mehr Gastarbeiter*innen nach Deutschland kamen und es in den 1970er Jahren klar wurde, dass sie dauerhaft bleiben wollen, wurden die ersten Ausländer- oder auch Integrationsbeiräte gegründet. Bis heute sollen sie die Interessen der ausländischen Bevölkerung vertreten und kommunale Gremien rund um Migration und Integration beraten. Die Wahlen im Fünf-Jahres-Turnus treffen aber nur auf wenig Interesse: 2020 lag die Beteiligung in Nordrhein-Westfalen bei 13,3 Prozent. Teilweise hatten Kommunen Probleme, die Listenplätze zu besetzen. Nicht nur die demokratische Legitimität wird deshalb immer wieder debattiert, sondern auch die Ursachen dafür.

Hier setzt die Analyse der Wissenschaftler*innen an: Ihre Studie untersucht mögliche Faktoren für die geringe Wahlbeteiligung. Dafür haben sie Daten von 2020 für 107 Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen analysiert – dem Bundesland, in dem rund ein Viertel aller Integrationsräte in Deutschland zu finden sind. „Ein Hauptgrund für die geringe Wahlbeteiligung ist die Schwierigkeit, die sehr unterschiedlichen Interessen der ausländischen Wahlbevölkerung zu bündeln“, erklärt Paul Vierus vom Institut für Politikwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Ein weiteres Problem sei, dass Integrationsräte lediglich beraten und dadurch kaum Reichweite und Bekanntheit erhalten. Die Studie zeigt auch: Wenn etablierte Parteien mitwirken, erhöht sich die Wahlbeteiligung deutlich. „Sie professionalisieren den Wahlkampf und wirken interessenbündelnd – dadurch finden sich mehr Menschen wieder als wenn ausschließlich Einzelkandidat*innen oder kleinere Listen antreten“, sagt der Politikwissenschaftler. „Auch in politisch aktiven Gemeinden ist die Wahlbeteiligung bei Integrationsratswahlen höher, weil demokratische Teilhabe hier eher eine soziale Norm darstellt.“

Um mehr Menschen für die Integrationsratswahlen zu gewinnen, müssten sich also zum einen die etablierten Parteien intensiver einbinden und zum anderen dem Gremium echte Mitbestimmung statt bloßer Beratung zugestanden werden. „Eine hohe Beteiligung an politischen Prozessen kann die Integration der ausländischen Mitbürger*innen unterstützen. Die Integrationsräte sind ein erster Schritt – haben aber durch ihren Beratungscharakter ein noch geringes Wirkungspotential. Zudem bestehen sie nur zum Teil aus direkt gewählten Mitgliedern. Die übrigen Mitglieder sind vom Stadtrat entsandt. Daher sind sie keinesfalls mit den regulären Kommunalwahlen vergleichbar“, betont Professorin Nicole Marx vom Institut für deutsche Sprache und Literatur II der Universität zu Köln.

 

Inhaltlicher Kontakt:
Prof´in Dr. Nicole Marx
Institut für deutsche Sprache und Literatur II
+49 221 470 8326
n.marxSpamProtectionuni-koeln.de

Presse und Kommunikation:
Mathias Martin
+49 221 470 1705
m.martinSpamProtectionverw.uni-koeln.de

 

Link zur Publikation:

https://link.springer.com/article/10.1007/s11577-022-00863-2