Zeitschrift der Fachschaft Soziologie
Fachschaft Soziologie (FS): Warum sind Sie nach Köln gekommen, was hat Sie an Köln gereizt?
Prof. Meulemann: Ich bin ein alter Kölner. Ich war zwölf Jahre im Zentralarchiv, habe mit archivierten Daten des Zentralarchivs gearbeitet, habe Forschungsprojekte gemacht. Insofern ist es eine kleine Heimkehr.
FS: Sie sprechen von einer kleinen Heimkehr. Sie sind Köln also untreu geworden und nach Düsseldorf gegangen?
Prof. Meulemann: Ich habe noch ein paar Zwischenstationen gehabt, eine in Eichstätt. Außerdem habe ich auch viele Ausflüge gemacht, während ich hier in Köln war. Ich war ein Jahr in Duisburg, habe dort vertreten. Ich war zweieinhalb Jahre in Frankfurt, habe dort vertreten und ich war ein Jahr in Princeton, New Jersey, und habe dort am Institute for Advanced Study eine Stelle gehabt.
FS: Was wollen Sie, wenn Sie jetzt wieder nach Köln kommen, anders machen als bishyer, sind irgendwelche Neuerungen in Sicht?
Prof. Meulemann: Ich habe natürlich meinen eigenen Forschungen im Sinn, die sich stark auf Dinge beziehen werden, wie sozialer Wandel, Einstellungs- und Wertewandel. Ich möchte gerne - was die Studenten interessieren wird - ein CATI-Labor (=Computer aided telephone interview) hier installieren, was für Forschungspraktika sehr nützlich sein wird. Man könnte den Weg von der mühsamen Primärforschung bis hin zur Analyse ein klein wenig abkürzen, indem man nicht in die Feldarbeit zu gehen braucht. Das wäre sicher für Studierende eine interessante Sache und natürlich auch für die Forschungspraktika, die ja auch hier obligatorisch sind. Im übrigen sind Forschungspraktika natürlich etwas, was man sehr gut mit bestehenden Datensätzen aus dem Zentralarchiv kombinieren kann, wo man ja sozusagen die intellektuell entscheidende Arbeit auch leisten muß, nämlich sich eine Frage überlegen, Hypothesen finden. Das ist die eigentliche Forschungsarbeit und die Arbeit, irgendwelche Lochkarten abzulochen, die gibt es ja Gott sei dank nicht mehr. Aber trotzdem, das Verfassen von Computerprogrammen und Analysieren ist ja ein Instrument dazu.
FS: Dieser Raum für das CATI-Labor sollte dann hier im FI (=Forschungsinstitut für Soziologie) sein, oder?
Prof. Meulemann: Sie haben sich schon gut erkundigt. Das ist der letzte Stand der Planung, das sollte natürlich für Projekte und für Praktika nutzbar sein. Es ist wegen der Raumsituation, nicht einfach, was zu finden. Es müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Es muß einigermaßen ruhig sein, und es muß natürlich mit Telefonanschlüssen verbunden sein. Denn die werden ja permanent genutzt.
FS: An welchen Umfang hatten Sie gedacht?
Prof. Meulemann: Sechs Anschlüsse, das ist ein Richtwert, eine sinnvolle Größe, um damit anzufangen. Das ist eine relativ große Installation, es sind sechs PCs, sie müssen vernetzt und mit einer speziellen Software ausgestattet sein.
FS: Das bedeutet dann aber wahrscheinlich auch, daß diese Forschungspraktika nur noch für sechs Leute sind.
Prof. Meulemann: Nein, oh nein, das ist ein Mißverständnis. Das bedeutet, daß sechs Leute gleichzeitig über ein Telefongerät verfügen.
FS: Was sind Ihre Schwerpunkte in der Soziologie? Was ist Ihnen wichtig?
Prof. Meulemann: Mich interessiert inhaltlich Sozialer- und Wertewandel, mich interessieren weiter inhaltlich Bildungs- und Berufsbiographien. Darüber habe ich lange gearbeitet. Ich habe eine längere, also eine größere, Erhebung gemacht, mit 2000 Personen, die als 15jährige Gymnasiasten zuerst befragt wurden und als 30jährigen wieder interviewt wurden. Sie können sich ungefähr die Datendimensionen dann vorstellen. Und zwar über ihren ganzen Lebenslauf, über das Private, die berufliche Biographie und über Ihre Einstellungen zum Leben, überwiegend in standardisierter Form, übrigens sollte das im März als Buch herauskommen - ein Bericht darüber.
FS: Wie setzen Sie sich mit den Eckdaten und der Studienreform auseinander? Jetzt im Zuge der Studienreform müssen die Eckdaten umgesetzt werden. Wir haben hier in Köln noch nicht mitbekommen, was sich ändern soll. Jetzt möchten wir von Ihnen wissen, ob Sie den ein oder anderen Vorschlag haben.
Prof. Meulemann: Ich hätte bestimmt Ideen, mit denen es schwer ist, herauszukommen, bevor man sozusagen nicht mit Kollegen aus der Fakultät gesprochen hat. Ich kann nur sagen, ich habe mich, als ich in Düsseldorf war, in dieser Eckdatenangelegenheit engagiert. Wir haben massiv dafür plädiert, daß diesen Eckdaten die Naivität genommen wird. Denn man kann durch die lineare Kürzung von Stunden und Leistungsnachweisen keine lineare Kürzung von Studienzeiten bewirken. Ich meine im Gegenteil, daß wir sozusagen mehr, aber weniger dramatische Leistungsnachweise brauchen. Das heißt, wir brauchen einen engeren Kontakt zwischen Lehrenden und Studierenden. Eine direkte Erfolgsmeldung für die Studenten, ob sie bestimmte Dinge bewältigt haben oder nicht. Und da ist es natürlich kontraproduktiv die Leistungsnachweise zu kürzen. Es ist eine unmögliche Destrukturierung statt einer notwendigen Strukturierung. Ich habe keine Probleme mit der Studienzeit und mit Leistungsnachweisen an und für sich. Jede sinnvolle Vorgabe ist mir da recht, nur muß es sozusagen ein eng geführtes Studium ermöglichen, mit einer Möglichkeit der Selbstkontrolle der Studierenden, einer Wahrnehmung ihrer bisherigen Erfolge. Die etwas mißliche Kalkulation vom Ministerium ist offenbar, daß man, wenn man weniger Leistungsnachweise durchsetzt, eine studentenfreundliche Politik macht. Aber das ist bestenfalls eine populistische Politik, denn sie werden ja um die Chance der Steuerung betrogen. Die Leistungsnachweise sind das Kleingeld des universitären Alltags. Bei uns wird mit 100-DM-Scheinen gehandelt; wenn man es weiter kürzt, wird mit 10.000-DM-Scheinen gehandelt. Die gibt es zwar nicht, aber das Bild ist klar: Ich will, daß Leistungsnachweise in kleineren Einheiten gehandelt werden und natürlich entsprechend mehr, in überschaubarer Form. Das ist sozusagen eine persönliche Willenserklärung, ich kann Ihnen nicht sagen, wie sich das in dem Rahmen von Fakultät und Kollegen zum Konsens ausformt.
FS: Sie haben für das Wintersemester 95/95 ein Forschungsfreisemester beantragt -
Prof. Meulemann: Turnusmäßig stünde mir ein Forschungsfreisemester in diesem Sommersemester zu. Sie können sich vorstellen, daß dies nicht praktikabel ist, deshalb würde ich das gerne im Wintersemester machen. Das ist der Stand der Dinge.
FS: - wissen sie schon, was sie „erforschen“ wollen?
Prof. Meulemann: Ja, ich habe vor, ein Nachfolgeprojekt zu dieser Lebenslaufuntersuchung zu machen. Das setzt aber voraus, daß es bewilligt wird. Ich habe einen Forschungsantrag geschrieben und auch eingereicht, daß die 30jährigen, die jetzt mittlerweile 41 sind, noch einmal interviewt werden und ich hoffe sehr, daß das bewilligt wird. Das ist eine meiner Forschungsinteressen. Im übrigen bin ich im Moment daran, über Deutschland Daten zu Werte- und Einstellungswandel vor und nach der Wiedervereinigung zusammenzustellen. Das wird auch zum Teil im nächsten Hauptseminar, das ich hier im Sommer angekündigt habe, Gegenstand sein.
FS: Herr Prof. Meulemann, wir haben keine Fragen mehr. Wollen Sie den Studierenden noch etwas sagen?
Prof. Meulemann: Ich freue mich sehr, nach Köln zu kommen, auch auf die Arbeit mit den Studenten. Vor allem bin ich sehr daran interessiert, Forschungsarbeiten in den genannten Bereichen mit Studenten zusammen zu machen, die selber Examensinteressen haben. In Düsseldorf habe ich das lange angestrebt, und eigentlich erst zum Ende meiner Zeit erreicht, daß die gleiche Interessenlage bei Studenten und bei mir war. Jemand sollte forschen und sollte daraus eine Diplomarbeit machen. Ich bin sehr daran interessiert, Diplomarbeiten zu empirischen Forschungsarbeiten zu vergeben. Das setzt manchmal für die Studenten eine gewissen Bescheidung voraus, man kann empirisch nicht die ganze Welt in einer Diplomarbeit lösen. Auf der anderen Seite ist der Lernerfolg oder der Lerneffekt über den generalisierenden Transfer natürlich unvergleichlich größer, wenn sie sich einmal damit abgegeben haben, eine bestimmte Forschungsfrage in Materialien, an denen man sie empirisch überprüfen kann, umzuformen, sich die Materialien zusammenzusuchen. Das sind die Arten von Magisterarbeiten oder Diplomarbeiten, die ich mir vorstelle.