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Dr. Susanne Dietz
Proseminar (4093) - "Emotionen"   2 St. Mo 12-14 in S 85
Proseminar (4094) - Übungen   2 St. Mo 14-16 in S 85
Sprechstunde - Mo 16-18 im Institut

29.11.1999     Hoffnung


Hoffnung stellt eine positive, prospektive Emotion dar. Sie geht einher mit den erfolgsbezo-genen Attributionen und dem zuversichtlichen, aber unsicheren Glauben an die eigenen Kontrollmöglichkeiten. Bei Hoffnung liegt sensu Kuhl (1981, 1984) Handlungsorientierung, und damit erhöhte Persistenz vor.

Es geht hier um bestimmte Hoffnung (Default und Martocchio, 1985) mit Trait-Chrakter. Sie bezieht sich auf ein bestimmtes, bedeutsames Objekt: hier das Bestehen von Prüfungen, beziehungsweise das erfolgreiche Bewältigen des Studiums.

Hoffnung kann Copingprozesse als vorauslaufende Bedingung positiv beeinflussen, indem intra- und interpersonale Ressourcen positiv bewertet werden (Jevne, 1991). Sie kann aber auch selbst eine problemfokussierte Copingstrategie darstellen, indem Alternativen identifiziert werden, Kosten-Nutzen-Abwägungen geleistet werden, und mögliche problemlösende Aktionen selektiert werden (Jevne, 1991). Es wird also konstruktiv mit einem Problem umgegangen. Hoffnung wird induziert durch eine subjektive Ereigniswahrscheinlichkeit mit positivem Wert (Pekrun und Frese, 1992). Hier also durch den Glauben an die erfolgreiche Bewältigung des Studiums.

Die Komponenten von Hoffnung (affektiv, kognitiv, physiologisch, motivational) sind allesamt inhaltlich positiv gefärbt: Affektive Inhalte wären unter anderem Zuversicht, Freude, Erleichterung, Vetrauen in sich und Andere. Kognitive Inhalte wären unter anderem eine positive Zukunftserwartung, Kontrollglauben, Bewertung einer stressenden Situation als Herausforderung. Physiologische Inhalte wären unter anderem Energiegeladenheit, erhöhte Herzrate, ein sich `kribbelig´ fühlen. Motivationale Inhalte wären unter anderem ein erhöhtes Bestreben, einen Problemlöseprozess durchzuhalten, und Aktivation.

Ob Hoffnung sich letztlich auf Trait-Ebene als Emotion darstellen läßt, bleibt fraglich. Die Daten lassen eine eindeutige Zuordnung nicht zu. Möglicherweise handelt es sich bei Hoffnung eher um eine Einstellung, da sowohl die Physiologie- als auch die Motivationssubskalen nicht allzu hoch mit den Gesamt-Hoffnungsskalen korrelieren.

Affektive Komponente:
Begriffe wie "Zuversicht", "Vertrauen", "Kraft", "Mut", "ein Licht am Tunnelende sehen", "Optimismus", "Glaubensstärke" beschreiben die affektive Komponente. Hoffnung beinhaltet vermutlich ein lustgetöntes Gefühl ebenso, wie eine Erregung mit milder Ausprägung. Es geht hier um Sensationen und Emotionen, die Teil des Hoffnungsprozesses sind. Dazu gehören Gefühle der Zuversicht, aber auch der Ungewißheit. Affektive Reaktionen auf eine solche Ungewißheit könnten Angst, Nervosität, Anspannung, Traurigkeit, Rastlosigkeit, Un-/Geduld sein. Wenn sich eine Hoffnung zu erfüllen scheint, treten Gefühle, wie Freude, Erleichterung, Dankbarkeit auf. Hinzu kommen kognitiv-affektive Begriffe, wie Ruhe, Frieden, Erneuerung, Stärkung, Freiheit, Wärme, Vertrauen, Courage, Leichtigkeit.
Insgesamt deutet dies auf ein breites Gefühlsspektrum hin (Default und Martocchio, 1985). Die hoffende Person erfährt nicht nur ein Hingezogensein zum Hoffnungsobjekt, sondern auch eine Abhängigkeit dahingehend. Es gibt offenbar keinen allumfassenden Affekt, der den Hoffnungsprozess charakteriserien könnte. Wahrscheinlich kann jedes Gefühl, je nach dominierendem Umstand, erfahren werden. Das würde darauf hindeuten, daß kognitive Komponenten wie Zuversicht und Ungewißheit ebenso fluktuieren, wie die Affekte selbst.

Kognitive Komponente:
beherrschend ist eine positive Zukunftserwartung. Der Glaube, eine Situation zukünftig kontrollieren und verwirklichen zu können, besteht. Das Individuum ist sich also unsicher, ob es ein zukünftiges Problem nicht doch lösen kann. Sensu Lazarus (1991) sähe das hoffende Individuum eine Situation zwar als stressend, jedoch des weiteren als Herausforderung an (=primäre Bewertung). Die Bewältigungsmöglichkeiten bestehen (=sekundäre Bewertung). Hoffnungen können allerdings zeitlich kurzfristig, oder aber auch langfristig (=generalisiert) sein. Langfristige Hoffnungen könnte man umschreiben mit: "wenn nicht heute, dann morgen". Dadurch schützt sich die hoffende Person vor Enttäuschungen, und erhält positive kognitive Inhalte, die weitere Aktionen zur Hoffnungserfüllung im Bereich des Möglichen belassen. Der energetisierende Aspekt kann also beibehalten werden.
Default und Martocchio (1985) nennen weitere relevante Aspekte der kognitiven Dimension: Wichtig sei die Realitätsüberprüfung in Relation zur Hoffnung. Die hoffende Person untersucht die eigenen Ressourcen und Grenzen, sowie die externalen Faktoren (=physische und soziale Umgebung). Dadurch kann die Person ihre Hoffnung als realistisch möglich bewerten, wenngleich sie auch nicht sicher ist, bis sie eventuell keine Grundlage für ihre Hoffnung in der Realität mehr wahrnimmt. Die hoffende Person nutzt hierzu demnach Faktoren aus Vergangenheit und Gegenwart, die den Glauben an Möglichkeiten gewährleisten1.
Zu der kognitiven Komponente gehört auch der Attributionsstil. Eine hoffende Person attribuiert bei Erfolg internal, stabil, und je nach Hoffnungsinhalt global (=generalisierte Hoffnung) oder spezifisch, für persönlich wichtige Hoffnungsobjekte. Bei Mißerfolg attribuiert die hoffende Person vermutlich external, variabel und weiterhin global oder spezifisch.

Physiologische Komponente2 :
Bisher wurde die empirische Seite physiologischer Aspekte bei Hoffnung nicht beleuchtet. Daher fanden allgemein in der Emotionspsychologie angenommene Parameter wie beispielsweise der Grad körperlicher Erregung (Gefühl körperlicher Anspannung, kribbelig sein, Energiegeladenheit) und die Herzrate Eingang in die jeweiligen Skalen H. V. phy. (Hoffnung in Veranstaltungen, physiologisch) und H. LS. phy. (Hoffnung in Lernsituationen, physiologisch). Von diesen wird in dieser Arbeit angenommen, daß sie innerhalb eines positiv-angenehmen Rahmens leicht ansteigen. Es herrscht möglicherweise ein Anstieg neuraler Aktivität (=Dichte neuraler Impulse pro Zeiteinheit) in Analogie zur Interesse/Aufgeregtheit sensu Izard (1981, S.246). Eventuell geht damit eine Stimulation des Immunsystems einher.

Motivationale Komponente:
Hoffnung motiviert wahrscheinlich das Bestreben, durchzuhalten, denn Hoffnung auf Erfolg ist Teil des Leistungsmotivs. Die sogenannte Nettohoffnung setzt sich zusammen aus der Hoffnung auf Erfolg minus der Furcht vor Mißerfolg. Sie bestimmt die Ausrichtung der Leistungsmotivation. Hoffnung hätte also grundsätzlich eine aktivierende, energetisierende beziehungsweise adaptive Funktion. Die Motivation wäre verbessert, da das entsprechende Ereignis als kontrollierbarer wahrgenommen wird. Hoffnung unterstützt also demnach die Handlungsorientierung. Nach Korner (1970) ist Hoffnung jedoch selbst kein motivationales Agens. Vielmehr aktiviert sie das Motivationssystem zu Reaktionen und Interaktionen, da hoffnungsvolle Menschen nicht notwendigerweise mit größerer Motivation reagieren3.

Verhaltenskomponente (ergänzend):
Hoffnung ist die Basis für ein zielgerichtetes, wenn auch zunächst exploratives Handeln. Die Persistenz ist im Gegensatz zu negativen Emotionen positiv beeinflußt. Relevante Aktionsbereiche sind: physiologisch, sozial, psychologisch, religiös (siehe Default und Martocchio, 1985):

 

1 Es sollte angemerkt sein, daß Wünsche, im Gegensatz zu Hoffnungen, als außerhalb der gegenwärtigen und zukünftigen Möglichkeiten wahrgenommen werden.  

2 In der aktuellen Emotionspsychologie gibt es keine weiteren Hinweise auf physiologische Merkmale bei Hoffnung. Ebensowenig sind in diesem Bereich wenigstens Annahmen darüber zu finden.  

3 In jedem Falle beeinflußt Hoffnung die extrinsische Motivation positiv. Diese stärkt also den Willen, eine Aufgabenlösung anzustreben. Damit wird die intrinsische Motivation ebenfalls positiv beeinflußt.

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