WS 1998/99 Proseminar
"Multimedia - eine praktische Einführung"
"ANCHORED INSTRUCTION"
von Jan Schmidt, Kijan Espahangizi
Bei den meisten Erzieher/-innen herrscht zumindest in zwei Punkten Übererinstimmung:
1) Ein wichtiges Erziehungsziel ist die Erziehung zum eigenständigen
Denken insbesondere zur eigenständigen Problemlösung.
2) Nicht über entspechendes Fachwissen zu verfügen, mindert
die Fähigkeit selbstständig zu denken und Probleme zu lösen
erheblich.
Dies bedeutet aber für die Erzieher/-innen, dass sie versuchen müssen,
schon eine gewisse Vorselektierung des Unterrichtsstoffes vorzunehmen,
die garantiert, dass die Aufnahmefähigkeit der Schüler/-innen
optimal genutzt wird, um Wissen zu verarbeiten, welches zur Lösung
gewisser Problemstellungen benötigt wird, sozusagen als "Werkzeug".
Die Erzieher/-innen haben die Herausforderung relevante Inhalte zu unterrichten,
die das eigenständige Denken erleichtern und fördern. Im Gegensatz
dazu steht das "träge" Wissen. Noch immer wird Wissen bei Schüler/-innen
eher als Endzweck angesehen als ein Hilfsmittel bzw. Werkzeug zu wichtigen
Folgerungen und zur effektiven Problemlösungen. Indem neue Informationen
wie reine Fakten gelernt werden und nicht wie Wissen, das verschiedenst
angewandt werden soll, fehlt oft der spontane Zugriff in alltäglichen
Situationen.
Hier sieht man sehr deutlich die Verantwortung der Erzieher/-innen bei
der Wissensvermittlung, die aber nicht nur wie schon erwähnt in der
Auswahl relevanter Inhalte liegt, sondern insbesondere in der Art wie
das Werkzeug "Wissen" vermittelt wird. Denn um ein Werkzeug richtig anwenden
zu können, muss man auch wissen, wo und in welcher Situation es wie
angewandt werden kann.
Ein Beispiel ist ein Versuch der in den USA von SHERWOOD und KINZER
im Jahre 1987 durchgeführt wurde :
Mathematikstudent/-innen wurden aufgefordert, in einer gewissen Zeit eine
möglichst große Anzahl von Multiplikations- und Divisionsaufgaben
mehrstelliger Zahlen ohne Taschenrechner zu rechnen. Wie erwartet, hatten
die Student/-innen in der kurzen Zeit nur sehr wenige Aufgaben rechnen
können, denn keine/r kam auf die Idee, Logarithmustafeln zu benutzen,
die das Rechnen sehr beschleunigt hätten. Die Schulen hatten es versäumt,
den Schüler/-innen die Bedeutung des Logarithmus ab dem Mittelalter
nahe zu bringen. Diese Tafeln wurden sogar noch in unserem Jahrhundert
als Rechenhilfen benutzt. Stattdessen wußten die Schüler/-innen
aber, wie man mit Logarithmus in Gleichungen umgeht.
Die Schulen waren also direkt dafür verantwortlich, dass der "Logarithmus"
nicht als Werkzeug, sondern als "träges" Wissen verarbeitet wurde.
Das Ergebnis der traditionellen Lehrmethoden ist also eine mangelnde Transferfähigkeit
im alltäglichen Leben.
An diesem Punkt setzt die "anchored instruction" an. Sie wird
als eine Annäherung an diese Zielsetzung gesehen. Es geht darum,
manigfaltige Probleme in eine Grundstory bzw. einen "Anker" (engl. anchor)
einzubetten. Als Vorbereitung bespricht der Lehrer/die Lehrerin das für
die Lösung der Probleme nötige Fachwissen. Die "anchored instruction"
geht also auf die beiden oben genannten Ansätze ein, indem wie gesagt
"dynamisches" Wissen vermittelt wird, aber auch ein roter Faden die einzelnen
Probleme verbindet, die vielleicht an sich nichts mit einander zu tun
haben. Hiermit wird das erlernte Wissen also vom Schüler direkt miteinander
verknüpft, und dies ermöglicht nachher eine bessere Transferleistung.
Ein Beispiel für so einen Anker ist die "Jasper Woodberry"-Serie,
eine Reihe von Videodiscs, die in den USA entwickelt worden sind, und
die "anchored instruction" auf eine multimediale Weise realisieren
sollen. Die auf den VDs gespeicherten Geschichten handeln von dem Hauptakteur
Jasper Woodberry, der immer wieder vor irgendwelche Probleme gestellt
wird. Die Schüler/-innen sollen sich mit ihm und den Situationen
identifizieren und zusammen mit Mitschüler/-innen die Probleme mit
dem zuvor von der Lehrkraft erfahrenen Wissen und mit den Hinweisen und
Angaben, die im Film gegeben werden, bearbeiten, wobei insbesondere auf
die Strategie Wert gelegt wird, d.h. mit der Frage, wie geht der Schüler
an ein Problem heran.
Die Frage, die sich natürlich stellt, ist, ob man für so eine
Unterrichtsform unbedingt die Computertechnologie braucht. Dazu
muss gesagt werden, dass gerade bei den herkömmlichen Unterrichtsmedien,
wie z.B Overheadprojektoren, Kopien, Audiobänder... nur sehr schwer
eine solche audiale als auch visuelle Stimulation der Schüler/-innen
erreicht werden kann, die ohnehin heutzutage mit dem Computer aufwachsen.
Wie so oft ist auch hier wohl der Weg der Mitte eine kluge Entscheidung,
d.h nur eine ständige Abwechslung der verschiedenen Medien garantiert
auch das Interesse und somit die Aufnahmebereitschaft der Schüler/-innen.