1. Einleitung
Das Curriculum "Produktive Intelligenz" will die Möglichkeit eröffnen, produktives Denken systematisch zu lehren. Es setzt sich aus zwei Teilen zusammen:
Das Curriculum "Produktive Intelligenz" stellt die integrative Anwendung der Summe der Erfahrungen dar, die sich aus vorangehenden Forschungen ergeben haben. Diese Forschungen begannen mit einem Versuch zur systematischen Intelligenz- und Denkförderung. Er basierte auf der Entwicklung und Erprobung von kognitiv orientierten Spielen zur Ausbildung eines repräsentativen Satzes von Denkstrategien (vgl. RÜPPELL 1975, 1982). Diese Spiele wurden nach einer Sichtung des kulturellen Spieleangebots zusammengestellt, wobei auch neue Spiele entwickelt wurden.
Die empirische Erprobung ergab, daß Spiele allein nicht ausreichen,
Das Kernstück des ALLS sind die sogenannten "Situationstypen". Ein Situationstyp ist ein Vorschrift für das Lern- und Kommunikationsverhalten einer Kleingruppe. Diese Vorschrift besteht aus unterschiedlichen Aktivitätszuweisungen, um bei den einzelnen Gruppenmitgliedern bestimmte Lernprozesse gezielt auslösen zu können.
Die empirische Erprobung zeigte, daß der o.g. Anspruch, Lernstrategien zu vermitteln, weitgehend erfüllt werden kann (vgl. RÜPPELL 1982).
Das zweite unbefriedigende Ergebnis, also das ungelöste Transferproblem, rückte die aktuelle Theorie der menschlichen Informationsverarbeitung, insbesondere die Theorie der kognitiven Schemata (siehe S.) in den Blickpunkt. Diese Theorien belegen die Notwendigkeit, nicht nur spezifische Strategien zu lehren, sondern darüber hinausgehend auch sogenannte kognitive Schemata. Diese tragen von ihrer Definition her den Transfermechanismus bereits in sich (vgl. NIEGEMANN 1983), weil sie die Bestimmungstücke der Strategien ganzheitlich und in verallgemeinerter Form vor Augen führen und damit eine Planungsgrundlage für aktuelle Strategieentwicklung bereitstellen.
Von dieser theoretischen Grundvorstellung ausgehend, wurde das Konzept der sogenannten "Simultan-Vergegenwärtigers" entwickelt (vgl. KLIEME & RÜPPELL 1983; RÜPPELL & RÜSCHSTROER 1985).
Mit der Entwicklung
des ALLS und mit der lehr-lerntheoretischen Umsetzung der Theorie der Informationsverarbeitung
waren die beiden Hauptprobleme, die aus dem ersten Versuch der systematischen
Intelligenzförderung sichtbar wurden, gelöst. Damit waren die
praktischen und theoretischen Voraussetzungen gegeben, um den Versuch einer
systematischen Intelligenz- und Denkförderung neu zu beginnen.
2. Das
Konzept der produktiven Intelligenz
Unter der produktiven Intelligenz verstehen wir mit SELZ (1935), DÖRNER & KREUZIG (1983) u.a. diejenigen Aspekte der menschlichen Intelligenz, die komplexes Lernen und kreatives Denken unterstützen.
Dabei gehen wir mit DUNCKER (1935), SELZ (1935), WERTHEIMER (1945), PIAGET (1972), LOMPSCHER (1972), AEBLI (1980, 1981), STERNBERG (1983), HUNT (1980), SIMON (1980), SNOW (1980) u.a. davon aus, daß diese Aspekte im wesentlichen durch sogenannte kognitive Operationen gegeben sind. Solche Operationen sind etwa:
Weiter gehen wir mit SNOW, FEDERICO & MONTAGUE (1980) u.a. davon aus, daß diese Operationen das komplexe Lernen und das kreative Denken dann maximal unterstützen, wenn sie in der aktuellen Situation zu effektiven Problemlösungsstrategien zusammengestellt werden können. Plausibel ist, daß derjenige, der über eine Vielzahl solcher nützlicher Operationen verfügt und sie in Abhängigkeit von der jeweiligen Problemstellung schnell und flexibel zu effektiven Strategien der Informationsverarbeitung zusammenstellen kann, auch Vorteile hat, um neue konzeptuelle Systeme schnell zu verstehen und neue Zusammenhänge zu erkennen. Intelligenz ist
Nach AEBLI (1980, Bd. 1) befähigen die Operationen zum innerlichen und abstrakten Probehandeln, dem Operieren. Dadurch
Wenn kreative Operationen hinzukommen, entsteht die Fähigkeit, etwas originell und effektiv machen zu können, z.B. neue Spielzüge in einem Strategiespiel entdecken, neue Lösungsmethoden erfinden, neue Wege, die eigene Informationsverarbeitung zu verbessern (d.h. das Aufnehmen, Einspeichern, Verarbeiten und Verwerten von Informationen).
In Intelligenztests wird durch die sorgfältigen Test-Instruktionen das Erfassen der Situation, also der Denkakt, der die "strukturellen Erfordernisse" der Aufgaben deutlich macht, ausgeklammert (vgl. WERTHEIMER 1945). Während die strukturellen Erfordernisse spezifiziert werden, sind die durchzuführenden Operationen damit weitgehend vorgeschrieben bzw. nahegelegt (vgl. DÖRNER & KREUZIG 1983).
Dies ist ein Grund dafür, daß die Beziehung zwischen Intelligenz und Denken empirisch nicht existiert. Die Leistungen von Intelligenztests und Problemlösungen korrelieren meist nicht miteinander.
Wenn man diesen funktionalen Aspekt des Denkakts betrachtet, läßt sich die produktive Intelligenz auch definieren als die Kompetenz, das, was man durchdenken will, auch präzise und schnell durchdenken zu können, z.B. klare Vorstellungsbilder anzufertigen, Zwischenergebnisse ökonomisch abzuspeichern, schnelles Schlußfolgern.
Wenn produktive Wissensstrukturen ausgebildet sind, geschieht dies weitgehend schemagesteuert.
Schemata können die Information
Die produktive Intelligenz ist ausgebildet, wenn man diese Funktionen dennoch erfüllen kann. An dieser Stelle kommen die Operationen ins Spiel. Dieses sind verallgemeinerte Prozesse der Informationsverarbeitung, die die genannten Funktionen inhaltsübergreifend erfüllen können. Dazu gehören:
Die produktive Intelligenz kann man sich in Übereinstimmung mit SELZ (1924, 1935) also als ein System vorstellen, das sich aus Operationssystemen für diejenigen Bereiche der menschlichen Intelligenz zusammensetzt, die das komplexe Lernen (das Entdeckungslernen) und das kreative Problemlösen ermöglichen.
Allgemein kann die produktive Intelligenz damit als die Kompetenz bezeichnet werden, Informationen auch dann effektiv verarbeiten zu können, wenn inhaltsspezifische Verarbeitungsmechanismen (kognitive Schemata) nicht zur Verfügung stehen.
Die inhaltsspezifische Verarbeitung durch Operationen, d.h. die Annahme einer allgemeinen Problemlösekompetenz, ist aktuell nicht unumstritten ( NORMAN & RUMELHART 1981; RUMELHART & ORTONY 1977; ANDERSON et al. 1981; NEISSER 1983; ANDERSON 1983), weil sich in vielen Untersuchungen gezeigt hat, daß inhaltsspezifisches Wissen ausschlaggebend für das Zustandekommen von Problemlösungen ist. Diese Arbeiten sind in folgender Hinsicht zu kritisieren:
Um das Problemlösen zu erforschen, wurden meist keine professionellen Problemlöser untersucht, sondern allenfalls Experten für bestimmte Inhaltsbereiche (z.B. aus der Physik oder der Geometrie). Da die produktiven Operationen sich aber gerade dadurch herausbilden, daß man sich mit vielen unterschiedlichen Problemstellungen beschäftigt, ist es zwangsläufig, daß spezifische Wissensstrukturen in den o.g. Untersuchungen immer mehr in den Vordergrund treten.
Kurz: Die Existenz der produktiven Operationen läßt sich nicht bei allen Menschen nachweisen, sondern nur bei denjenigen, die zahlreiche Erfahrungen in vielen unterschiedlichen Aufgabenbereichen gemacht haben.
Entsprechend
haben wir aktuell begonnen, das Problemlösungsverhalten von professionellen
Erfindern zu untersuchen.
2.1 Das
Konzept der produktiven Mikrooperationen
Eine produktive Mikrooperation ist mit STERNBERG (1983) u.a. ein Informationsverarbeitungsprozeß, der eine kognitive Repräsentation
Die automatisierten Mikrooperationen bezeichnen wir als "Komponenten". Automatisiert bedeutet, daß diese Operationen in bestimmten Situationen unwillkürlich ablaufen und dabei die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses kaum beanspruchen.
Beispiele für
Mikrooperationen aus dem Gedächtnisbereich:
Wer z.B. die Ziffernfolge 1 4 9 2 hört oder liest, wird automatisch an das Jahr der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus denken. Das heißt, die Mikrooperation "Assoziative Verknüpfung von Ziffernfolgen mit bekannten Geschichtsdaten" geschieht bei vielen Menschen automatisch, ohne daß sie es verhindern könnten. Wer dagegen das Datum der Entdeckung noch nicht kennt und es sich einprägen möchte, kann sich beispielsweise vornehmen, die Mikrooperation "Redundanz in Ziffernfolgen" auszuführen, indem er sich sagt "Noch 8 Jahre bis 1500".
Wenn eine solche elementare Operation nicht gelingt, kann man sich entschließen, eine zusammengesetzte Mikrooperation durchzuführen, etwa eine Geschichte zu erfinden und ein entsprechendes Vorstellungsbild anzufertigen, z.B. "Von 92 Seefahrern erreichten nur 14 ihr Ziel, die anderen starben an Skorbut".
Ein komplexeres Beispiel für eine zusammengesetzte Mikrooperation ist das Einprägen einer Wortliste durch das Erfinden einer Geschichte. Dieser Prozeß des Erfindens kann in elementare Mikrooperationen aufgeschlüsselt werden:
2.2 Das
Konzept der produktiven Makrooperationen
Die Makrooperation ist konzeptuell ein Oberbegriff für Klassen von funktional verwandten Mikrooperationen. "Funktional verwandt" bedeutet, daß ähnliche Funktionen bei der Informationsverarbeitung erfüllt werden, z.B. kann man die Mikrooperationen "Geschichten erfinden", "reimen", "einfache Analogien bilden" usw. unter den Oberbegriff " Elaboration" subsumieren, weil sie alle dazu beitragen, neue Informationen an stabile Inhalte des Langzeitgedächtnisses anzuknüpfen.
Die Makrooperation,
also etwa der Oberbegriff " Elaboration",
muß im Gedächtnis als kognitives Schema repräsentiert werden,
damit die Bestimmungsstücke dieser Makrooperation ganzheitlich vergegenwärtigt
werden können und damit jede kleine Mikrooperation im jeweiligen Situationskontext
jederzeit abrufbar ist.
Zu den Bestimmungsstücken
einer Makrooperation gehören:
2.3 Das
Konzept der Operationssysteme
Die Operationssysteme bestehen aus mehreren Makrooperationen, die zu einem Funktionssystem zusammengeschlossen sind.
Auf der Leistungsebene können Operationssysteme als Fähigkeiten in Erscheinung treten. Umgekehrt entspricht aber nicht jeder Fähigkeit ein Operationssystem, denn die Fähigkeiten sind auf zu unterschiedlichen Komplexitätsebenen angesiedelt (vgl. Abb. 1) und in der Regel sind sie nicht durch Operationssysteme, sondern durch isolierte Operationen gekennzeichnet. Viele Fähigkeiten oder Dimensionen der Intelligenz können daher bestenfalls als Operationsbereiche angesehen werden.
Die unterschiedliche Komplexität der Fähigkeiten veranschaulicht SNOW (1980) durch Abb. 1.
Dieses Ordnungssystem
von SNOW (1980) entspricht weitgehend
dem verallgemeinerten Ergebnis der umfangreichen faktorenanalytischen Intelligenzforschung
(THURSTONE; CATTELL
u.a.). Allerdings sind die Bereiche "Kreativität" und "deduktives
Denken" unterrepräsentiert.
Das dargestellte
Ordnungssystem hat gegenüber den faktorenanalytische Ergebnisse zwei
Vorteile:
MS. PS und CS bedeuten "Memory Span" (Gedächtnisspanne), "Perceptual Speed" (Wahrnehmungsgeschwindigkeit) und "Closure Speed" (Geschwindigkeit der Gestaltbildung).
Die gestrichelten
Konturlinien unterteilen die Gesamtstruktur in einen zentralen Bereich,
der die komplexeren Tests enthält und einen peripheren mit den weniger
komplexen.
3. Die
Systematik der produktiven Intelligenz
Die Systematik
der produktiven Intelligenz setzt sich aus den Operationssystemen, den
Makrooperationen und den Mikrooperationen zusammen.
3.1 Die
produktiven Operationssysteme
Die in Abb. 1 dargestellten Fähigkeits cluster definieren die Bereiche, aus denen sich die Intelligenz im klassischen Sinne zusammensetzt. Für die Begriffsbestimmung der produktiven Intelligenz können diese Bereiche nicht direkt übernommen werden, denn hierbei geht es weniger um die repräsentative Berücksichtigung aller verschiedenartiger Fähigkeiten (die möglicherweise zur Gesamtintelligenz beitragen), als vielmehr um die gezielte Berücksichtigung derjenigen Fähigkeiten, die komplexes Lernen und Problemlösen ermöglichen. Gleichwohl bilden die von SNOW (1980) genannten Intelligenzbereiche eine Orientierungsgrundlage. Die produktiven Operationssysteme schließen die Makrooperationen zusammen, die einen der typischen Intelligenzbereiche kennzeichnen. Bei der Festlegung der von uns definierten Operationssysteme haben wir uns auf die zentralen Bereiche, also Gf (fluid ability) und Gv (visualization) konzentriert, wobei wir Gf untergliedern in "induktives Denken" und "deduktives Denken". Dies führte zu den drei Kernsystemen:
ICM (= induction
x creativity x memory)
DCM (= deduction
x creativity x memory)
Systeme 1. Ordnung
SCM (= space
x creativity x memory)
SICM
IDCM
Systeme 2. Ordnung
SDCM
SIDCM Gesamtsysteme der produktiven Intelligenz
Damit waren die drei übergeordneten Operationssysteme definiert (= Systeme 1. Ordnung; vgl. Abb. 2):
3.2 Die
Systematik der produktiven Operationen
Die Systematik enthält die produktiven Makro- und Mikrooperationen für die Bereiche der menschlichen Intelligenz, die das komplexe Lernen und das kreative Problemlösen ermöglichen. Hierbei wurden die Mikrooperationen in funktional verwandte Klassen zusammengefaßt und der jeweiligen Makrooperation untergeordnet.
Auf der Makroebene
wurden die folgenden Operationen unterschieden:
A. Gedächtnisoperationen (M)
B. Operationen des kreativen Denkens (C)
C. Operationen des bildlichen Denkens (S)
D. Operationen des induktiven Denkens (I)
3.2.1 Die
Gedächtnisoperationen
Ferner läßt
sich das Arbeitsgedächtnis als epheme
Gedächtnisstruktur darstellen, die an jedem beliebigen Ort des LZG
aufgebaut werden und wieder zerfallen kann (vgl. DÖRNER/KREUZIG/REITHER/STÄUDEL
1983, S. 413; AEBLI 1963).
Die effektive Arbeitsweise des Arbeitsgedächtnisses wird normalerweise durch kognitive Schemata ermöglicht, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Ihre Aktivierung führt dazu, daß ein Arbeitsgedächtnis entsteht, in dem die Objekte bzw. Situationen mit Hilfe dieser Schemata interpretiert werden (vgl. RUMELHART 1980).
Hierdurch werden
die speziellen Merkmale der konkreten Objekte bzw. Situationen im Arbeitsgedächtnis
zusammenhängend repräsentiert. Diese Repräsentation ist
um so vollständiger, je mehr Merkmale im jeweiligen Schema enthalten
sind. Der hier beschriebene Prozeß kann zusammenfassend als Kodierung
bezeichnet werden.
Je umfassender solche kognitiven Schemata sind, je größer also die Vernetzung der Teilschemata, um so größer ist die Möglichkeit zur Bildung einer zusammenhängenden Informationseinheit. Wenn solche Einheiten (chunks) aus dem LZG abgerufen werden, wird für die Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis wenig Kapazität verbraucht. Die Kapazität im Arbeitsgedächtnis ist also um so größer, je größer solche Einheiten sind, je höher also die Anzahl der relational verknüpften Teilschemata.
Auf diese Weise
wird beispielsweise auch ein Schachmeister mit der begrenzten Speicher-
und Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses fertig. Durch
seine Erfahrung mit sehr vielen wiederkehrenden Figurenkonstellationen
hat er die Fähigkeit zur Bildung von sogenannten "chunks" erworben.
Dieser Prozeß kann zusammenfassend als Chunking
bezeichnet werden.
Ein Problem der Funktionsweise des Arbeitsgedächtnisses besteht darin, die Verarbeitung so intensiv zu gestalten, daß die Produkte ins LZG übergehen. Wenn vertraute Inhalte bearbeitet werden, geschieht dies durch schemagesteuerte Reaktivierungsprozesse. In der Terminologie der Schematheorie ist hiermit die wiederholte Aktivierung von Schemata gemeint; sie ist in den Prozeß der Schemaaktivierung eingebaut.
Die Anzahl der Reaktivierungszyklen (top-down/bottom-up-Zyklen) ist um so größer, je größer der Vernetztheitsgrad des jeweiligen Schema.
Konkret bedeutet die Reaktivierung, daß Denkprozesse im Rahmen eines Denkvorgang mehrfach mit geringfügigen Modifikationen wiederholt werden. Ausgangsinformationen und Zwischenergebnisse werden dadurch mehrfach im Arbeitsgedächtnis repräsentiert und mit jeder Repräsentation steigt die Wahrscheinlichkeit, daß die Produkte ins LZG übergehen.
Allgemein können die systematischen Reaktivierungsprozesse zusammenfassend als Rehearsal bezeichnet werden.
Diese Gedächtnistheorie stellt drei Gedächtnisfunktionen in den Vordergrund:
Diese schemagesteuerten drei Prozesse laufen so lange automatisch, schnell und präzise ab, wie differenzierte inhaltsspezifische Schemata verfügbar sind. Wenn, wie in Bereichen des Produktiven Denkens, solche inhaltsspezifischen Schemata nur ansatzweise vorhanden sind, müssen statt dessen verallgemeinerte Operationen zur Verfügung stehen, um die o.g. Funktionen zu erfüllen. Dies sind die produktiven Makro- und Mikrooperationen des Gedächtnisses, die im folgenden beschrieben werden.Da wir davon ausgehen, daß die meisten Personen nicht für alle Objekte und Situationen über hinreichend differenzierte Schemata verfügen bzw. sich in ihrer Gewohnheit unterscheiden, Schemata bis auf sehr niedrige Niveaus von Subschemata zu entfalten ( s. STEINER 1980, S. 215) und darüber hinaus auch häufig irrelevante Schemata aktivieren, ergibt sich die Notwendigkeit, die automatisch ablaufende schemagesteuerte Kodierung durch eine planmäßige zu ergänzen. Dieser planmäßige Kodierungsvorgang kennzeichnet die von uns definierte Makrooperation "Kodierung". Sie ist dann ausgebildet, wenn die Gewohnheit besteht, die Objekte und Situationen explizit zu beschreiben. Die Anwendung der Operation führt dazu, daß detaillierte Kodierungen auch dann entstehen, wenn keine differenzierten Schemata aktiviert werden können.
Beispiel: Der Anblick eines Würfels kann z.B. dazu führen, daß man an bestimmte Würfel-Spiele denkt, also Merkmale von Spielsituationen aktiviert, die für eine detaillierte Repräsentation des Würfels irrelevant sind. Nur wenige Menschen werden automatisch daran denken, daß der Würfel 12 Kanten, gegenüberliegende Kanten, 8 Ecken, Raumdiagonalen, benachbarte Flächen etc. hat. Wenn nun die Aufgabe besteht, einen Würfel in Gedanken zu rotieren, wie viele Intelligenztests es fordern, so hat offensichtlich derjenige, der diese Würfelmerkmale gestalthaft vor Augen hat, erhebliche Vorteile.
Der Kodierungsprozeß wird aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven betont, z.B. aus der Perspektive der Komponententheorie der menschlichen Intelligenz (vgl. STERNBERG 1983).
Beispiel nach STERNBERG (1983): Die Lösung der Analogieaufgabe "Rechtsanwalt verhält sich zu Klient wie Arzt zu (a) Medizin, (b) kranke Person?" erfordert zunächst die Speicherung der Attribute der verschiedenen Begriffe im Arbeitsgedächtnis (s. S. ff).
STERNBERG (1983) stellte fest, daß Personen mit guten Leistungen beim Schlußfolgern in Analogien relativ mehr Zeit auf die Kodierung der Aufgabenteile verwenden als auf deren Kombination und Vergleich. Dieses Verhalten wurde auch in anderen Bereichen, wie etwa im Bereich der Raumvorstellung, empirisch gestützt (RÜPPELL et al. 1985, in Vorb.; SNOW 1980). Allgemein liegt der Betonung des sorgfältigen Kodierungsprozesses die Annahme zugrunde, daß eine differenzierte Kodierung die Basis für das weitere Planen und Ausführen von Strategien darstellt. Aus der Sicht von DÖRNER et al. (1983) ist die sogenannte "Komponentenanalyse" beim Kodierungsvorgang von großer Bedeutung. Dies ist
"ein Informationsverarbeitungsprozeß, der auf die Frage 'Woraus besteht X' die Antwort gibt 'Aus x1, x2, x3 ... und den Relationen (r(x1; x2), r(x2; x3) usw'" (vgl. DÖRNER et al. 1983, S. 399).
Diese o.g. Ausdrücke bezeichnen Teil-Ganzes-Relationen, also Relationen zwischen einem Ganzen und seinen Komponenten.
Beispiel: Wasser === (besteht aus) Wassermolekül === Sauerstoffatom - Wasserstoffatom === Kern, Schale === Proton - Elektron - Neutron.
Die Mikrooperationen der Kodierung
Nicht nur die Merkmale (der Objekte und Situationen), sondern auch die Relationen zwischen ihnen müssen im Arbeitsgedächtnis repräsentiert werden; z.B. das Benennen räumlicher Relationen (Parallelität von Strecken, Winkelgleichheit) zwischen visuellen Elementen (Punkte, Strecken, Winkel).
Zeitliche Relationen sind z.B. Prozesse oder Vorgänge. Um zu wissen, wohin man will und was man dazu braucht, müssen auch Ziele, Objekte, Methoden und Instrumente explizit benannt werden. Beispielsweise kann man die Ausgangsstoffe (Elemente) "Stickstoff" und "Wasserstoff" in einen Endzustand (Ziel), das Reaktionsprodukt "Ammoniak" überführen; der Prozeß dieser Ammoniaksynthese ist durch eine bestimmte zeitliche Relation (Reaktionszeit) gekennzeichnet (vgl. DÖRNER 1977).
Nach SHEPHARD & COOPER (1982) ist das Benennen möglicher Transformationen zur Repräsentation eines Objektes notwendig. Frage: Was kann ich alles mit dem Objekt anstellen? Z.B.: spiegeln, auf den Kopf stellen, drehen ...
Um eine vollständige Beschreibung der Merkmale von Gegenständen auf ökonomischem Wege zu erreichen, müssen diese zunächst im Überblick erfaßt und dann in der Vorstellung abgetastet werden. Auf diese Weise werden keine Merkmale übersehen und es wird nichts doppelt bearbeitet. Normalerweise dominiert das zeilenmäßige Abtasten von links nach rechts (Leseprozeß); dies ist aber nicht in allen Situationen optimal, so daß die Notwendigkeit besteht, alternative Abtaststrategien anzuregen, z.B.
konzentrisch spaltenweise abtasten abtasten Ecken erst vorne, dann in der Mitte, absuchen dann hinten absuchenKOSSLYN (1973) hat nachgewiesen, daß sich die Abtast- bzw. Durchmusterungsdistanzen von Vorstellungen in den Reaktionszeiten manifestieren und mit den Abtastdistanzen beim Wahrnehmen desselben Stimulusmaterials übereinstimmen. Er konnte z.B. zeigen, daß das Entdecken von Merkmalen bei Gegenständen, die sich jemand klein vorgestellt hat, eine Art Vergrößerung des ganzen Objekts oder wenigstens des kritischen Bereichs erfordert. Deshalb spricht er vom "Zooming in" des jeweils zu vergrößernden Teils (KOSSLYN 1975).
Z.B. eigene Präferenzen ausdrücken, Darstellungen bewerten, Auffälligkeiten hervorheben.
Diese Mikrooperation ist notwendig, um eine vollständige Kodierung zu gewährleisten. Je vollständiger die Kodierung ausfällt, desto mehr Ansatzpunkte gibt es für weitere Operationen (DÖRNER et al. 1983). Der Nutzen einer vollständigen Kodierung ist mehrfach nachgewiesen worden. SNOW (1980) zeigte z.B., daß sich hochkompetente Personen von niedrigkompetenten vor allem darin unterscheiden, daß die hochkompetenten sich zunächst die Zeit nehmen, effektive Kodierstrategien zu entwickeln und diese anschließend anwenden, während die niedrigkompetenten sofort einige Strategieelemente in die Tat umsetzen und nur durch unsystematisches Vorgehen zu Verbesserungen gelangen.
"... it appears that high- and low-ability subjects differ in their efficiency in assembling a systematic strategy for the task, their control of its application, and their flexibility in changing strategies as item characteristics demand." (SNOW 1980, Bd. 1, S. 49).
Vergleichbares hat STERNBERG beim Lösen von Analogieaufgaben nachgewiesen.
Zusammenfassend kann die Kodierung damit folgendermaßen definiert werden:
Die Makrooperation
" Kodierung"
existiert, wenn die Gewohnheit ausgebildet ist, Objekte und Situationen
mit allen Details unter Zuhilfenahme der verschiedenen Mikrooperationen
explizit zu beschreiben.
Es sind
etwa 3 bis 7 chunks (MILLER 1956; SIMON 1974), mit denen ein Erwachsener
gleichzeitig arbeiten kann. Der o.g. Schachmeister muß z.B. 4 bis
5 Figuren zu einem Paket zusammenfassen, damit das Phänomen erklärt
werden kann, daß er 20 bis 25 Figuren einer Schachposition richtig
erinnern kann, nachdem er sie nur 5 Sekunden lang gesehen hat. Schlechtere
Spieler können selten mehr als 6 oder 7 Figuren rekonstruieren, weil
sie kleinere chunks bilden (DE GROOT 1946; CHASE & SIMON 1973).
Das Durchspielen von Einteilungs- bzw. Vernetzungsmöglichkeiten setzt einen Vergleich zwischen Alternativen voraus: z.B. kann man eine zehnstellige Zahl in Zweierblöcke oder in Dreierblöcke mit zwei Zweierblöcken oder in zwei Fünferblöcke einteilen.
Bei diesem Durchspielen muß man die Verarbeitungskapazität einschätzen können, d.h. man muß wissen, daß nicht mehr als 6 oder 7 Einheiten gebildet werden sollten, da sonst die Grenze der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses wieder erreicht wird. Andererseits führen sehr wenige chunks, etwa nur 2 oder 3, oft dazu, daß sie mehr als 6 Elemente enthalten und dadurch das gleiche Kapazitätsproblem entstehen lassen.
Dieses
Durchspielen von Einteilungsmöglichkeiten ist von provisorischen Elaborationen
begleitet. Es wird jedoch nur abgeschätzt, wieviele produktive Elaborationen
in Frage kommen. Eine direkte Ausführung der Elaboration
findet nicht statt.
Folgende
Techniken können unterschieden werden:
In empirischen
Untersuchungen hat sich gezeigt, daß nur wenige Schüler diese
Mikrooperation, die eine Voraussetzung für die Qualität der Informationsverarbeitung
darstellt, ausreichend beherrschen. Bei diesen wenigen Schülern zeigte
sich auch, daß sie aufgrund ihrer flexiblen Gruppierung mehr Gedächtnisspuren
zur Rekonstruktion der Inhalte zur Verfügung hatten.
Die Chunk-Entscheidung zwischen Alternativen ist von Bewertungsaussagen begleitet, die z.B. lauten "Das kann ich mir gut merken" oder "Das ist schwer" oder "Das ist irritierend" usw. Wie bewertet wird, ist natürlich auch sehr stark durch die Makrooperation " Elaboration" mitbestimmt.
Diese
Mikrooperation gibt Antwort auf die Frage "Mit welchen Chunks komme ich
am besten zurecht?"
Die planmäßige wiederholte Repräsentation ist als Ersatz für die schemagesteuerten Reaktivierungsprozesse anzusehen.
Konkret besteht die wiederholte Repräsentation aus der Rekonstruktion der vorangehenden Verarbeitungsprozesse mit einer Hervorhebung der dabei aufgetretenen Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse. Jeder dieser Rekonstruktionsversuche hinterläßt zusätzliche Gedächtnisspuren, die den Abruf der Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse erleichtern.
Rehearsal-Prozesse
sind aber keine reinen Rekonstruktionsprozesse. Sie gelingen im allgemeinen
nicht vollständig, so daß inter- und extrapoliert werden muß.
Sie können also die vorhandene Information zusätzlich ordnen
und weiter verdichten (vgl. DÖRNER
et al. 1983).
Diese
Mikrooperation ist durch folgende Frage gekennzeichnet: "Werde ich mich
bis hierhin an alles erinnern?" Wird diese Frage verneint, muß der
Fluß der Informationsverarbeitung explizit gestoppt werden.
Bei dieser
telegrammstilartigen Rekonstruktion korrespondieren die räumlich-figuralen
Beziehungen, wie z.B. "darüber", "darunter", "links davon" usw., mit
Spuren der Prozesse aus der Benennungsoperation, in der die Merkmale beschrieben
werden sollen. Die verbal-semantischen Beziehungen, wie z.B. die Analogien,
stammen aus der Elaborationsoperation.
Zur Spurensicherung
sollten die Verarbeitungsprozesse mindestens einmal rekonstruiert werden;
man kann z.B. von einem bestimmten Punkt aus rekonstruieren und systematisch
suchen, z.B. Klangähnlichkeiten eines Wortes als Ausgangspunkt nehmen;
die Assoziation systematisieren).
Eine Analogie
zu dieser Mikrooperation sähe wie folgt aus: Die Informationen werden
wie Bücher in einem Schrank oder in einem Bücherregal eingeordnet
(mentaler Schrank) und dann und wann für die erneute Durchsicht hervorgeholt.
Nach DÖRNER et al. (1983)
bedeutet Rehearsal,
das Gesammelte zu ordnen.
Die Spaltenüberschriften
kennzeichnen die Makrooperationen des Gedächtnisses, die Mikrooperationen
finden sich in den Spalten
4. GIN
- Die Struktur der produktiven Intelligenz
4.1 Die
allgemeine Theorie: Kognitive Schemata
Die grundlegende Annahme ist, daß die produktiven Operationen zu einer Funktionseinheit zusammengeschlossen werden können. Dabei wird davon ausgegangen, daß diese Funktionseinheiten die Information ganzheitlich verfügbar machen, so daß jede einzelne Operation jederzeit abrufbar ist.
Eine entsprechende Funktionseinheit wird in dem sogenannten kognitiven Schema gesehen.
Ein Schema ist eine hypothetische Gedächtnisstruktur, die die Erfahrungen aus einem Realitätsbereich ganzheitlich vor Augen führt.
Im Rahmen
der Informationsverarbeitung können Schemata die Information
Ein Schema ist außerdem ein Beziehungsgefüge, das als Netzwerk veranschaulicht werden kann.
Die Elemente dieses Netzes sind verallgemeinerte Handlungsträger und verallgemeinerte Objekte von Situationen. Die Verbindungslinien zwischen den Elementen repräsentieren die Beziehungen zwischen den Handlungsträgern und den Objekten. Ein einfaches Schema ist das sogenannte "Familien-Schema". Seine Hauptelemente, also Vater, Mutter und Kinder werden schon im dritten Lebensjahr ganzheitlich vergegenwärtigt. Dieses zeigt sich u.a. daran, daß analoge Objektkonstellationen manchmal spontan mit dem Familien-Schema interpretiert werden, etwa die Konstellation aus Sonne, Mond und Sternen. Die Übertragung einzelner Relationen ist schon früher möglich; schon im zweiten Lebensjahr werden die größeren von mehreren Objekten als Vater, die mittleren als Mutter und die kleineren als Kinder betrachtet.
Ein Schema ist also eine Gedächtnisstruktur, die die Beziehungen zwischen den Merkmalen, die ein Objekt oder eine Handlung definieren, in verallgemeinerter Form zusammenhängend abbildet.
Die verallgemeinerten Merkmale erfüllen die Funktion von Leerstellen, in die die speziellen Merkmale der konkreten Situationen "hineingezogen" werden. Auf diese Weise erhalten die speziellen Merkmale die gleiche Struktur wie die verallgemeinerten Merkmale des Schemas. Dadurch werden genau die Beziehungen zwischen ihnen hergestellt, die das Schema abbildet. Dieser Herstellungsprozeß entspricht dem Prozeß des Verstehens. Die verallgemeinerten Merkmale bzw. die Leerstellen werden auch als Variablen bezeichnet. Die Menge der speziellen Merkmale, die diesen Variablen zugeordnet werden können, sind die Wertebereiche der Variablen. Hierbei werden mehr oder weniger typische Werte unterschieden. Charakteristisch für die Variablen ist, daß jede wiederum durch ein Schema mit unterschiedlichen Variablen und Wertebereichen ersetzt werden kann. Die Schemata zu einem Wissensbereich sind daher in vielfältiger Weise miteinander verschachtelt.
Die Aktivierung eines Schemas bedeutet, daß den Variablen konkrete Werte zugeordnet werden, wobei die Variablen, für die keine Werte vorhanden sind, automatisch mit typischen Werten aus den Wertebereichen belegt werden. Ein hervortretendes Merkmal der Schemata besteht darin, daß sie selbst erkennen, wie gut die speziellen Merkmale eines Objekts oder einer Handlung in das Gefüge der Leerstellen hineinpassen.
Die Verschachtelung der Schemata führt dazu, daß nicht nur ein Schema mit Werten besetzt wird, sondern eine ganze Hierarchie von Sub-Schemata. Die Besetzung von Sub-Schemata macht den Prozeß der hierarchischen Entfaltung eines Schemas aus. Dieser Prozeß geht vom Allgemeinen zum Besonderen. Ihm entgegen läuft ein induktiver Aktivierungsprozeß, der seinen Ausgangspunkt bei bestimmten Werten von einzelnen Variablen nimmt. Die deduktiven und induktiven Aktivierungsprozesse laufen teilweise parallel ab, weshalb man von einer heteroarchischen Schemaaktivierung spricht.
RUMELHART (1980) vergleicht das Schema mit dem Drehbuch für ein Theaterstück: Ein Theaterstück hat unterschiedliche Rollen, die von unterschiedlichen Schauspielern besetzt werden können, ohne Wesentliches an der Spielhandlung zu verändern. Genauso können die Variablen eines Schemas mit unterschiedlichen Werten besetzt werden, ohne daß dabei das Beziehungsgefüge zwischen den Variablen in Frage gestellt wird. Als Beispiel kann das Schema für die Handlung "verkaufen" dienen. Im Theaterstück müßten dann zwei Rollen (der Käufer und der Verkäufer), eine Ware und ein Zahlungsmittel vorkommen. Zu dem Verkäufer gehört die Ware, zu dem Käufer gehört das Zahlungsmittel. Durch den Handel findet eine Interaktion statt, die sich dadurch auszeichnet, daß der Verkäufer zustimmt, dem Käufer die Ware für einen bestimmten Geldbetrag zu geben. Es gibt nun Tausende von Möglichkeiten, diese Verkaufsszene zu inszenieren. Die Ware könnte variieren von einem kleinen, billigen Objekt bis hin zu einem riesigen Objekt von sehr hohem Wert. Käufer und Verkäufer könnten variieren in Status, Beruf, Nationalität, Alter etc. Als Zahlungsmittel könnten auftreten: verschiedene Währungen bis hin zu Kaurigeld (Muscheln). Der Handel kann variieren vom arabischen Tauschgeschäft bis hin zum wortlosen Austausch von Geld und Ware, z.B. in einem Kaufhaus.
Ein Schema ist analog dazu aufgebaut. Die Rollen sind die Handlungsträger des Schemas. Die Ware ist das Objekt, das Geld das Instrument und der Handel stellt die Methode dar. Das Ziel entspricht dem Austausch von Geld und Ware. Wenn die Variablen dieses Handlungsschemas mit konkreten Werten besetzt werden, wird die Handlung als Verkaufshandlung interpretiert und das Schema bewertet automatisch, ob es sich um eine typische Verkaufssituation handelt oder nicht. Falls die Handlung als untypisch erkannt wird, wird ein alternatives Schema aktiviert. So wie ein Theaterstück meistens die Charakteristika der Rollen (z.B. Alter, Geschlecht, Beruf usw.) spezifiziert, so sind auch die Variablen mit Kenntnissen über typische Werte assoziiert. Wir wissen z.B., daß der Käufer und der Verkäufer meistens Personen sind, und daß als Zahlungsmittel meistens Geld verwendet wird. Wir wissen darüber hinaus, daß der Wert des Geldes im allgemeinen dem Wert der Ware entspricht usw. Dieses Wissen über die typischen Werte der Variablen und ihrer wechselseitigen Beziehungen stellt den Zusammenhalt der Variablen dar. Dieser erfüllt zwei wichtige Funktionen in der Schematheorie: Zum einen hilft er bei der Interpretation der verschiedenen Aspekte der Handlung. Denn wenn wir z.B. wissen, daß wir eine Verkaufshandlung beobachten, wo werden wir von vornherein einiges antizipieren können. Zum anderen hilft der Variablenzusammenhalt, um schnelle Hypothesen aufstellen und um nicht sichtbare Merkmale ergänzen zu können. Wir erschließen z.B. aus einer Verkaufshandlung immer, daß wir es mit Geld zu tun haben, obwohl es im Moment unsichtbar ist.
Das Drehbuch für ein Theaterstück ist aber keine vollständige Analogie für ein Schema, denn das Schema ist immer abstrakter als ein Drehbuch. In unserem Beispiel des Verkaufsschemas stellten wir uns eine Szene vor, die viel abstrakter war als irgendeine tatsächliche Szene in einem bestimmten Theaterstück. In diesem wäre alles genau festgelegt, sogar der Dialog für das Aushandeln des Preises etc. Das Verkaufsschema aber muß auf jede Situation des Verkaufens angewendet werden können und daher notwendigerweise abstrakter sein. Darüber hinaus muß sich das Schema nicht immer auf Menschen und ihre Handlungen beziehen, sondern auch auf einzelne Vorstellungen und Objekte. Schließlich ist ein wichtiger Unterschied darin zu sehen, daß das Theaterstück sich zwar aus verschiedenen Akten zusammensetzt, die alle ihre eigene Struktur haben können, aber zeitlich hintereinander geschaltet sind. Ein Schema aber besteht aus einer Konfiguration von Sub-Schemata, die nicht nacheinander zum Einsatz kommen, sondern die ineinander verschachtelt und teilweise parallel aktiviert werden. Schemata sind die relevanten Funktionseinheiten des Gedächtnisses. Sie ermöglichen schnelles Verstehen, weitreichende Schlußfolgerungen, stichhaltige Urteile und planvolles Handeln. Sie sind in den unterschiedlichsten Situationen einsetzbar und erklären die teilweise überraschend schnelle und präzise Informationsverarbeitung des Menschen.
Wenn z.B.
ungeübte Spieler das Regelwerk eines nicht allzu komplizierten Spiels
einige Male lesen, um es anschließend zu spielen, mißlingt
dies im allgemeinen. Anders bei geübten Spielern, die oft schon nach
einmaligem Lesen die Bestimmungsstücke der Spielsituation koordiniert
vergegenwärtigen und handlungsmäßig umsetzen können.
Die hier vertretene Schema-Theorie erklärt diese Alltagserfahrung
folgendermaßen: Die momentan koordinierte Vergegenwärtigung
der Spielregeln und ihre Anwendung ist möglich, weil aus den Erfahrungen
mit unterschiedlichen Regelspielen ein Rahmengerüst herauskristallisiert
worden ist, das die zentralen Handlungsträger einer verallgemeinerten
Spielsituation hervorhebt und diese zusammen mit ihren ebenfalls verallgemeinerten
Handlungszielen, -instrumenten und -methoden durch ein beziehungsstiftendes
Netz abbildet. Dieses Rahmengerüst wird vom geübten Spieler zu
Beginn des Regelstudiums mit der Funktion aktiviert,
Ein solcher Informationsverarbeitungsprozeß führt zum Aufbau einer zusammenhängenden Repräsentation der gesamten Spielhandlung - gesteuert durch Erwartungen, strukturiert durch das beziehungsstiftende Netz. Damit wird der Spieler befähigt, die Spielhandlung zu verstehen und selbst auszuführen.
Beim schnellen Erfassen von Alltagssituationen sind die Handlungsschemata von großer Bedeutung - insbesondere die Schemata, die den vertrauten Tätigkeiten zugrundeliegen. Sie sind fast bei jedem Kind vollständig ausgebildet und ermöglichen eine mühelose, schnelle und präzise Informationsverarbeitung.
Ein Handlungsschema ist ein Gefüge, das die Beziehungen zwischen den Handlungsträgern (Akteuren) einer Situation zusammen mit ihren Zielen, Objekten, Produkten, Instrumenten und Methoden ganzheitlich abbildet.
Eine pädagogische
Herausforderung kann daher in dem Versuch gesehen werden, den Analogiegehalt
dieser Handlungsschemata auf die Bereiche zu übertragen, in denen
die Informationsverarbeitung häufig so mühsam und fehlerhaft
verläuft, wie beispielsweise bei komplexen Raumvorstellungsaufgaben
oder bei induktiven oder deduktiven Denkproblemen. Diese Überlegung
führte zum Konzept des "handlungsanalogen Schemas" (HAS) für
kognitive Operationen.
4.2 Die
handlungsanalogen Schemata für die Makrooperationen
Durch ein handlungsanaloges Schema für kognitive Operationen wird eine (oder mehrere) kognitive Operation(en) in eine Alltagshandlung übersetzt, die analog zur kognitiven Operation abläuft.
Dieser Operation wird dadurch das Schema einer vertrauten Alltagshandlung unterlegt; derartige Handlungen nennen wir "operationsanaloge Handlungen". Die bildliche Vorstellung dieser Handlung aktiviert den Analogiegehalt und ermöglicht die Ausführung der Operation.
Die Entwicklung des HAS für kognitive Operationen ist also der Versuch, vertraute Handlungsschemata systematisch in abstrakte Problemlöseprozesse einzubeziehen, um dadurch die Schnelligkeit, Präzision und Mühelosigkeit der Informationsverarbeitung im Handlungsbereich auf die abstrakten Denkprozesse zu übertragen.
Die Definition
der Makrooperationen zufolge müssen diese als kognitive Schemata ausgebildet
werden, so daß die Bestimmungsstücke der Problemsituation ganzheitlich
vergegenwärtigt werden. Abb. 9 zeigt das handlungsanaloge Schema der
" Kodierung",
dargestellt als semantisches Netzwerk mit den folgenden Bestimmungsstücken:
Die folgenden
beiden Abbildungen zeigen die handlungsanalogen Schemata für die Makrooperationen
" Chunking"
und " Rehearsal",
dargestellt als semantische Netzwerke
4.3 Die
handlungsanalogen Schemata der Operationssysteme
Die handlungsanalogen Schemata der Operationssysteme entstehen durch die Verknüpfung der handlungsanalogen Schemata mehrerer Makrooperationen. Die handlungsanalogen Schemata der Makrooperationen werden dadurch zu Subschemata eines übergeordneten Schemas.
Der Systematik der Operationssysteme zufolge (s. Kap. 3.1) müßten fünf Operationssysteme 1. Ordnung (S,I,D,C,M) und je drei Operationssysteme 2. und 3. Ordnung, sowie schließlich das Gesamtsystem S I D C M ausgebildet werden.
Die Struktur dieser verschiedenen Operationssysteme wird hier nur exemplarisch anhand des Operationssystems "Gedächtnis" (M) dargestellt. Zusätzlich wird im nächsten Kapitel die Struktur des Gesamtsystems skizziert.
Das hier dargestellte
semantische Netzwerk (Abb. 12) spezifiziert einen Teil des Generellen
Intelligenz
Netzwerks (GIN). Es gibt an, wie die Subschemata "
Kodierung",
" Chunking"
und " Rehearsal"
zusammenwirken sollen. Die weitere Entfaltung dieser Subschemata geschieht
entsprechend den Abbildungen 9, 10 und 11.
4.4 Das
GIN : Das handlungsanaloge Schema des Gesamtsystems
GIN bezeichnet das Generelle Intelligenz Netzwerk (= "General Intelligence Network").
Das GIN,
also das handlungsanaloge Schema des Gesamtsystems der produktiven Operationen,
entsteht, wenn die Schemata der Operationssysteme zu einem übergeordneten
Schema integriert werden. Die handlungsanalogen Schemata der Operationssysteme
sind also die Subschemata 1. Ordnung; die Subschemata 2. Ordnung sind die
handlungsanalogen Schemata der Makrooperationen und die Mikrooperationen
stellen die Instantiierungen dieses Schemas dar.
Die gestrichelten Konturlinien in Abb. 13 unterteilen das Gesamtsystem in einen zentralen Bereich, der die ineinander verschachtelten Operationssysteme des "induktiven Denken" (I) und des "deduktiven Denkens" (D) enthält, und in einen umgebenden Bereich, der die Operationssysteme des "kreativen Denkens" (C), des "bildlichen Denkens" (S) und des "Gedächtnisses" (M) enthält.
Die räumliche Anordnung gibt Hinweise auf die funktionalen Beziehungen zwischen den Makrooperationen, so etwa zwischen der " Visualisierung" und der "Mentalen Modell-Bildung" oder dem "Brainstorming" und der "Hypothesenbildung" oder schließlich der "Kodierung" und dem "Schlußfolgern".
Die Aktivierung dieses Gesamtschemas soll eine zusammenhängende kognitive Repräsentation der Makro- und Mikrooperationen bzw. der dazugehörenden operationsanalogen Handlungen aufbauen, was zu einer gestaltähnlichen Vergegenwärtigung der vielen unterschiedlichen kognitiven Operationen führt.
Der Schemamechanismus garantiert, daß jede einzelne Operation auf dem Hintergrund ihrer Beziehungen zu anderen Operationen bewußt wird und einsatzbereit ist, so wie z.B. die Buchstaben eines Wortes gemeinsam aktiviert und im Kontext bewußt werden, wenn man es schreiben will (vgl. RUMELHART & NORMAN 1981), oder wie die Mitglieder eines Orchesters in eine auf Harmonie ausgerichtete Alarmbereitschaft versetzt werden, wenn das Konzert beginnt.
Die Entwicklung
eines solchen Schemas für die Operationen der Systematik rechtfertigt
es, von einer "Orchestrierung kognitiver Prozesse" zu sprechen und darin
die wesentliche Bedingung für die Ausbildung derjenigen hohen Intelligenz
zu sehen, die nach SNOW (1980) u.a.
in der schnellen und flexiblen Zusammenstellung von handhabbaren Problemlösestrategien
besteht. Diese schnelle und flexible Zusammenstellung einer Strategie ist
gleichzeitig ein ökonomischer Weg, um die Informationsverarbeitung
in neuen Problemlösesituationen zu bewältigen.
5. CHIPS
- die Prozesse der produktiven Intelligenz
CHIPS sind Strategien der komplexen menschlichen Informationsverarbeitungsprozesse (= "Complex Human Information Processing Strategies).
Ein CHIP ist komplex, weil er viel mehr Prozesse beansprucht, als die Lösung von herkömmlichen Intelligenztestaufgaben, wie etwa aus Abb. 1.
Eine Strategie ist ein Verhaltensplan, der für jeden möglichen Zustand, der im Verlaufe des Informationsverarbeitungsprozesses auftreten kann, angibt, welche Entscheidung zu treffen bzw. welche Handlungsalternative zu wählen ist.
Am detailliertesten werden solche Strategien im Rahmen der menschlichen Informationsverarbeitung durch die sogenannten "Produktionssysteme" abgebildet. Diese basieren auf der These, daß der konkrete Problemlösungsprozeß streng seriell verläuft, weil immer nur ein Ziel verfolgt werden kann. Es muß also in jedem Moment des Problemlösungsprozesses eine Entscheidung für die Ausführung einer bestimmten Mikrooperation getroffen werden.
Ein Produktionssystem besteht aus sogenannten "Produktionen". Jede Produktion hat die Form einer einfachen Regel, die angibt, unter welcher Bedingungen eine kognitive Operation auszuführen ist. Die Sequenz der Produktionen spezifiziert eine Strategie (s. ANDERSON 1982).
CHIPS sind integrierte Produktionssysteme oder integrierte Sequenzen im Sinne von DAVIS (1983), d.h. man sieht die Folge von Problemlöseschritten als Ganzes mit ihren möglichen Verzweigungen vor sich, bevor man sie ausführt. Diese Verzweigungsstellen können mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten versehen werden. CHIPS können daher auch stochastische Operationssequenzen sein, die nicht durch eine einzige festgelegte Reihenfolge von Operationen, sondern durch Folgen mit bestimmten Übergangswahrscheinlichkeiten gekennzeichnet sind.
So gesehen ist ein CHIP vergleichbar mit einer Kür, in welcher der Kürläufer nicht auf eine einzige Übung festgelegt ist, sondern vollkommen elastisch wirkt und improvisieren kann, kurz: er ist zu mehreren Gangarten und plötzlich notwendig werdenden Varianten befähigt.
Ein CHIP ist also das eingeübte, aber trotzdem variantenreiche Zusammenspiel von Operationen, die zuerst eine bildunterstützte kognitive Repräsentation der Problemsituation aufbauen und diese dann ebenfalls bildunterstützt transformieren und elaborieren. Die Bildunterstützung ist an den Stellen intensiv, an denen die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses ihre Grenze erreicht.
CHIPS bzw. Produktionssysteme tragen den Mechanismus der Komposition in sich (vgl. ANDERSON 1982). Durch diesen Mechanismus werden Ketten von Operationen bzw. Produktionen zu Super-Operationen bzw. Super-Produktionen zusammengeschlossen. Dies geschieht, indem immer komplexere "wenn-dann-Beziehungen" in die Strategie eingebaut werden.
ANDERSON (1982) gibt an, daß der Prozeß der Kompositionsbildung schon nach ca. 7 - 12 wiederholten Anwendungen einer Strategie einsetzt.
Dieser aktive Konstruktionsprozeß verleiht den CHIPS die Tendenz, Interaktionen von Operationen zu modifizieren und produktive Modifikationen zu wiederholen und dadurch schließlich zu standardisieren. Auf diese Weise kommt die Vielzahl der Interaktionsmöglichkeiten, die das GIN bietet, schließlich zur Geltung.
Ein CHIP
kann also allgemein definiert werden als die standardisierte, aber dennoch
variantenreiche Kombination von Operationen des GIN.
5.1 Die
Funktion der CHIPS
Die Funktion
der CHIPS läßt sich in vier Punkten zusammenfassen:
6. GIN
and CHIPS - der Struktur-Prozeß-Aspekt der produktiven Intelligenz
Das GIN entspricht dem Strukturaspekt und die CHIPS entsprechen dem Prozeßaspekt der produktiven Intelligenz. Diese Unterscheidung entspricht der in der Theorie der Informationsverarbeitung üblichen Unterscheidung zwischen dem "deklarativen" und "prozeduralen" Wissen (vgl. ANDERSON 1981).
INHELDER & PIAGET kommen zu einer analogen Unterscheidung von Verfahren und Strukturen. Die Strukturen entstehen durch Verschachtelung von Schemata, die Verfahren durch Verkettung von Operationen (INHELDER & PIAGET 1979).
Die folgende
Modellvorstellung zeigt, wie GIN und CHIPS zusammen eine allgemeine Problemlösekompetenz
erzeugen können.
6.1 Das
Prozeßmodell der Strategieentwicklung
Wie kann man sich die Entstehung von Problemlösestrategien vorstellen?
Wir nehmen
mit ANDERSON (1982) an, daß
jeder Mensch über sehr allgemeine Problemlöseschemata verfügt,
mit denen er eine Problemlösesituation interpretieren kann. Wir nehmen
weiter an, daß eine derartige Interpretation einer Problemsituation
zu einer Repräsentation der allgemeinen Struktur des Problems im Arbeitsgedächtnis
führt. Diese Repräsentation hat zunächst zwei relativ getrennte
Auswirkungen (s. Abb. 14):
d.h.,
daß zunächst das ganze GIN aktiviert wird und dann ein Ausschnitt
als "starkes Schema" (vgl. ABELSON 1981) im Arbeitsgedächtnis repräsentiert
wird. Das "starke Schema" bedeutet, daß nicht nur die entsprechenden
Operationen quasi simultan vergegenwärtigt werden, sondern daß
darüber hinaus auch ihre Aufeinanderfolge bereits lose spezifiziert
wird. Ein "starkes Schema" beinhaltet sozusagen einen "schwachen" Strategieentwurf.
d.h.,
die neue Problemsituation wird über einen Mustervergleich (pattern-matching)
mit den prototypischen Aufgabenstellungen verglichen. Die ähnlichste
Aufgabe wird im Arbeitsgedächtnis repräsentiert. Dies führt
zur Repräsentation des dazugehörigen CHIPS.
Die beiden o.g. Auswirkungen verlaufen zunächst parallel, später aber wird eine von beiden dominant.
Bei hoher Strukturähnlichkeit zwischen der Problemlösesituation und der prototypischen Aufgabenstellung wird die Aktivierung des CHIPS dominant.
Bei geringer Strukturähnlichkeit zwischen der Problemsituation und der prototypischen Aufgabenstellung wird dagegen die Aktivierung des GIN dominant.
Ist bei hoher Strukturähnlichkeit die Aktivierung des CHIPS dominant, kann dieser auf dem Wege der Transponierung5 im Sinne von DUNCKER (1935) in Verbindung mit der gleichzeitig bestehenden Repräsentation der allgemeinen Struktur des Problems der neuen Problemsituation angepaßt und versuchsweise angewendet werden. Die Transponierung betrifft vornehmlich die Komposition des CHIPS. Sie ist theoretisch möglich, weil die versuchsweise Anwendung wie der CHIP nach dem Muster eines Produktionssystems verläuft.
Wenn diese provisorische Anwendung der transponierten CHIP-Komposition zur effektiven Aufgabenlösung führt (Istwert-Sollwert), wird die Strategie bzw. das Produktionssystem (s.o.) beibehalten und nach und nach integriert und im Langzeitgedächtnis gespeichert.
Wenn keine effektive Lösung resultiert, entsteht eine Ist-Sollwert-Differenz, die im Arbeitsgedächtnis repräsentiert wird und entweder dazu führt, daß
Wenn dies
nicht der Fall ist, entsteht eine Ist-Sollwert-Differenz, die im Arbeitsgedächtnis
repräsentiert wird. Diese Repräsentation ermöglicht, daß
Im allgemeinen werden bis zur endgültigen Strategieentwicklung mehrere Aufmerksamkeitsverlagerungen von der Aktivierung des GIN zur Aktivierung des CHIPS und umgekehrt erforderlich sein. Dadurch rücken die zunächst nacheinander auftretenden Ist-Sollwert-Diskrepanzen zeitlich immer enger zusammen, bis sie schließlich quasi simultan repräsentiert werden und gemeinsam zur Modifikation der Lösungsversuche und damit zur Entstehung des Produktionssystems herangezogen werden.
Die integrierten Strategien bzw. Produktionssysteme werden im LZG gespeichert und durch wiederholte Anwendung weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung ist durch die Bildung von sogenannten Kompositionen gekennzeichnet. Sie entstehen nach ca. sieben Wiederholungen. Wenn diese Kompositionen stabil ausgebildet sind, ist ein neuer CHIP entstanden.
Theoretisch ist es denkbar, daß die wiederholten Modifikationen der Lösungsversuche keine befriedigende Lösung ergeben, also kein effektives Produktionssystem entstehen lassen. Dann muß der Problemlöser auf Strategieelemente aus seinem allgemeinen Strategierepertoire zurückgreifen. Dies beginnt mit der Suche nach Analogien (vgl. HOLYOAK 1984) und führt zur Repräsentation einer analogen Aufgabenstellung, z.B. aus einem Enrichment-Programm. Da die analogen Aufgabenstellungen weniger präzise als die prototypischen Aufgabenstellungen repräsentiert werden können, werden nur Partial-Analogien repräsentiert, die nun als zusätzliche Hilfe für den Prozeß der Strategieentstehung zur Verfügung stehen.
Ein Problem dieser Modellvorstellung (s. Abb. 14) ist in der Begrenzung der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses zu sehen (s.o.). Denn in ihm existieren nach mehreren Aufmerksamkeitsverlagerungen quasi simultan die Repräsentation der Angemessenheit eines Produktionssystems (auf der Seite des GIN) und die Repräsentation der Angemessenheit der transponierten Komposition. Das heißt, im Arbeitsgedächtnis müssen gleichzeitig die Ist-Sollwert-Ergebnisse der transponierten Komposition und des aus dem GIN entwickelten Produktionssystems repräsentiert werden und zwar so, daß noch Kapazität für die refinement-Prozesse übrigbleibt.
Kapazität wird vor allem deshalb beansprucht, weil die Entwicklung eines Produktionssystems die Verkettung (serielle Anordnung) von Operationen erfordert, wobei die bereits zusammengefügten Operationen präsent gehalten werden müssen, um die weiteren Glieder dieser Kette daran anschließen zu können und um gegebenenfalls vorangehende Glieder durch noch geeignetere zu ersetzen.
Ein weiteres
Problem dieser Modellvorstellung liegt in der begrenzten Kapazität
der Verlagerung der Aufmerksamkeit beim Problemlösen (attention switching
capacity; HUNT 1980).
7. Die
Lehre der produktiven Intelligenz
Der Versuch,
die produktive Intelligenz zu lehren, wirft die folgenden Fragen auf:
7.1 Die
Lehre der Mikrooperationen
Die Lehre
der Operationen bedeutet, die verschiedenartigen, unten genannten Entstehungsbedingungen
planmäßig zu verwirklichen und durch förderliche Bedingungen,
die in der natürlichen Umwelt normalerweise nicht anzutreffen sind,
zu beschleunigen. Die Lehre von Operationen ist, je nach Schwierigkeitsgrad
der betreffenden Operationen, unterschiedlich aufwendig. Diesem Aufwand
entsprechend lassen sich die folgenden vier Lehrformen unterscheiden:
Die Bedingungen
der natürlichen Entstehung können hier nur skizziert werden.
Eine ausführliche theoretische Darstellung dieses Problembereichs
findet sich bei SCHRANKEL (1982).
Der matching-Prozeß findet wahrscheinlich bei jeder Interpretation einer Situation statt und trägt wesentlich zum Aufbau kognitiver Strukturen bei.
Die Mikrooperation "strukturerhaltende Transformationen im Raum" (SHEPARD & COOPER 1982):
Das Drehen von dreidimensionalen Objekten im Raum wird nach SHEPARD & COOPER (1982) durch angeborene Mechanismen ermöglicht. Ein Argument für die Angeborenheit ist, daß die relativ schwierige Fähigkeit, die Struktur von Objekten bei der mentalen Transformation zu erhalten, lebenswichtig ist und es biologisch zu riskant wäre, wenn jedes Kind sie erst mühsam erlernen müßte.
Die Mikrooperation selbst ist ein analoger Informationsverarbeitungsprozeß, der darin besteht, daß bei der gedanklichen Rotation von Objekten die Zwischenstufen kontinuierlich durchlaufen werden, was der tatsächlichen physikalischen Rotation entspricht (vgl. dazu auch SHEPARD & CHIPMAN 1970; SHEPARD 1975, 1978; COOPER 1976). Diese Zwischenzustände werden automatisch interpoliert, z.B. wenn es darum geht, festzustellen, ob ein Figurenpaar gleich ist oder sich spiegelbildlich zueinander verhält.
SHEPARDs
Annahmen sind allerdings nicht unumstritten; wir selbst folgen ihnen nur
bedingt (s.u.).
Die Internalisierung von Handlungen bezeichnet PIAGET (1969) als Denken.
Ferner
hat PIAGET (1969) gezeigt, daß
sich die kognitive Entwicklung am besten als ständige Differenzierung
der logischen Operationen beschreiben läßt, die den Denkprozessen
zugrundeliegen. Allerdings entstehen die Operationen im Sinne von PIAGET
nur aus wenigen fundamentalen Alltagshandlungen, z.B. Klassifikation und
Seriation, die PIAGET in seinen
Experimenten als Beispiele verwendet. Wir gehen jedoch davon aus, daß
PIAGET
die Menge der ausgebildeten Operationen überschätzt und daß
wahrscheinlich nicht viel mehr Operationen ausgebildet werden als die,
die PIAGET & INHELDER (1972)
oder LOMPSCHER (1972) anführen.
Ein Beispiel
hierfür ist die Mikrooperation "Antithese formulieren" (s. Systematik).
Sie erwächst aus dem wiederholten Erleben der Kontroverse unter Gleichaltrigen
(vgl. JOHNSON & JOHNSON 1979). Die Interaktionsmuster der Kontroverse,
wie etwa "Behauptung aufstellen", "Gegenbehauptung aufstellen", "Korrigieren",
"Umdefinieren" werden dadurch soweit verinnerlicht, daß sie schließlich
unabhängig vom Interaktionspartner das eigene Denkverhalten steueren
(vgl. SCHRANKEL 1982).
Sowohl universelle und als auch spezifische Mikrooperationen (s.u.) gehören zu den automatisierten Mikrooperationen oder Komponenten.
Universelle
Komponenten sind z.B. Zergliedern, Eigenschaftsanalyse, Vergleichen, Ordnen,
Abstrahieren, Verallgemeinern, Klassifizieren, Konkretisieren (unvollständige
Liste von LOMPSCHER 1972, S. 34).
Daß Operationen durch Instruktion und Einübung ausgebildet werden können, ist vielfach nachgewiesen worden.
Nach HUNT (1980) können etwa bestimmte Mikrooperationen durch einfache Instruktionen ausgebildet werden. Die Kompetenz für die Ausführung der Operationen ist hierbei um Prinzip bereits vorhanden; die Mikrooperation muß lediglich auf die spezifische Situation zugeschnitten werden und der Lernende muß erkennen, daß sie in dieser Situation nützlich ist.
Andere Mikrooperationen, auch bestimmte zusammengesetzte Mikrooperationen, sind nach geringfügiger Übung ausführbar:
1. Beispiel: Vernetzen von relativ isolierten Geschichten durch eine "Geschichte". Die Instruierbarkeit dieser Operation haben wir in einem Trainingsexperiment nachgewiesen.
2. Beispiel: Methode der Orte zur Einprägung von Wortlisten: Man legt sich einen räumlichen Plan zurecht, in dem gewisse "Orte" in einer ganz bestimmten, festgelegten Reihenfolge abgeschritten werden können. Während der Reproduktion durchschreitet man innerlich diesen Ort und ruft die einzelnen Teile, die man mit den betreffenden Orten assoziiert hat, wieder ab.
Die Instruierbarkeit dieser Operation belegt NEISSER (1979):
"Es gibt
keinen Zweifel an der Wirksamkeit dieser Methode. Sie erlaubt dem, der
sie anwendet, sich eine Liste irgendwelcher Länge in einem einzigen
Durchgang zu merken, vorausgesetzt, daß er vorher eine kognitive
Landkarte mit genügend verschiedenen Orten aufgebaut. hat. Sie wirkt
bei jedermann, sogar bei Menschen, die zu Beginn bestreiten, überhaupt
Vorstellungsbilder zu haben. Nach vielen Demonstrationen von Studenten
suche ich noch immer den Studenten, der sie nicht verwenden könnte."
(vgl. NEISSER 1979, S. 110 f.).
Raumoperationen,
wie "spiegeln", "umkreisen", "rotieren", können beispielsweise nicht
direkt gelehrt werden, sondern nur mit Hilfe von Operationsanalogien. Auch
ihr direktes Lernen durch Einübung bereitet unseren Erfahrungen nach
Schwierigkeiten. Diese Mikrooperationen entsprechen den Operationen, die
aus der Handlung hervorgehen, wobei wir aber der Überzeugung sind,
daß die Operationen nicht zwangsläufig aus verinnerlichten Handlungen
entstehen. "Spiegeln" und gedankliches "Umkreisen" werden beispielsweise
trotz vielfältiger Umweltanregung nicht zu Operationen ausgebildet,
was die Schwierigkeiten von vielen Probanden beim Lösen von Raumvorstellungsaufgaben
aus Intelligenztests deutlich machen. Wir haben daher ein spezielles Lernmodell
entwickelt, das auf dem folgenden Konzept der operationsanalogen Handlungen
basiert:
Operation
durchführen lassen, z.B. "in Gedanken eine Strecke im Raum drehen"
oder "in Gedanken einen Winkel im Raum drehen". Die Bestimmungsstücke
der Problemlösesituation sind dem Lernenden bewußt, stehen aber
relativ isoliert nebeneinander, d.h. der Lernende weiß zwar, wie
man drehen muß, kann es aber konkret nicht ausführen.
Wenn eine
generalisierte verinnerlichte Handlung ausgebildet ist, existiert auch
ein allgemeines Schema der Handlung, d.h. in diesem Falle das allgemeine
Drehschema. Das bloße Nennen der operationsanalogen Tätigkeit
führt dann über die Schemaaktivierung zu einer strukturellen
Repräsentation des (Dreh-)Schemas im Arbeitsgedächtnis.
Beispiele: "die Seiten eines Buches umblättern" oder "einen Schlüssel im Schloß rumdrehen" oder "die Kaffeemühle drehen" oder "beim Turmspringen eine Schraube drehen".
Wenn eine
generalisierte verinnerlichte Handlung noch nicht vorliegt, sondern nur
die verinnerlichte Handlung, dann muß auf eine operationsanaloge
Tätigkeit in einer vertrauten Situation hingewiesen werden (s. Beispiele).
Das Handlungsschema wird hierdurch instantiiert8 und ist von
einer stabilen bildlichen Vorstellung der Handlung begleitet. Diese Vorstellung
der Handlung dient als Analogie für die Ausführung der Operation.
Wenn die
Handlung noch nicht vollständig verinnerlicht ist, muß die operationsanaloge
Handlung wiederholt mental ausgeführt werden, denn erst dadurch kann
das Vorstellungsbild von der Handlung soweit stabilisiert werden, daß
es als Analogie für die Ausführung der Operation dienen kann.
Das heißt: Die wiederholte mentale Ausführung der operationsanalogen
Handlung führt erst nach und nach zu einer stabilen bildlichen Vorstellung
der Handlung im Arbeitsgedächtnis.
Die Ausführung
der Operation gelingt jetzt auf dem Hintergrund des ganzheitlich repräsentierten
Ablaufs der spezifischen Handlung. Das Objekt der Operation kann sozusagen
in die Repräsentation der Handlung eingesetzt werden. Ein wiederholtes
Einsetzen führt dazu, daß der repräsentierte Handlungsablauf
nach und nach auf sein strukturelles Gerüst reduziert wird. Parallel
dazu entsteht das Schema der Operation.
Wenn die Operation ausgeführt werden kann, kann ihr Ablauf im Detail beobachtet werden. Die zu Beginn genannten Operationsanalogien können nun direkt nachvollzogen werden. Die Analogie "drehen ist wie Seiten vertauschen und auf den Kopf stellen" kann beispielsweise direkt beobachtet werden, wenn man einen geometrischen Körper in der Vorstellung dreht.
Die diesen
Analogien zugrundeliegenden Handlungsschemata werden auf diese Weise mit
der Operation verbunden. Die Ausführung der Operation kann dann zunehmend
präziser begrifflich kodiert werden.
Dadurch wird die Operation automatisiert.
Aktive Konstruktionsprozesse sind jetzt nicht mehr notwendig und für die Ausführung der Operation scheinen weniger Mittel der Informationsverarbeitung nötig zu sein; die Operation wird jetzt scheinbar unmittelbar bildlich vorgestellt, ohne eine wesentliche Beanspruchung der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses.
Die Operation
kann jetzt sogar in einer komplexeren Problemlösesituation ablaufen,
die den Einsatz verschiedener Operationen erfordert.
Eine solche
spezielle Gedächtnisstruktur ist z.B. ausgebildet, wenn die nachfolgende
Abbildung als Vorstellungsbild erzeugt werden kann, denn in diesem Falle
können zahlreiche Relationen gestaltähnlich vergegenwärtigt
werden.
7.2 Die
Lehre der handlungsanalogen Schemata
Für
die Lehre der handlungsanalogen Schemata haben wir das Konzept des handlungsanalogen-bildunterstützten
Schemas, das sogenannte HABUS, entwickelt und daraus das Konzept des SIMULTAN-VERGEGENWÄRTIGERS
abgeleitet.
Wir nehmen darüber hinausgehend an, daß auf diese Weise dem Anfänger der Einstieg in komplexe Denkprozesse erleichtert wird und damit die Ausbildung des entsprechenden Schemas begonnen werden kann.
"Ein handlungsanaloges-bildunterstütztes Schema (HABUS) ist ein handlungsanaloges Schema, das in Funktionseinheit mit einem bild-unterstützten Denkprozeß aktiv wird." (vgl. RÜPPELL/SCHRANKEL/GARBERT/HUBER/KLIEME 1982, S. 427)
Die produktiven Eigenschaften des HAS, insbesondere die Schnelligkeit, Präzision und Mühelosigkeit bei der kognitiven Repräsentation von Beziehungsgeflechten, führen bei komplexen Denkprozessen aber auch zu Schwierigkeiten, die aus der relativen Flüchtigkeit und Instabilität der jeweiligen kognitiven Repräsentationen resultieren. Der Theorie des bildunterstützten Denkens zufolge (vgl. KLIEME & RÜPPELL 1983) kann diesen Schwierigkeiten durch die systematische Verknüpfung der Schemaaktivitäten mit den bildlichen Denkprozessen begegnet werden. Die flüchtigen Zustände der Entfaltungen eines Schemas können dann beispielsweise fixiert oder Zwischenergebnisse können prägnant visualisiert werden. Einzelne Schemaelemente können verbildlicht und zusammen mit anderen als Konfiguration im Raum vorgestellt werden. Hierdurch können zusätzliche Beziehungen zwischen den Elementen sichtbar werden.
Die Vorteile der bildlichen Stützung des Denkens durch die Visualisierung von handlungsanalogen Schemata und Zwischenergebnissen von Lösungsprozessen konnten empirisch gestützt werden (vgl. KLIEME & RÜPPELL 1983). Darüberhinaus existieren zahlreiche empirische und theoretische Befunde für die produktive Symbiose von Schemaaktivitäten (s.o.) und bildlichen Denkprozessen (vgl. STEINER 1980; KOSSLYN 1980; GREENO 1980; KLIEME & RÜPPELL 1983).
Eine solche produktive Symbiose entsteht, wenn die Elemente der handlungsanalogen Schemata der Makrooperationen durch bildliche Vorstellungen konkretisiert werden. Die folgende Abbildung zeigt, wie solche bildlichen Darstellungen in ein handlungsanaloges Schema eingebaut werden können. Zum Vergleich ist das handlungsanaloge Schema dargestellt (Abb. 16).
Jedem Element aus Abbildung 17 sollte idealerweise ein Element des handlungsanalogen Schemas zugeordnet sein. Die Makrooperation "Rehearsal" wird durch eine Person, den sogenannten "Handlungsträger" (Akteur) symbolisiert und als "Memorierer" bezeichnet. Das "Objekt" des Memorierers ist durch die gegliederte Konfiguration von Objekten auf dem Fußboden dargestellt. Das "Ziel" des Memorierers ist eine stabilisierte gegliederte Objektmenge, die in der Denkblase als Vorstellungsbild erscheint.
Die Makrooperationen
des handlungsanalogen Schemas befinden sich im Hintergrund. Dabei gelten
folgende Zuordnungen (vgl. Abb. 16):
Das HABUS ist ausgebildet, wenn das dargestellte Bild (Abb. 17) relativ mühelos als Vorstellungsbild im Arbeitsgedächtnis aufgebaut werden kann.
Das Bild selber stellt die didaktische Methode zur Ausbildung dieses Vorstellungsbildes dar, wenn es in die Form eines Posters gebracht wird. In diesem Falle sprechen wir von einem "Simultan-Vergegenwärtiger".
Ein "Simultan-Vergegenwärtiger" soll die Funktion des HABUS übernehmen, solange dieses noch nicht ausgebildet ist. Die Erfüllung dieser Funktion wird durch die posterartige Darstellung unterstützt, denn sie ermöglicht es dem Anfänger, sozusagen auf einen Blick alle Elemente des Schemas zu erfassen und auf diese Weise zu einer vorübergehenden simultanen Vergegenwärtigung der Schemaelemente im Arbeitsgedächtnis zu gelangen.
Allgemein hat der Simultan-Vergegenwärtiger als eine plakative bildhafte Darstellung einer typischen Handlungssituation also die Funktion, die Bestimmungsstücke einer Problemlösesituation schon dann vorübergehend simultan zu vergegenwärtigen, wenn das entsprechende Schema noch nicht aufgebaut ist.
Im Sinne
eines normativen Denkmodells (s. RÜPPELL
et al. 1982) wird angenommen, daß eine simultane Vergegenwärtigung
der Produkte, Methoden, Instrumente (s.u.) und Objekte der Handlungsträger
in der Vorstellung für das Lösen bzw. Durchspielen von Denkaufgaben
allgemein notwendig ist.
Ein solcher wurde im vorangehenden Abschnitt bereits für das handlungsanaloge Schema der Makrooperation " Rehearsal" dargestellt. Analoge Simultan-Vergegenwärtiger existieren für die vierzehn anderen Makrooperationen der produktiven Intelligenz.
Für die Lehre der handlungsanalogen Schemata der Operationssysteme werden die Simultan-Vergegenwärtiger zunehmend komplexer.
Ein Simultan-Vergegenwärtiger für das Operationssystem "Kreatives Gedächtnis" (CM), den wir in vorangehenden Studien erprobt haben, der aber nicht vollständig der Struktur der produktiven Intelligenz entspricht, kann hier als Beispiel dienen.
Soll ein
Pb beispielsweise unter Zeitdruck eine große Anzahl von Bildern memorieren
und später ihre richtige räumliche Anordnung reproduzieren, so
werden ihm die dafür in Frage kommenden Makro- und Mikrooperationen
durch folgende Abbildung bewußt gemacht (Abb. 18). Dabei symbolisiert
der "Memorierer" die Makrooperation " Rehearsal",
der "Erfinder" die Makrooperation " Elaboration"
und der "Einteiler" die Makrooperation " Chunking".
Die wiederholte
Betrachtung einer solchen Abbildung läßt den Pb vorübergehend
vergegenwärtigen, daß
Insgesamt
wurde in der o.g. empirischen Erprobung versucht, ein Operationssystem
für sechs Makrooperationen auszubilden:
Die Ergebnisse
zeigten, daß dieser Simultan-Vergegenwärtiger die ihm zugeschriebenen
Funktionen noch nicht befriedigend erfüllte. Es wurden daher zwei
Varianten entwickelt.
1) Der strukturelle Simultan-Vergegenwärtiger
Der strukturelle Simultan-Vergegenwärtiger basiert auf der Annahme, daß die simultane Vergegenwärtigung der Elemente eines komplexen Schemas für Operationssysteme unterstützt werden kann, wenn ein vertrautes, hochgradig überlerntes kognitives Schema gefunden werden kann, auf das die Handlungsträger des zu konstruierenden Simultan-Vergegenwärtigers projiziert werden können. Ein Beispiel hierfür ist der Simultan-Vergegenwärtiger auf der Basis des "Familien-Schemas":
Die Einführung eines sogenannten "Familien-Schemas" von Handlungsträgern (z.B. Vater, Mutter, Tochter, Sohn, Großvater) würde die simultane Vergegenwärtigung zumindest erleichtern, weil das Schema ja gerade dadurch definiert ist, daß alle seine Elemente gleichzeitig ins Bewußtsein treten und als Gestalt im Hintergrund auch bei der Ausführung spezieller Problemlöseoperationen erhalten bleiben.
Abb. 20 zeigt beispielhaft ein "Familien-Schema" mit folgender konkreter
Rollenverteilung: der Vater als "Umkreiser" (Makrooperation Orientierung),
die Mutter als "Erfinderin" (Makrooperation Elaboration),
der älteste Sohn als "Einteiler" (Makrooperation Chunking),
der jüngste Sohn als "Benenner" (Makrooperation Kodierung)
und der Großvater als "Memorierer" (Makrooperation Rehearsal).
Die Kleingruppenarbeit zeigte, daß die Schüler (9-12 Jahre) eindeutige Präferenzen für bestimmte Handlungsträger hatten. Am beliebtesten waren die Tätigkeiten des Erfinders, der wahrscheinlich durch sein phantasievolles Wesen anziehend wirkte. Dagegen wurde die Tätigkeit des Memorierens meist als langweilig bezeichnet und oft nur unwillig ausgeführt.
Als Alternative zu den herkömmlichen Handlungsträgern (aus Abb. 19) hielten wir eine charakterliche Vereinheitlichung und eine Konstruktion kindgerechter, d.h. fröhlicher und munterer Figuren, die ähnlich wie Trickfilmfiguren attraktiv sind, für angebracht. Die damit einhergehende geringere Diskriminierbarkeit würde durch die Einführung des sogenannten "Familien-Schemas" wieder aufgehoben.
Die Ergebnisse des Versuchs hatten außerdem gezeigt, daß die
herkömmlichen Handlungsträger aus dem Simultan-Vergegenwärtiger
(Abb. 19) möglicherweise zu speziell sind und dadurch das Spektrum
der verschiedenen Elemente der allgemeinen Handlungsschemata einengen.
Im Simultan-Vergegenwärtiger auf der Basis des Familien-Schemas sind
deshalb keine Handlungsträger mit typischen Berufen vertreten.
2) Der dynamische Simultan-Vergegenwärtiger
Die Form des dynamischen Simultan-Vergegenwärtigers realisierten wir
durch die Einführung eines sogenannten "Karussell-Mechanismus". Hierdurch
wird das statische Vorstellungsbild durch ein dynamisches ersetzt, das
die verschiedenen Handlungsträger des Simultan-Vergegenwärtigers
durch eine Dreh-Bewegung reihum vor Augen führt und mit zunehmender
Drehgeschwindigkeit schließlich eine quasi simultane Repräsentation
der Elemente des handlungsanalogen Schemas für den jeweiligen Operationsbereich
erzeugt. Die kombinierte Anwendung des dynamischen und des strukturellen
Simultan-Vergegenwärtigers führt zu folgender Abbildung (Abb.
21):
Ein Simultan-Vergegenwärtiger für das Gesamtsystem der produktiven
Intelligenz ergibt sich schließlich, wenn für jede Makrooperation
ein Handlungsträger konzipiert werden kann und wenn es darüber
hinaus gelingt, diese in einen beziehungsstiftenden Kontext zu stellen.
Eine derartige simultane Vergegenwärtigung kann hier nur skizziert
werden, indem wir dem handlungsanalogen Schema des Gesamtsystems der produktiven
Operationen (Abb. 22) das Gesamtsystem mit den entsprechenden Handlungsträgern
(Abb. 23) gegenüberstellen.
8. Die
Lehre der CHIPS
Ein CHIP wurde in Kapitel 5 definiert als die "standardisierte, aber dennoch variantenreiche Kombination von Operationen des GIN".
Bei der Lehre des GIN waren diese Operationen auf die Handlungsträger abgebildet worden. Die Lehre der CHIPS muß sich demnach auf die Ausbildung von standardisierten, aber dennoch variantenreichen Interaktionsmöglichkeiten der verschiedenen Handlungsträger der Operationssysteme beziehen. Auf dieser Ebene ist ein CHIP ausgebildet, wenn man die Handlungsträger eines Operationssystems mit allen ihren Methoden selbständig und flexibel wie ein Regisseur interagieren lassen kann, um das jeweilige Problem möglichst ökonomisch zu lösen. Die Beschreibung der konkreten CHIPS für die definierten Operationsbereiche findet sich zusammen mit den Aufgaben bzw. Spielen, an denen sie ausgebildet werden, in RÜPPELL/HINNERSMANN/WIEGAND (1985).
Die konkrete Ausbildung der CHIPS geschieht mit Hilfe des "Adaptiven Lehr-Lern-Systems" (ALLS). Das System ist speziell für die Ausbildung von Denkstrategien entwickelt worden (vgl. RÜPPELL 1982). Es besteht aus einem Lernmodell und einem synchronen Lehrmodell.
Das Lernmodell
unterscheidet die folgenden vier Stufen:
In den o.g. Trickfilmen werden die Handlungsträger eines Operationssystems vorgestellt, die dann gemeinsam prototypische Aufgaben modellhaft lösen.
An den Diatischen werden Rollenspiele mit den Handlungsträgern durchgeführt. Beispielsweise bekommt ein Schüler die Instruktion, die Tätigkeiten eines bestimmten Handlungsträgers auszuüben. Hierzu stehen die Handlungsträger als kleine Stockfiguren zur Verfügung. )
Mit der
Ausbildung von GIN und CHIPS als Gedächtnisstrukturen ist der allgemeine
Teil der Ausbildung des Curriculums "Produktive Intelligenz" abgeschlossen.
9. Die
Lehre der Strategiekompetenz
Der zweite, d.h. der spezielle, Teil des Curriculums "Produktive Intelligenz" kann hier nur skizziert werden. Das Ziel dieses Teils wurde in der Einleitung beschrieben als die "Ausbildung einer Vielzahl von spezifischen Denkstrategien, die die typischen Bereiche kultureller Denkinhalte möglichst repräsentativ abdecken, etwa Bereiche wie die technischen Erfindungen, den Denksport und die Strategiespiele".
Hierdurch
soll die allgemeine Strategiekompetenz ausgebildet werden, auf die das
Prozeßmodell ausgerichtet ist. Dieses Modell wird zur Ausbildung
der Strategiekompetenz verhaltensmäßig simuliert:
Die Entstehung solcher zielgerichteten gestalthaften Repräsentationen im Arbeitsgedächtnis kennzeichnen den Beginn des produktiven Denkens, das WERTHEIMER (1957) folgendermaßen beschreibt:
"Es ist
keine Summe von verschiedenen Schritten, nicht eine Ansammlung von verschiedenen
Operationen, sondern das Heranwachsen eines Gedankens aus den Lücken
in der Situation, aus den Störungen in der Struktur und in dem Bestreben,
sie zu heilen - zur guten inneren Bezogenheit" (WERTHEIMER
1957, S. 58).
Literatur