Evolution
der Körpergrundgestalt
Radiärsymmetrie / Bilateralsymmetrie
Cnidarier gelten als
ursprünglich, sie bestehen aus nur zwei Zelllagen, dem Entodem und
dem Ektoderm und sie haben einen radiärsymmetrischen
Körperbau. Weitaus die meisten Metazoen, von den Plattwürmern
bis zu den Säugetieren sind bilateralsymmetrisch gebaut. Die
Entwicklung der Bilateralsymmetrie wird als großer
evolutionärer Fortschritt angesehen.
Die Polypen der Scyphozoen
(Becherpolypen)
sind im Inneren durch vorspringende Septen in Taschen gegliedert. Wir
fanden bei Aurelia aurita nur eine gerade Anzahl von Taschen.
Wir erklären dies dadurch, dass in den Tieren zwei Sorten von
Entoderm enthalten sind, (Endo A und Endo B genannt), die
zusammenhängende Streifen bilden (Kompartimente). Die
Kompartimente benötigen sich gegenseitig zur Bildung und
Aufrechterhaltung ihrer Identität („Laterale Aktivierung“). Wo
sich
Endo A und Endo B Zellen treffen, mischen sie sich nicht, sondern
bilden
ein Septum, sodass im Umfang des Polypenbechers immer nur eine
gerade Anzahl von Septen -und damit auch Taschen- entstehen kann.
Bisher können wir Endo A und Endo B äusserlich nicht
unterscheiden, sodass die Polypen radiärsymmetrisch erscheinen.
Anthozoen (Blumentiere) haben wesentlich mehr
Mesenterien (oder
Septen) bzw. Taschen im Innenraum ihrer Polypen als Scyphozoen. Wir
unterscheiden drei Typen von Taschen. Eine der drei Typen Taschen
ist selten. Sie bewirkt die Bildung einer bewimperten Rinne
(Siphonoglyphe) im Pharynx. Ein Polyp wird dadurch
bilateralsymmetrisch.
Nach unseren Untersuchungen besitzen Anthozoen die gleichen
entodermalen Kompartimente wie Scyphozoen. Darüber hinaus aber
eine weiteren Typ (den, der die Bildung der Siphonoglyphe bewirkt),
Dieser Typ kommt auf eine ganz andere Weise zustande. Die Bildung
dieses Endo C –Streifens wird durch einen Mechanismus der „Autokatalyse
und lateralen Inhibition“ erklärt. Dadurch ist die Bildung auch
von mehr als zwei und einer ungeraden Anzahl sogenannter
Richtungsfächer möglich, wie es in der Natur auch beobachtet
wird. Die hier postulierten Interaktionen wurden für Scyphozoen
und Anthozoen mit Hilfe von Computersimulationen gefunden.
Nach unserem Modell
ist die
Anordnung von Septen und Taschen bei Scyphozoen ursprünglich und
die der Anthozoen abgeleitet. Die Vorläufer der Anthozoen
entwickelten einen zusätzlichen Mechanismus, der u.a. eine
Bilateralsymmetrie ermöglicht, aber sie nicht erzwingt. Erst
bei den Bilateria wird offenbar die Bilateralität erzwungen. Wir
erwarten, dass die postulierten Kompartimente durch Studien über
differentielle Genexpression bestätigt
werden. Bei den Hydrozoen
kennen wir im Moment keine Merkmale, die auf Kompartimente im
Entoderm hinweisen.
Berking
S, Herrmann K (2007)
Compartments in Scyphozoa. Int. J. Dev. Biol. (2007) 51: 221-228 (pdf-file)
Berking S (2007) Generation
of bilateral symmetry in Anthozoa: A model. J of theor Biology
(2007) 246:477-490 (pdf-file)
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Scyphozoen
Anthozoen
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