Die Messungen wurden an Systemen des Typs H2O (10 mM KCl)/Öl/CiEj durchgeführt, wobei als Öl eine n-/c-Hexan-Mischung oder Decalin eingesetzt wurde, als nicht-ionisches Amphiphil CiEj die Alkylpolyglykolether C8E3, C10E4, C9-Phenyl-E5 (Igepal CO-520) und C14E6. Die Amphiphile C8E3 und C10E4 wurden synthetisiert und gereinigt.
Die Messung der elektrischen Leitfähigkeit als Funktion der Temperatur zeigt, daß in nicht-ionischen Mikroemulsionen mit abnehmender Temperatur ein Perkolationsübergang von einer niedrigleitenden Tröpfchenphase zu einer hochleitfähigen Phase von vernetzten Tröpfchenclustern stattfindet. Die Art der Umwandlung wird als kooperativer Prozeß beschrieben, in dem viele Tröpfchen zum Aufbau der perkolativen Struktur beitragen. Der Übergang von langen zu kurzen Amphiphilen führt bei gleicher Tröpfchengröße von stärker zu schwächer strukturierten Mikroemulsionen mit einer schwächer ausgeprägten Leitfähigkeitsänderung: Die Kompartimentierung der schwach strukturierten Systeme fällt ebenso geringer aus wie der Aufbau der perkolativen Aggregate.
Die Viskosität der Mikroemulsionen nimmt gleichfalls mit der Leitfähigkeit mit fallender Temperatur stark zu und wird durch das Baxter-Modell harter Kugeln mit temperaturabhängiger, attraktiver Wechselwirkung beschrieben. An der oberen Phasengrenze verhalten sich die Wassertröpfchen in den Mikroemulsionen wie harte Kugeln ohne Wechselwirkung. Mit sinkender Temperatur tritt eine effektive Anziehung zwischen den Tröpfchen durch eine abnehmende Wechselwirkung zwischen den Amphiphilketten an der Wasser/Öl-Grenzfläche und dem umgebenden Medium Öl auf, die eine Aggregation zu Clustern und eine im Vergleich mit Einzeltröpfchen bis zu 50fach höhere Viskosität bewirkt.
In vielen Mikroemulsionen lassen sich im niedrigleitenden Bereich auch
durch hohe elektrische Felder den temperaturinduzierten
Perkolationsclustern vergleichbare Strukturen aufbauen. In der
zeitaufgelösten Messung von Leitfähigkeit und Kerr-Effekt können in
einem Feldpuls zwei Prozesse differenziert werden:
Nach Abschalten des Feldes relaxiert die Doppelbrechung mit einer dem zweiten Prozeß vergleichbaren Zeitkonstanten gegen den Ausgangswert Null. Der zweite Prozeß und die Feld-aus Relaxation sind umso langsamer, je größer die in der Mikroemulsion vorliegenden Wassertröpfchen sind. Um die Perkolation im zweiten Prozeß zu induzieren, muß eine kritische, temperaturabhängige Feldstärke überschritten werden. Es wird gefunden, daß diese in Systemen mit kleinen Tröpfchen experimentell nicht erreicht wird und nur der erste Prozeß im Kerr-Effekt in Erscheinung tritt.
Mikroemulsionen mit kurzen Amphiphilen (C8E3, C10E4) weisen auch mit Tröpfchenradien, die bei den Systemen mit längeren Amphiphilen einen zweiten Prozeß erlauben, keine feldinduzierte Perkolation innerhalb der zur Verfügung stehenden Feldstärken auf.
Durch Variation von Tröpfchenradius oder Brechungsindex des Öls können
das Vorzeichen des Kerr-Effekts und dessen dynamischer Habitus
spiegelbildlich umgekehrt werden. Ausgehend von diesem Befund und den
Ergebnissen der dynamischen Messungen wird folgender Mechanismus für die
zwei Prozesse der Strukturdynamik im Feld vorgeschlagen:
Die erhöhte Leitfähigkeit wird durch einen Prozeß des Öffnens und Schließens von Tröpfchen, die erhöhte Doppelbrechung durch eine verstärkte Tröpfchendeformation aufgrund von Dipol-Dipol- Wechselwirkungen erklärt. Aufgrund der Analogie von temperatur- und feldinduzierter Perkolation wird auch für die bei niedrigen Temperaturen ohne elektrisches Feld vorliegenden Perkolationscluster eine Kompartimentierung in einzelne Tröpfchen im Gegensatz zu durchgehenden Wasserkanälen angenommen.