Unterrichtsmethoden und Unterrichtsstunden erfordern Rahmenbedingungen für gutes Gelingen |
(aus "Konstruktivistische Didaktik" 2. Aufl. S. 282 ff.):
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Hier nennen wir einige Aspekte, die einen gelingenden Unterricht prinzipiell erschweren können: Das Zeitproblem: Der Stundentakt von 45 Minuten kann pädagogischen Erfordernissen oft nicht entsprechen. Flexiblere Zeitgestaltung ist daher notwendig. Aber sie scheitert oft an bürokratischen Hindernissen. Wir müssen uns von zu engen Zeitzwängen freimachen, wenn wir systemisch und konstruktivistisch arbeiten wollen. Hier kann es oft sehr kreativ sein, mit den Teilnehmern bzw. Lernern selbst die Frage der Zeit im Blick auf die Arbeitsvorhaben zu thematisieren und neue Zeitkonzepte zu entwickeln. Das Raumproblem: Für konstruktive Methoden fehlen oft geeignete Räume und in diesen geeignetes Material. Auch hier kann jedoch mittels Fantasie vieles ausgeglichen werden, was zunächst von den Methoden oder Medien bzw. Materialien her als unmöglich erscheint. Wenn wir allerdings die „Schule neu erfinden“ wollen, dann müssten wir auch eine neue Architektur schaffen, die vor allem den Wechsel von Großgruppe und Kleingruppen bei gleichzeitig aktueller Medienausstattung ermöglichen würde. Das Außenweltproblem: Äußere Realitätserfahrungen sind in der Schule oder in eng abgesteckten pädagogischen Prozessen oft zu wenig einbezogen. Eine Öffnung hin zur Lebenswelt ist aber zunehmend erforderlich, um die künstliche Isolation von Unterricht zu überwinden. Solche Isolation entstammt noch einem Denken, das im Wissen die Quelle aller Bildung sah und daher einen Ort stiller Reproduktion suchte. Heute erfahren wir die Halbwertzeiten des Wissens und die gesteigerte Bedeutung methodischer Kompetenzen, die nicht ohne gezielten Kontakt zur Außenwelt herzustellen sind. Das Gewohnheitsproblem: Gerade in methodischen Fragen legen sich Pädagogen gerne auf Verfahren fest, die irgendwann einmal Erfolg gebracht haben. Anderen und neuen Methoden wird dann eine große Skepsis entgegengebracht. So wirken sich Gewohnheiten meist negativ aus. Mit methodischer Fantasie hingegen lassen sich unter Nutzung bekannter Verfahren Mischformen mit neuen Ideen konstruieren, die für eine aktuelle Situation, für eine Gruppe, für ein Problem situativ passen. Das Stoffproblem: Je größer die zu vermittelnde Menge an Stoff im Lehren und Lernen ist, desto weniger können Methoden differenziert entfaltet werden. Stoffliche Entlastung ist eine wesentliche Voraussetzung für methodische Vielfalt und hohe Lernwirksamkeit von Unterricht. Denn die Stoffe, die behandelt werden, sollten sowohl in verschiedenen re/de/konstruktiven Perspektiven als auch im Blick auf Imaginationen, auf Realität und im Blick auf Beziehungen thematisiert werden können. Dies ist die Grundlage, um das Lernen zu lernen. Auf dieser Basis lassen sich späterhin – je nach Bedarf in der individuellen Biografie – relevante Stoffe aneignen oder erzeugen. Das Gleichgültigkeitsproblem: In der Postmoderne fällt es schwer, sich für andere Menschen zu engagieren. In der Didaktik aber ist Engagement grundlegend notwendig. Dies ist eine Frage der Einstellung und nicht nur der Fachkompetenz. Das Kommunikationsproblem: Lernen ist immer an kommunikative Prozesse gebunden. Didaktiker müssen aktiv eine Kommunikation entwickeln, die von Wertschätzung und Anerkennung getragen ist. Das Mitbestimmungsproblem: Lernen wird erst dann auf Dauer effektiv, wenn der Lerner sein Lernen bestimmen lernt. Insoweit sollte er auch bei Fragen der Bewertung und Evaluation des Lernens aktiv werden (vgl. die beiden nächsten Kapitel). Vor dem Hintergrund dieser Einsichten können in der systemisch-konstruktivistischen Didaktik prinzipiell alle klassischen Methoden (vom Vortrag über den fragend-entwickelnden Unterricht bis hin zu Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit) eingesetzt werden. Beim Einsatz allerdings sollte die konstruktive Seite nie zu kurz kommen, was einige Methoden – wie z.B. den Vortrag – begrenzt: Unterrichtsstunden mit langatmigen Vorträgen oder isolierten Referaten einzelner Teilnehmer lehnt eine konstruktivistische Didaktik als ineffektiv ab. |
© Kersten Reich 2005 |
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