Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon. Bd. 2. Herzberg 1990. Sp. 1374-1379:
ISIDOR, Erzbischof von Sevilla, Heiliger, * um 560 in Cartagena, + 4 .4 . 636 in Sevilla. - I. entstammte einer vornehmen Familie, die in der Mitte des 6. Jahrhunderts aus Cartagena (Südostspanien) nach Sevilla übersiedelte; wahrscheinlich erfolgte die Ausweisung auf Veran lassung byzantinischer Behörden. I.s älterer Bruder Leander war Bischof im westgotischen Sevilla, sein zweiter Bruder Fulgentius Bischof von Astigi, seine Schwester Florentina wurde Nonne. Als Nachfolger seines Bruders Leander wurde I.um 599/601 Metropolit von Sevilla. Bis zu seinem Tod förderte I. die asketische und wissenschaftliche Ausbildung der Geistlichen und die Gründung entsprechender bischöflichen Schulen (in Sevilla, Toledo, Saragossa u. a.), die er mit reichen Bibliotheken ausstattete. Des weiteren beeinflußte er die spanische Geschichte maßgeblich; sein Vorsitz beim 4. Reichskonzil zu Toledo (633) gibt davon ein eindrucksvolles Zeugnis. Vor allem aber erreichte I. mit seinem umfangreichen schriftstellerischen Schaffen eine außergewöhnliche Bedeutung. In seinen Werken - überliefert in über tausend Handschriften und zahlreichen Drucken - behandelt I. naturwissenschaftliche, grammatische, historische und theologische Themen. Die bedeutendste Schrift in der Reihe der naturwissenschaftlichen Werke ist die für König Sisebut geschriebene "Etymologiae" (auch "Origines" genannt; um 630 abgeschlossen) , die I.s Schüler und Freund Braulio in zwanzig Bücher einteilte und herausgab. Diese "Etymologiae" fassen als eine Realenzyklopädie das gesamte weltliche und geistliche Wissen der Zeit zusammen; sie bieten die systematische Aufarbeitung der septem artes liberales und einen Abriß der bis dahin bekannten Weltgeschichte. Das "Grundbuch des ganzen Mittelalters" (E. R. Curtius), aus vielerlei Vorlagen kompiliert, erläutert Naturphänomene wie Sonnen- und Mondfinsternis, Tag und Nacht, Erdbeben usw. und bietet Erklärungen für nahezu alle Bereiche der menschlichen Existenz, wie etwa Sprache und Grammatik, Rechte und Pflichten. Aber auch auf Entlegeneres [Sp. 1375] weitet I. das Blickfeld aus: so verurteilt er z. B. strengstens das Theaterwesen. Wie in den "Etymologiae" nimmt I. auch in der Sisebut dedizierten Schrift "De natura rerum" eine knappe Darstellung der Naturereignisse vor. In gewisser Hinsicht wird diese Arbeit ergänzt durch "De ordine creaturarum", ein Werk, das ebenfalls ausführlich auf die Welt des Geistigen und der materiellen Sprache eingeht. Dabei wird allerdings das Naturwissenschaftliche zugunsten des Lebens nach dem Tod (Fegefeuer, Paradies, Jüngstes Gericht) eher marginal behandelt. Anhand der Methode der Begriffsherleitung ist I. den Sinngehalt wichtiger, zentraler Begriffe klarzulegen bemüht. In der Etymologie sieht I. eine der Lehrweisen, um über die Sprache den Weg zur Erkenntnis zu finden. Diesen Ansatz wählte I. auch für das grammatische Werk "Differentiae", dessen Buch I und II in alphabetischer Folge eine Gruppe von Wortarten zum entsprechenden Begriff stellt. Anders als der Titel "Synonyma" vermuten läßt, werden hier nicht Lexeme subsummiert; vielmehr beklagt eine sündige Seele das menschliche Elend, und zwar in jeder Redeeinheit mit synonymen Ausdrücken. Dieses zweibändige, weitgehend philologisch orientierte Werk verbindet - unter häufigen zeitkritischen Einschüben - das Pädagogisch-Philologische mit dem Ethisch-Religiösen. In den geschichtlich ausgerichteten Schriften stellt I. historische Persönlichkeiten vor. So wird in "De viris illustribus" biographisches und hagiographisches Material über vornehmlich afrikanische und spanische Schriftsteller des 6.- 7. Jahrhunderts geboten. Für diese frühe christliche Literaturgeschichte benutzte I. als Quelle das gleichnamige Werk von Hieronymus und Gennodius von Marseille; manches aber erhielt er auch von Papst Gregor den Großen, den I. als "papa Romanae sedis apostolicae praesul" (De viris, cap. 40) würdigt. Über die Herrscher dreier Völker seit dem 4. Jahrhundert berichtet I. in der "Historia de regibus Gothorum, Vandalorum et Sueborum", wobei sich alleine 70 der in 92 Kapitel eingeteilten Schrift auf die Goten beziehen. In der Weltchronik, der "Chronika maiora", weist I. in Anlehnung an die Augustinische Lehre von den sechs Weltzeitaltern warnend auf das "residuum saeculi tempus" hin. In erster Linie aber schreibt I. als Theologe. Mit seinen dogmatischen und exegetischen Werken beein- flußte I. maßgeblich die Glaubens- und Sittenlehre bis in späte Mittelalter. Sein theologisches Hauptwerk, die als Handbuch konzipierte, moraltheologisch ausgerichtete Schrift "Sententiarum libri tres", befaßt sich mit der Kirchenlehre, [Sp. 1376:] dem christlichen, ethischen Handeln und der kirchlichen Organisation. Besonders stellt sie die karitative Aufgabe des Klerikers in den Vordergrund (Gebot der Nächstenliebe). Als Vorlage fungierten hier die "Moralia in Job" Gregors des Großen. Der kirchlichen Lehre und Praxis widmen sich die Schriften "De haeresibus" und "Indiculus de haeresibus". Juden und Heiden, die vom christlichen Glauben Abgewichenen, werden streng verurteilt, doch die Anwendung physischer Gewalt zur Zwangsbekehrung lehnt I. entschieden ab. Weiterhin gehören zu den Schriften, die die praktische Theologie beinhalten, die zwei Bände "De ecclesiasticis offlciis" (neben Klerikern wird auch Jungfrauen, Witwen und Verehelichten besondere Aufmerksamkeit geschenkt) und die Mönchsregel "Regula monachorum". I. nimmt darin eine augenfällige Einschränkung vor. Mönche haben ungeachtet ihrer klerikalen Aufgabe auch Handarbeit zu verrichten, hingegen sei die grobe Arbeit von Klostersklaven zu leisten. Ihnen wiederum wird aus- drücklich die wirtschaftliche Versorgung im Monasterium zugesichert. Eine Exegese biblischer Texte unternimmt I. in den "Questiones in vetus testamentum"; ein Lehrer stellt Fragen zu biblischen Gegenständen. Dabei orientiert sich I. vornehmlich an Autoritäten wie Origines und besonders an Gregor den Großen. Biographisches Material zu 86 Personen der Bibel stellt I. in der Arbeit "De ortu et obitu patrum" zusammen, wobei I. für die Hauptgestalten des Alten Testaments die MöglichkeIten ihrer typologi- schen Deutung aufzuzeigen beabsichtigt. Die Schrift "De flde catholica ex veteri et novo testamento contra Judaeos", der Schwester Florentina gewidmet, weist in den Texten des Alten Testaments typologische Entsprechungen Christi nach. Diese Arbeit I.s ist - um nun kurz die Wirkungsgeschichte zu umreißen - bereits im 8. Jahrhundert ins Althochdeutsche übertragen worden. Bei der Übersetzung, die in zwei Handschriften vorliegt (Bibl. Nat, Paris; Nationalbibl. Wien) handelt es sich um Ab- bzw . Um- schriften von bilinguen Vorlagen; die Schriften dieser sogenannten "Isidor-Gruppe"" sind die „ältesten Zeugnisse einer theologischen Übersetzungsliteratur in deutscher Sprache aus dem 8./9. Jahrhundert. Der (unbekannte) Übersetzer ist im Kreis um Alkuin zu vermuten; der Dialekt läßt sich nicht exakt bestimmen, man bezeichnet ihn daher als "Isidorsprache". I. hat auf die folgenden Jahrhunderte eine immense Wirkung ausgeübt. Seine Leistungen als "letzter abendländischer Kirchenvater" sowie seine Ausstrahlung auf die Welt des Mittelalters sind ohne [1377:] Zweifel von nicht zu unterschätzender Bedeutung. In Anerkennung seiner Verdienste um die Festigung der Macht der spanischen Könige und um die Einigkeit der frühchristlichen Kirche pries bereits das 8.Toletanum (653) I.als "nostri saeculi doctor egregius, catholicae ecclesiae novissimum decus" (s. v. Schubert, 183). I.s Schriften fanden schon früh Verbreitung. In Irland wird um 650 die Benutzung seiner Werke bezeugt. Von hier aus ging ein großer Teil des isidorischen oeuvres ins übrige Europa. In der Zeit des 15./16. Jahrhunderts klang dann das Interesse an I.s Schriften ab. - Ferdinand von Kastilien und Léon (1035-1065) ließ I.s Reliquien von Sevilla nach Léon (Nordspanien) überführen; später wurde hier die Stiftskirche San Isidore errichtet. Zusammenfassend kann I.s Wirken und Bedeutung wie folgt umrissen werden: er verknüpfte das frühe Mittelalter mit der Bibelwissenschaft und der Theologie der Patristik; er hat zum Verständnis der antiken Überlieferung erheblich beigetragen und schließlich hat er erfolgreich das System der septem artes liberales tradiert. - I. wurde 1598 heilig gesprochen und 1722 zum Kirchenlehrer ernannt. Er wird dargestellt als Bischof in weißem Gewand mit Buch und Federkiel.
Werke: - CPL 1186-1215; MPL 81-83; I. iunioris episcopi Hispalensis Historia Gothorum, Vandalorum, Sueborum. Hrsg. von Theodor Mommsen, Hannover 1894(MG AA 11), 267-303. I. iunioris episcopi Hispalensis Chronica maiora. Hrsg. von Theodor Mommsen. Hannover 1894 (MG AA 11). 424-488; I. Hispalensis episcopi etymologiarum sive originum libri XX. Hrsg. von Wallace M. Lindsay. Oxford 1911; I., Traité de la nature. Hrsg. von Jacques Fontaine, Bordeaux 1960; The letters of St. I. Hrsg. von Gordon B. Ford, Amster- dam 21970; I. Etymologies. Engl. - Lat., Paris. Bisher: Buch II, hrsg. von Peter K. Marshall, 1983; Buch IX, hrsg. von Marc Reydellet, 1984; Buch XII, hrsg. von Jacques André, 1986; Buch XVII. hrsg. von Jacques André, 1981; George A. Hench: Der althochdeutsche I. Faksimile-Ausgabe des Paris Codes ..., Straßburg 1893; Der althochdeutsche I. Nach der Pariser Handschrift und den Monseer Fragmenten neu hrsg. von Hans Aggers, Tübingen 1964.
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Max Manitius: Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters. Erster Teil. München 1959. S. 54-56.
De natura rerum. Das Werk ist mit einem Briefe dem König
Sisebut (612-620) gewidmet, der mit Isidor naturwissenschaftliche Korrespondenz
unterhielt, die von des letzteren Seite vielleicht schon mehrfach in poetischer
Form gehalten war; denn darauf könnten Sisebuts Worte im Eingang seines
an Isidor gerichteten Gedichts über Mond- und Sonnenfinsternisse deuten
Tu forte in lucis lentus vaga carmina gignis Argutosque inter latices
et musica flabra Pierio liquidam perfundis nectare mentem. Dies Gedicht
aber scheint eine Gegenwidmung für Isidors De natura rerum zu sein,
denn der alte Colon. 83IIa.798 hat die Aufschrift incipit epistola sisebuto
regis gotorum missa ad isidorum de libro rotarum, wie das Werk De nat.
rerum öfters in den Handschriften heißt (s. ed. G. Becker p.
V).1) Sisebut hatte
ihn um eine solche Schrift gebeten, Praef. 1 .(Becker p. 1) et quaedam
ex rerum natura vel causis a me tibi efflagitas suffraganda. Es ist
kaum zu bezweifeln, daß Isidor ein wissenschaftliches Interesse daran
hatte (praef. 2 p. 1) Neque enim earum rerum naturam noscere superstitiosae
scientiae est, er deckt freilich sein christliches Gewissen mit einer
Bibelstelle (Sap. 7, 17f.), da ja die geographische und physikalische Kenntnis
der Welt für den Christen bedenklich erscheinen konnte. Den Titel
nahm Isidor wohl aus dem Pratum Suetons De naturis rerum. Den Inhalt2)
seines Buches gibt Isidor selbst an praef. 1 p. 1 expedire aliqua ex
parte rationem dierum ac mensium, anni quoque metas et temporum vicissitudines,
naturam etiam elimentorum, solis denique ac lunae cursus et quorundam causas
astrorum, tempestatum scilicet signa adque ventorum nec non et terrae positionem,
also eine Naturlehre oder eine Kosmographie. Er geht hierbei von der
Zeiteinteilung aus, behandelt das Himmelsgewölbe, Sonne, Mond und
Sterne, spricht ausführlich über die Himmels- und Witterungserscheinungen
und geht dann vom Meere auf das Festland über. Diese an sich klare
Disposition wird an einigen Stellen durch Einschiebungen unterbrochen,
ähnlich wie die älteren römischen Geographen sich durch
besonders wunderbare Erscheinungen zu Exkursen veranlaßt sahen; solche
Einschiebungen sind c. 27 über die Beseelung der Gestirne, c. 43 über
den Nil und c. 47 über den Aetna. Freilich leidet die Einheitlichkeit
des Ganzen ziemlich stark durch die Zerteilung des Stoffes in 48 Kapitel,
deren Gepräge und Ton fast ausschließlich3)
durch die in ihnen benutzten Quellen bestimmt wird, die meist wörtlich
zum Ausdruck kommen. Unterschiedslos werden antike und christliche Schriftsteller
angeführt, so daß sachliche Erzählung mit kühner Spekulation
abwechselt. Aber Isidor geht auch zuweilen über seine Gewährsmänner
hinaus und regt sogar zur Bearbeitung gestellter Themen an, wie er am Ende
von c.27 (p. 53,17 Becker) die Frage stellt, was mit den Sternen, falls
sie beseelt seien, bei der Auferstehung geschehen werde. Die Darstellung
ist im allgemeinen bedeutend eingehender als in den betreffenden Abschnitten
der Etymologiae, da die Quellen fast nie exzerpiert werden, sondern im
vollen Wortlaut, allerdings oft mit kleinen Veränderungen des Textes,
reden. Dieselben sind zum Teil, weil sonst nicht erhalten, wichtig. Hierüber
s. ed. Becker p. VI-XXII. Da Isidor seine Gewährsmänner nicht
häufig nennt, so ist die Herkunft seines Berichts an vielen Stellen
unsicher; jedenfalls hat er neben Hygins astronomischem Werk4)
(besonders c.16-22 und 48) die Werke von Sueton keineswegs so stark benutzt,
wie Reifferscheid meint. Er hat sie c. 37 f. und 44 genannt.5)
Als weitere antike Quellen verwertet er den Scholiasten zu Germanici Aratea
(vgl. Schenk p. 42 ff.), Solin (c. 40), Lucretius (c. 30.36.39) und Palladius
(c. 5). Servius.6)
Die Anführung Varros an zwei Stellen geht wohl nicht auf unmittelbare
Kenntnis, sondern auf Vermittlung durch eine andere Quelle zurück
(c. 10.38); dasselbe ist der Fall mit Versen aus Atta. Naevius und Pacuvius
(c. 44). Sonst werden häufig Vergil und je einmal Lucan (c. 12) und
Statius (c. 30) zitiert. Auf der anderen Seite benutzt Isidor einige christliche
Schriftsteller in ausgedehntem Maße. nämlich besonders das Hexaemeron
des Ambrosius,7) die
Recognitiones des Pseudo-Clemens und mehrere Schriften Augustins;8)
daneben wird natürlich auch die Bibel angeführt.
Diese Schrift hat in der christlichen Welt für das nächste Jahrhundert den Bedürfnissen der Zeit völlig entsprochen bis Beda einen Auszug mit vielen Zusätzen aus ihr veranstaltete, wobei die Rücksicht auf die Schule überwog. Dieser Auszug hat bei der Bedeutung seines Verfassers das ursprüngliche Werk mehr in den Hintergrund treten lassen, obwohl es immerhin noch oft genug abgeschrieben wurde. Alte Aufschriften sind häufig. z.B. Reichenau 821 (B. 6, 327.331 f.). St. Riquier 831 (B. 11.68.71), Konstanz s. IX (B. 15. 214f.), St. Gallen s. IX (B. 22.214). Lorsch s. IX (B.37. 331), Bobbio s. X (B. 32, 156f.) mit der Aufschrift De diebus et septimanis temporibus et signis libros II usw. Handschriften: Bamberg.H.I.IV.l5 s.VIII und H.I. IV. 17 s.IX. Basil. F. III. 15a s.vIII-IX, F. III.15f. s.IX. Bern. 417.s. IX. 224 und 249 s. X.9) Monac. 16128 s. IX10) und 396 s. X. 14300 s. X. Sangall. 238 s.VIII. Colon. 83 II s.VIII. Becker p. XXVI f. hat die Hss. nach dem Vorhandensein von c. 44 in zwei Klassen geteilt. Einzige kritische Ausgabe: rec. Gust. Becker, Berlin 1857. Arno Schenk, De Isidori Hispalensis de natura rerum libelli fontibus, Jenae 1909.
Isidor von Sevilla - Bibliographisches
1. Editionen Gesamtausgaben:
Einzelwerke:
Etymologia:
Gustav Becker: Isidori Hispalensis De natura rerum liber. Berlin 1857 (ND
Amsterdam 1967).
De eccl. off.:
Epistola:
2. Zu den Handschriften:
3. Literatur